Pforte des Todes. Willi Voss

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Название Pforte des Todes
Автор произведения Willi Voss
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967526769



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landen im hoch dotierten Vorstand der Stiftung zur Betreuung der von Langeweile heimgesuchten Frühpensionisten, Außenstelle Hawaii.«

      »Ja, wahrscheinlich«, sagte Wehner. Reineking erhoffte von den beiden fortrollenden Experten ein brauchbares Ergebnis, mit dem das Geschehen am Denkmal plausibel zu erklären wäre, obwohl er ganz tief in seinem Inneren ein Gefühl entwickelte, das viel mit Sorge und ganz wenig mit Zuversicht zu tun hatte.

      

      4

      Ihr Gesicht war blass und die Lippen rot, als hätte sie nervös darauf herum gebissen. Ihr besorgter Blick, mit dem sie Jakobs Laune abzuschätzen versuchte, wurde von schweren Tränensäcken ins Weinerliche verstärkt, und die Hand, mit der sie ihre rechte Wange verdeckte, beschwor das Bild heftiger Zahnschmerzen.

      Jakobs Fuß bremste die Bewegung des Türblatts.

      »Ich habe Verständnis«, sagte er sanft, »ich denke, auch von Ihnen solches verlangen zu können. Ich möchte es jedenfalls nicht erzwingen.«

      »Warum lassen Sie mich nicht einfach in Ruhe?«

      »Das werde ich - wenn Sie zu schreien aufhören und mir sagen, wo ich Deskin finde.«

      »Wie oft soll ich das noch sagen?«

      Er nahm die rechte Hand aus der Tasche. Zwischen Daumen und Zeigefinger blitzte ein Skalpell.

      »Nur ein einziges Mal«, sagte er, die scharfe Klinge in die linke Hand schlagend. »Und ich möchte mich überzeugen, dass er nicht in der Wohnung ist.«

      Mit dem Fuß stieß er die Tür auf. »Gehen Sie voran«, sagte er.

      Annette Gurtner gehorchte, bewegte sich rückwärts durch den dunklen Flur, an dessen Wänden Kinoplakate klebten, erreichte ein kleines Wohnzimmer, durch dessen Fenster Bäume und die verklinkerte Fassade einer Gaststätte zu sehen waren.

      »Ich sah nur seinen Namen auf dem Klingelschild. Wie heißen Sie?«

      »Annette Gurtner.«

      »Seit wann leben Sie mit ihm zusammen?«

      »Seit ungefähr zwei Jahren.«

      »Und wie nennt er sie?«

      »Häschen«, sagte sie ängstlich und irritiert zugleich.

      Jakob schloss die Tür. Mit zwei Schritten war er im Bad, fand es leer, kam zurück, kontrollierte das gegenüberliegende Schlafzimmer, beugte sich unter das Bett, ohne die wie gelähmt stehende junge Frau aus den Augen zu lassen.

      »Häschen«, sagte er leise, »wussten Sie, dass nahezu fünfzig Prozent aller deutschen Paare sich Häschen nennen?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Die anderen sagen Schatz, Schätzchen, Süße, Süßer und Schweinchen, Ärschilein, Bärchen und so weiter. Ich sage: Falls ich von Ihnen belogen werde, wird Sie die Hölle verschlingen. Verschlungen zu werden ist furchtbar. Sie sterben nicht nur, Sie erleben Ihr Sterben. - Was meinten Sie eigentlich, als Sie fragten, wie oft Sie meine Frage beantworten sollten?«

      Er betrachtete die wenigen Möbel. Spanplatte und Fünfziger Jahre, stellte er fest. Vor und auf den Fenstern Blumentöpfe, ein kleiner Fernseher mit Zimmerantenne, winzige Sesselchen, ein Glastisch, darunter ein recht neuer Flokati.

      »Haben Sie die Stimme verloren, Häschen?«

      »Es war schon jemand hier, der das wissen wollte, und angerufen wurde auch mitten in der Nacht.«

      »Erzählen Sie!«

      »Ich will nicht, dass Sie mir was tun!«

      »Ich tue Ihnen nichts.«

      »Sie bedrohen mich!«

      Er lachte. »Ach, Sie meinen dieses Skalpell? Nun, wenn es Sie beruhigt, stecke ich es ein.«

      Sie nahm die Hand von der Wange. Jakob steckte das Skalpell ein.

      »Wer hat sie geschlagen?«

      »Der mit dem großen Gesicht, der auch wissen wollte, wo Florian ist. Sie waren verabredet, aber es hat wohl nicht funktioniert.«

      »Wann?«

      Sie hob die hängenden Schultern. »Gestern. Abends. Er sagte ja nie was Genaues. Wenigstens nicht mir.«

      »Sie glauben, er traute Ihnen nicht?«

      »Wem traute er denn schon?«

      »Offenbar dem Mann mit dem großen Gesicht. Kennen Sie seinen Namen?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Wann war er hier?«

      »Vor ´ner Stunde, wenn ´s hoch kommt.«

      »Was wollte er?«

      Annette Gurtner zögerte einen Augenblick. Aber als sie Jakobs Augen sah, sagte sie hastig: »Es ging um Geld, um richtig dickes Geld, hat er gesagt. Florian hat sich aber nicht an seine Zusagen gehalten oder nicht halten können. Ich habe das nicht richtig verstanden. Auf jeden Fall war er stocksauer.«

      »Der Mann?«

      »Ja. Er hat mich geschlagen, dabei weiß ich wirklich nicht, wo Flor ist.«

      »Und dieser Mann hat gesagt, er sei für die Presse oder das Fernsehen tätig?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Am Telefon haben Sie das behauptet«, sagte Jakob.

      »Ach, dann waren Sie das, der angerufen hat?«

      Er nickte. Sie deutete auf einen Stuhl.

      »Darf ich mich setzen?«

      »Es ist Ihre Wohnung, nicht wahr?«

      Sie nahm am Tisch Platz, zündete sich eine Zigarette an.

      »Florian hat das mit dem Fernsehen oder so erwähnt«, sagte sie resigniert. »Nicht konkret, einfach so wie zwischen den Zeilen. Dass er einen guten Kontakt hätte, und dass bald alles in Ordnung wäre. Mit Geld, mit allem, keine Sorgen mehr. Mehr allgemein alles. Er hat sich ja nie richtig in die Karten gucken lassen, immer ein Geheimnis daraus gemacht. Aus allem.«

      »Wieso glaubte er, von denen Geld bekommen zu können?«

      »Ich weiß es nicht, ich glaube, er war auf was gekommen, auf eine große Sache, die viel Geld wert sein sollte.«

      »Denken Sie nach!«

      Tränen rannen ihr über die Wangen.

      »Er hat doch aus allem ein Geheimnis gemacht. Erst mit diesem Esoterikkram, dann sogar aus sich selbst.«

      »Was heißt das?«

      Ihre Schultern bewegten sich nach oben. »Dass er Macht gewinnen würde und all dieser Kram ... Genaues kam ja nie von ihm ‚rüber...«

      »Was wissen Sie von ihm?«

      »Nicht viel«, sagte sie, den Rauch ausstoßend, »so gut wie nichts, wenn ich ehrlich bin. Er hat sogar geschwiegen, als er seine Stellung verloren hat. Erst als dieser Mensch vom Jobcenter auftauchte und ihn hier sprechen wollte, kriegte ich davon mit. Und dass er Stück für Stück unsere Sachen verschleudert hat, das weiß ich jetzt auch. Wo es zu spät ist«, fügte sie bitter hinzu. Sie strich sich über den Unterleib. »Mich stellte ja auch keiner mehr ein, aber er hätte es mir rechtzeitig sagen können, dann wäre vieles besser gelaufen, keine Verzweiflung, keine verdammten Lügen und nicht diese vergeblichen Hoffnungen, endlich mal sorgenfrei leben zu können.« Ihre Blicke richteten sich auf ihn. »Warum suchen Sie ihn? Was hat er Ihnen getan?« Sie deutete auf seinen durchbluteten Halsverband. »War er das?«

      Jakob ignorierte ihre Fragen.

      »Wie sah der Mann mit dem großen Gesicht aus? Die Haare, seine Statur? War er schlank, war er dick, wie bewegte er sich, wie sprach er?«

      »Ich