Название | Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Dr. Norden Bestseller Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740937553 |
»Sehr krank sogar«, sagte Jenny, »und Sie dürfen nicht lange sprechen.«
»Wo bin ich?«, fragte Vanessa.
»In der Privatklinik Dr. Behnisch.«
»Wo ist die Klinik?«
»In München. Dr. Norden und Herr Johanson haben Sie hergebracht.«
»Johanson«, wiederholte Vanessa schleppend. »Harald Johanson, Birkenweg drei.« Sie leierte es herunter wie unter Hypnose. Dann war es, als würde ein scharfes Messer in ihre Brust gestoßen. Sie stöhnte auf.
»Haben Sie Schmerzen?«, fragte Jenny.
»Ja, mir tut alles weh. Was ist mit mir? Ein Unfall?«
»Was haben Sie gegessen und getrunken, Miss Hunter?«, fragte Jenny.
»Gegessen und getrunken?«, wiederholte Vanessa wieder. »Ich konnte nicht essen, nein, ich konnte nicht.«
»Aber Sie haben etwas getrunken. Sie hatten Kummer. Haben Sie Tropfen eingenommen?«
»Tropfen?« Die nachtdunklen Augen bekamen einen ungläubigen Ausdruck. »Die Orangeade war bitter. Ich hatte Durst.« Eine Pause trat ein. »Ich weiß nichts mehr«, flüsterte Vanessa dann.
»Sie werden jetzt wieder schlafen«, sagte Jenny sanft und mütterlich, »und morgen wird es Ihnen bessergehen.«
Vanessa schlief ein, aber bald wachte sie auf, doch dieses Erwachen war wie ein Traum. Sie fühlte sich als Kind. Ihre Mutter rief nach ihr. Sie lief durch einen großen Garten, auf eine wunderschöne Frau zu, und dann stand sie plötzlich allein auf dürrem Rasen.
Ich bin kein Kind mehr, ich bin erwachsen, dachte Vanessa, und Mummy lebt nicht mehr. Sie wird nie mehr nach mir rufen.
Heiße Tränen lösten sich aus ihren Augenwinkeln und rannen über ihre Wangen, aber diese Tränen brachten sie in die Wirklichkeit zurück. Sie spürte das salzige Nass auf ihren Lippen, so wie an jenem Tag, als Violet so eindringlich auf sie eingeredet hatte. Was hatte Violet doch gesagt?
»Er ist dein Vater, Vanessa. Deine Mutter hat diesen Mann geliebt. Er ruft dich zu sich. Möchtest du deinen Vater denn nicht wenigstens kennenlernen?«
Nein! Sie hatte nein gesagt. Und dann?
Ja, dann hatte sie mit Terry gesprochen!
Unwillkürlich fasste sie nach ihrer Hand, nach ihrem Ringfinger, aber der war leer. Es war kein Ring mehr da.
Vanessa richtete sich auf. Die Nachtlampe im Zimmer brannte. Sie konzentrierte sich, entdeckte die Tischlampe und drückte auf den Knopf, den ihre Finger ertastet hatten. Helles Licht durchflutete den Raum.
Sie setzte sich auf. Plötzlich spürte sie keine Schmerzen mehr. Sie betrachtete ihre Hände, die völlig schmucklos waren.
Sie brauchte Minuten, bis sie das begriff. Und ganz genau konnte sie sich erinnern, dass sie an der linken Hand ihren Verlobungsring getragen hatte und an der rechten den Saphir, den sie von ihrer Mutter zu ihrem achtzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte.
Wieder ging die Tür auf. Wieder trat eine weißgekleidete Gestalt ein. Es war nicht Jenny Lenz, es war Schwester Hertha.
»Ich sah Licht. Wünschen Sie etwas?«, fragte sie. Sie war die Nachtschwester und wusste nichts von diesem Mädchen, als dass sie eine von dreißig Patientinnen war.
»Ich vermisse meine Ringe«, sagte Vanessa tonlos.
»Da müssen Sie morgen den Chef fragen und Frau Dr. Lenz. Oder soll ich die Frau Doktor gleich rufen?«, fragte Schwester Hertha.
Vanessa nickte.
Schwester Hertha wunderte sich über nichts. Sie hatte schon so mancherlei erlebt während vieler Berufsjahre, auch, dass Patienten mitten in der Nacht dieses oder jenes vermissten. Sie ging wieder hinaus, und nach kurzer Zeit erschien Dr. Jenny Lenz.
»Sie vermissen Schmuck?«, fragte sie bestürzt.
»Zwei Ringe. Ich trug sie«, erwiderte Vanessa.
»Nicht, als Sie hier eingeliefert wurden«, sagte Jenny.
»Nicht?«, fragte Vanessa und sah dabei aus wie ein trauriges Kind.
»Waren es wertvolle Ringe?«, fragte Jenny.
»Ich glaube schon. Der von meiner Mutter war sehr wertvoll, der andere war mein Verlobungsring. Wo könnten sie nur sein?« Sie atmete schwer. »Bin ich überfallen worden?«, fragte sie dann stockend.
Vielleicht war es so, dachte Jenny. Aber wie kam dann das Gift in ihren Magen?
»Können Sie sich nicht erinnern, wo Sie zuletzt und mit wem Sie beisammen waren?«
Vanessa konnte sich plötzlich erinnern, aber sie wollte es nicht sagen, weil sie einfach nicht glauben konnte, dass ihr von diesem Menschen Schlimmes zugefügt worden war. Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann mich jetzt an gar nichts mehr erinnern, nur an meine Ringe«, murmelte sie. »Ich bitte um Verzeihung, das sollen Sie nicht falsch verstehen.«
»Nein, das tue ich nicht. Grübeln Sie jetzt nicht, Miss Hunter. Versuchen Sie zu schlafen.«
Mit den Beruhigungsmitteln wollte man bei ihr sparsam umgehen, aber als Jenny spürte, wie Vanessas Puls jagte, gab sie ihr doch eines.
Vanessa wusste nicht mehr, was es war, aber plötzlich fühlte sie sich ganz leicht, so als würde sie auf Wolken schweben.
Und dann war ihr, als würde sie im Kino sitzen oder vor dem Fernsehapparat, denn wie ein Film rollte vor ihren Augen ab, was sie erlebt hatte, seit sie Hunter Cottage verlassen hatte.
Simon hatte sie am frühen Morgen abgeholt. Laura hatte noch gefragt, ob sie nicht lieber mit Violet fliegen wollte.
In diesem Film, der ihr schon vieles bewusst machte, sah Vanessa auch Violet. Sie vernahm auch ihre Stimme, die sie immer so gern gehört hatte.
»Ich mag Simon nicht«, sagte Violet. »Was gefällt dir eigentlich so an ihm, Vanessa?«
»Du bist ja eifersüchtig«, erwiderte sie.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Violet empört.
»Simon hat es selbst gesagt. Sei doch nicht böse, Violet, dass ich diesmal stärker bin. Dir liegen doch alle Männer zu Füßen, wo du auch hinkommst.«
»Du bist ein kleines Schaf, aber ich liebe dich und fühle mich für dich verantwortlich. Warte ab, was dein Vater zu Simon sagt.«
»Ich werde mir nichts von ihm sagen lassen. Was könnte er mir schon bedeuten?«
»Deine Mutter hat ihn geliebt«, erwiderte Violet.
Geliebt, geliebt, geliebt, hallte es in Vanessas Ohren. Tausend Stimmen schienen es zu rufen, und das Echo warf es zurück.
Simon sagte, dass Gottfried Detloff ein sehr reicher Mann sei. »Du kannst Bedingungen stellen, Vanessa. Er hat bisher noch nichts für dich getan.«
»Ich will nichts von ihm. Ich wünschte, ich hätte nie erfahren, wer mein Vater ist«, hatte sie ihm erwidert.
Der Film rollte weiter. Sie sah sich neben Simon im Flugzeug sitzen. Zuerst war sie froh gewesen, dass er bei ihr war, dann plötzlich wünschte sie sich weit weg von ihm. Der Himmel war so dicht über ihr, sie fühlte sich ihrer Mutter nahe.
Ihre geliebte Mummy! Wie wundervoll war die Zeit gewesen, die sie mit ihr verbracht hatte. Nie hatten sie sich getrennt, selbst die Stunden, die sie in der Schule verbringen musste, dünkten sie immer endlos, und bei wem hätte sie denn mehr lernen können, als bei ihrer Mummy?
»Jetzt musst du an dich denken, an deinen Vorteil, Vanessa«, sagte Simon.
»Er hat eine Tochter«, erwiderte sie.
»Was macht das schon? Du bist auch seine Tochter«, sagte Simon.
Der Film riss.