Die psychoanalytische Ambulanz. Группа авторов

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Название Die psychoanalytische Ambulanz
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170366268



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fragebogengestützten Patientendokumentation vorgestellt. Neue Forschungsperspektiven, die diese Dokumentationsform ermöglicht, werden diskutiert.

      Eine Besonderheit der Ambulanz am Frankfurter Sigmund-Freud-Institut liegt gerade darin, dass sie die Aufgaben einer Versorgungsambulanz mit denjenigen einer Forschungsambulanz verbindet. Dazu gehört auch die Mitwirkung in der Ausbildung und Lehre. Durch die regelmäßige Teilnahme niedergelassener Kolleginnen und Kollegen an der Ambulanzkonferenz, der Kooperation mit klinischen Einrichtungen sowie anderen, am Haus angesiedelten Ambulanzen (des Frankfurter Psychoanalytischen Instituts, des Anna-Freud-Instituts für Kinder und Jugendliche sowie des Jüdischen Psychotherapeutischen Beratungszentrums) kommt eine enge Vernetzung mit dem ambulanten und stationären Versorgungssektor zustande. Diese Besonderheit spiegelt sich in den Beiträgen des vorliegenden Bandes wider.

      Nach einer Einführung in die Geschichte des SFI geht Lothar Bayer den Besonderheiten der Institutsambulanz in ihrer Doppelfunktion als Forschungs- und Versorgungsambulanz nach (image Kap. 1). Gerade in dieser Verklammerung besitzt die Institutsambulanz Modellcharakter für vergleichbare Einrichtungen. Besonderes Augenmerk legt Bayer auf das von Herrmann Argelander entwickelte szenisch-situative Verstehen, das im Mittelpunkt des Erstinterviewverfahrens steht. Die unbewusst stattfindenden Beziehungs- und Austauschvorgänge zwischen Analytiker und Patient werden hier zum zentralen Untersuchungsgegenstand und zur Grundlage therapeutischer Erkenntnis- und Transformationsprozesse. Das »Argelandersche Verfahren« wird hinsichtlich seiner Verbindung zum Freudschen Denken wie zur Objektbeziehungstheorie diskutiert und an ausgewählten Beispielen erläutert.

      Ralph J. Butzer stellt das Konzept des szenischen Verstehens bei Alfred Lorenzer vor (image Kap. 2). Während Argelanders Forschungsschwerpunkt in der psychoanalytisch-klinischen Praxis, insbesondere dem psychoanalytischen Erstgespräch, liegt, verwendet Lorenzer das »Szenische« als metatheoretischen Vermittlungsbegriff, der die soziale Konstitution des Unbewussten im Spannungsverhältnis von Natur und Kultur erfassen soll.

      Im Rahmen der von ihm entwickelten materialistischen Sozialisationstheorie versucht er zu zeigen, wie sich im Kind von Beginn an, schon vor der Spracheinführung, soziale Interaktionen als »sinnliches Praxisgefüge« niederschlagen. Diese sog. Theorie der Interaktionsformen bildet nach Lorenzer die Grundlage einer besonderen Form der Hermeneutik, einer »Hermeneutik des Leibes«, die ihrerseits das psychoanalytische Verstehen theoretisch fassbar und soziologisch anschlussfähig machen soll. Im deutschsprachigen Raum haben Lorenzers Entwürfe als »Tiefenhermeneutik« die sozialwissenschaftliche Anwendung der Psychoanalyse beeinflusst.

      Der Aufsatz von Bernd Pütz behandelt die Frage der Einrichtung des sog. Behandlungsrahmens (image Kap. 3). Die Frage ist gerade auch deshalb relevant, da psychoanalytisches Arbeiten, so die gängige Lehrmeinung, die Stabilität eines explizit geklärten Rahmens voraussetzt, das Erstinterview aber durch das weitgehende Fehlen einer expliziten Rahmenvereinbarung charakterisiert ist. Gegenüber den weitverbreiteten normativen Konzeptionen der Rahmenvereinbarung plädiert Pütz für eine dialektische Konzeption des Rahmens. Die prinzipiell kooperativ konzipierte Rahmenvereinbarung bewegt sich zwischen grundsätzlich widersprüchlichen Anforderungen (Stabilität und Flexibilität, Absichtslosigkeit und Zielorientierung, Asymmetrie und Gegenseitigkeit) und hat sich als ein in sich widersprüchliches Gebilde zu bewähren. In diesem Sinne entfaltet der Autor ein Konzept des Rahmens als Übergangsraum und gemeinsames Übergangsobjekt im Sinne Winnicotts (1953).

      Felix Schoppmann beschreibt vor dem Hintergrund kleinianischer und postkleinianischer Konzepte typische Übertragungs-Gegenübertragungs-Konstellationen, die sich in Erstgesprächen mit schwerer gestörten Patienten einstellen (image Kap. 4). Sein Beitrag stellt in gewisser Weise eine Weiterentwicklung des Konzepts des »szenischen Verstehens« dar, indem er die Transformationsfunktion des Erstinterviews beleuchtet. Das vom Analytiker bereitgestellte aufnehmende Verstehen bzw. ›Containment‹ im Sinne Bions (1962) ermöglicht die Aufnahme und Modifikation abgespaltener, wenig symbolisierter Gefühlsinhalte, die der Patient via projektiver Identifizierung in den Analytiker hineinverlagert. Im besten Fall kann der Analytiker die aufgenommenen Projektionen in psychische Bedeutungen verwandeln, die er verstehen, kommunizieren und an den Patienten in erträglicherer Form als Deutungen zurückvermitteln kann. Solche Austauschvorgänge können beim Patienten zum Ausgangspunkt innerer Aneignungs- und Transformationsprozesse werden.

      Carla Messmann geht in ihrem Beitrag der Bedeutung des psychoanalytischen Zweitgesprächs nach (image Kap. 5). Anhand eines Fallbeispiels einer jungen Patientin sowie weiterer kurzer Fallsequenzen wird dargestellt, wie bedeutsam ein zweites oder drittes Gespräch im Rahmen einer psychoanalytischen Sprechstunde, wie sie am Sigmund-Freud-Institut angeboten wird, sein kann. Dabei werden die Unterschiede zwischen Erst- und Zweitgespräch sowie die, für den Verstehens- und Verdauungsprozess wesentliche, Zeit zwischen den Gesprächen betrachtet und – auch vor dem Hintergrund der Einschätzung von Indikation, Prognose, Diagnose sowie psychodynamischen Überlegungen – diskutiert.

      Der Beitrag von Annabelle Starck »Die Choreografin – Klinisches Beispiel einer Diskussion in der Ambulanzkonferenz« vermittelt einen Eindruck von der Arbeitsweise der wöchentlich stattfindenden Ambulanzkonferenz (image Kap. 6). Dieser auf der Grundlage von Tonbandaufnahmen erstellte Abschnitt gewährt einen unmittelbaren Einblick in den sich entfaltenden Diskussionsprozess und lässt den Leser damit zum Teilnehmer der Gruppe werden.

      Um die Herstellung eines ausreichend flexiblen und zugleich ausreichend haltgebenden Rahmens, durch den ein Raum für psychoanalytisches Arbeiten auch unter erschwerten Bedingungen entstehen kann, geht es im Aufsatz von Sigrid Scheifele. Sie berichtet aus der »Flüchtlingsambulanz«, die 2015 am SFI angesichts des stark erhöhten Bedarfs an psychotherapeutischer Hilfe für Geflüchtete und Asylsuchende ins Leben gerufen wurde (image Kap. 7).

      Ausgehend von drei Fallbeispielen – einer schwer depressiven afghanischen Patientin, die mit ihrem Mann und den beiden jüngsten Kindern länger als ein Jahr in einer Sammelunterkunft lebt, einem afghanischen Mann, dessen Ehe in Deutschland zerbricht, und einem in der Heimatstadt in Sippenhaft genommenen und misshandelten Syrer im fortgeschrittenen Alter – geht die Autorin der Besonderheit der Konstitution des analytischen Raums in der Arbeit mit Geflüchteten nach. Wie lassen sich Behandlungsmöglichkeiten erkunden, wenn das Außen unsicher ist, und die Perspektive auf das subjektive Leiden festgehalten werden soll? Wie kann trotz Unsicherheit des Aufenthalts, ohne intimen Lebensraum, ohne – hinreichende – Kenntnis der Sprache, bei Erschütterung der Geschlechterkultur und der elterlichen Autorität ein analytischer Prozess in Gang kommen?

      Annabelle Starck stellt die aktuelle »Studie zur psychodynamischen Therapie von Zwangserkrankungen« vor (image Kap. 8). Anhand von Fallbeispielen aus den Erstinterviews mit Studienteilnehmern arbeitet sie spezifische Übertragungs-Gegenübertragungs-Dynamiken bei zwangserkrankten Patienten heraus. Ihre Arbeit ist ein Beispiel einer Forschungskooperation der Institutsambulanz mit den Universitäten Gießen und Göttingen. Dabei geht es um Evaluation der Wirksamkeit psychodynamischer Verfahren und der ihnen zugrundeliegenden