Die psychoanalytische Ambulanz. Группа авторов

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Название Die psychoanalytische Ambulanz
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170366268



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Anna Lea Docter erste Ergebnisse der im November 2018 eingeführten fragebogengestützten Patientendokumentation (image Kap. 9). Die sich dadurch eröffnenden Forschungsperspektiven werden erläutert und beispielhaft diskutiert. Besonderheiten der Patientenpopulation werden dargestellt und im Kontext bisheriger Forschungsergebnisse betrachtet. Die Häufigkeitsverteilungen der im Untersuchungszeitraum erstellten Diagnosen und Indikationen werden dargelegt und erörtert. Ein besonderes Augenmerk gilt der Erhebung der Übertragungs-Gegenübertragungs-Dynamik und den sich daraus eröffnenden Forschungsperspektiven.

      Unser Dank gilt den Autorinnen und Autoren, die mit ihren Beiträgen an der Entstehung und Gestaltung des vorliegenden Buches mitgewirkt haben. Die Beiträge repräsentieren nicht nur die unterschiedlichen Aufgabenbereiche der Institutsambulanz sondern auch die lebendige Vielfalt an wissenschaftlichen, behandlungstechnischen und behandlungstheoretischen Perspektiven, die die klinische Arbeit und Forschung am Sigmund-Freud-Institut seit 60 Jahren auszeichnet.

      Die Idee, das vorliegende Buch zu schreiben, ist dem besten Wortsinne nach das Ergebnis einer Gruppenarbeit. Sie ist hervorgegangen aus der wöchentlich stattfindenden Ambulanzkonferenz.

      Danken möchten wir allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Ambulanzkonferenz, die mit ihrer klinischen Erfahrung und wissenschaftlichen Kreativität in der allwöchentlichen Arbeit am Fallmaterial zur Vertiefung und Verfeinerung psychoanalytischer Verstehensprozesse und Erkenntnisbildung beitragen: Ralph J. Butzer, Anna Lea Docter, Reinhard Hildisch, Alexandra Litinskaya, Beate Lorke, Carla Messmann, Bernd Pütz, Sigrid Scheifele, Felix Schoppmann, Annabelle Starck, sowie den Praktikantinnen und Praktikanten: Laura Harth, die die Transkripte erstellt hat, Stefan Coels, der an der Patientendokumentation mitarbeitete, sowie Sofie Schleicher und Anja Wedemeier. Danken möchten wir auch Frau Kroll, der Ambulanzsekretärin, die einen großen Teil der Verwaltungs- und Organisationsaufgaben durchführt und den Klinikern den Arbeitsalltag erleichtert.

      Last but not least danken wir Herrn Dr. Ruprecht Poensgen und Frau Dipl.-Psych. Annika Grupp für ihr engagiertes und zugleich geduldiges Lektorat sowie dem Kohlhammer Verlag für seinen Einsatz für die Wissenschaft vom Unbewussten.

Lothar Bayer, Heinz WeißIm November 2020

      Literatur

      Adorno, T. W. & Horkheimer, M. (1947). Dialektik der Aufklärung. Frankfurt, Fischer (1969).

      Argelander, H. (1967). Das Erstinterview in der Psychotherapie. Psyche-Z Psychoanal., 21 (5), 341-368.

      Bareuther, H. et al. (Hrsg.) (1989). Forschen und Heilen. Frankfurt: Suhrkamp.

      Bion, W.R. (1962). Lernen durch Erfahrung. Frankfurt: Suhrkamp (1992).

      Frank, C. & Weiss, H. (2007). Projektive Identifizierung. Ein Schlüsselkonzept der psychoanalytischen Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta.

      Leuzinger-Bohleber, M. & Plänkers, T. (2019). The struggle for a psychoanalytic research institute: The evolution of Frankfurt’s Sigmund Freud Institute. Int. J. Psychoanal., 100 (5), 962-987.

      Mertens, W. (2013). Das Zwei-Personen-Unbewusste – unbewusste Wahrnehmungsprozesse in der analytischen Situation. Psyche-Z Psychoanal., 817f.

      Mitscherlich, A. & Mielke, F. (1947). Diktat der Menschenverachtung. Heidelberg: Schneider.

      Mitscherlich, A. & Mielke F. (1949). Wissenschaft ohne Menschlichkeit. Heidelberg: Schneider.

      Plänkers, T. et al. (Hrsg.) (1996). Psychoanalyse in Frankfurt am Main. Tübingen: edition diskord.

      1 Die Ambulanz des Sigmund-Freud-Instituts Theorie und Praxis psychoanalytischer Erstgespräche

      Lothar Bayer

      1.1 Einleitung – zur Geschichte des SFI

      Die klinische Arbeit in der Ambulanz des Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts weist einige Besonderheiten auf, die nur vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Instituts verstanden werden können.

      Am 27.4.1960 konnte Alexander Mitscherlich in Frankfurt am Main mit Unterstützung der hessischen Landesregierung und ihres früheren Ministerpräsidenten Georg-August Zinn, sowie des renommierten Instituts für Sozialforschung und des damaligen Leiters Max Horkheimer, das »Institut und Ausbildungszentrum für Psychoanalyse und Psychosomatische Medizin« eröffnen, das 1964 in »Sigmund-Freud-Institut« (SFI) umbenannt wurde.

      Die Gründung des Instituts diente vor allem dazu, die von den Nationalsozialisten als jüdische Wissenschaft verfolgte und vertriebene Freudsche Psychoanalyse in Deutschland zu reetablieren und den verlorengegangenen Anschluss an die Internationale Psychoanalytische Vereinigung wiederherzustellen.

      Mit der Institutsgründung wurde zudem an das 1929 gegründete und 1933 von den Nationalsozialisten zerstörte »Frankfurter Psychoanalytische Institut« angeknüpft , dem die Psychoanalytikerin Frieda Fromm-Reichmann und die Psychoanalytiker Erich Fromm, Siegmund H. Fuchs und die beiden Gründer Heinrich Meng und Karl Landauer angehörten. Sie alle mussten unter dem Nazi-Terror fliehen und Deutschland verlassen. Landauer, der ein Schüler Sigmund Freuds und enger Vertrauter Max Horkheimers war, wurde kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben gebracht.

      Für Mitscherlich war die Reetablierung der Freudschen Psychoanalyse im Nachkriegsdeutschland untrennbar mit der Aufarbeitung der deutschen Geschichte und politischer Aufklärung verbunden. In seinem Verständnis hatte die Psychoanalyse mit ihren spezifischen Untersuchungsmethoden und ihrer Entdeckung unbewusster Triebkräfte einen unverzichtbaren Beitrag zur Erforschung destruktiver gesellschaftlicher Prozesse zu bieten. Diesen Beitrag sollte sie in ihre humanwissenschaftlichen Nachbardisziplinen (Soziologie, Anthropologie, Kulturwissenschaften, Friedens- und Konfliktforschung, Pädagogik etc.), aber auch in die Öffentlichkeit und ins politische Handeln einbringen. Aufklärung als Bewusstmachung unbewusster Strukturen erschien ihm als die einzig greifbare Option, um sich gegen die Gefahren einer sich wiederholenden Ausbreitung irrationaler Kräfte, nationalistischen Terrors und der Menschenverachtung zu schützen: »Die Suche nach der Wahrheit über uns selbst, ist das einzig verlässliche Mittel, um uns gegen die Inhumanitäten zu verteidigen, die uns unter der Decke der Zivilisation drohen« (vgl. Bareuther 1989, S. 286 und S. 300: Ansprachen zur Eröffnung des Instituts am 27. April 1960). Wie kaum ein anderer Psychoanalytiker hat Mitscherlich der Psychoanalyse außerklinische – soziologische, kulturkritische, politische – Aufgaben zugewiesen und als unermüdlicher Publizist psychoanalytische Erkenntnisse in die Öffentlichkeit getragen und zur Diskussion gestellt. Dabei sollte der Anspruch Sigmund Freuds zur Geltung gebracht werden, nach dem die Psychoanalyse nicht nur als fachärztliche Profession, als Therapieverfahren, »sondern wegen ihres Wahrheitsgehalts« (Freud 1933a, S. 169) Anerkennung verdiene. Als Wissenschaft vom Unbewussten, so die Einschätzung ihres Begründers, strebt die Psychoanalyse nicht nur über die engen Grenzen der Psychopathologie hinaus ins allgemein Psychologische, sondern auch über das Individualpsychologische ins Kollektive, zur Erkenntnis der kulturellen Bildungen und ihrer affektiven unbewussten Grundlagen. Mit seiner berühmten Formulierung »Der Gebrauch der Analyse zur Therapie der Neurosen ist nur eine ihrer Anwendungen; vielleicht wird die Zukunft zeigen, daß sie nicht die wichtigste ist« (Freud 1926e, S. 283) betonte Freud den genuin wissenschaftlichen Wert der Psychoanalyse und ihre Bedeutung als Subjekt- und Kulturtheorie