Pforte des Todes. Willi Voss

Читать онлайн.
Название Pforte des Todes
Автор произведения Willi Voss
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967526769



Скачать книгу

Hausaufgaben müssen Sie schon selbst machen.«

      »Ohne Ihre Zustimmung kann ich keine Experten anfordern.«

      »Experten?« Oberstaatsanwalt von Vennebeck lächelte. »Trauen Sie Ihren Leuten die Bewältigung der Aufgabe nicht zu?«

      »Uns fehlt nicht der Sachverstand, sondern die nötige Ausrüstung.«

      Reineking hockte sich nieder, um mit dem Juristen auf gleicher Höhe zu sein. Er deutete auf den Gerichtsmediziner, der das Bein untersuchte.

      »Vermutlich macht der Doktor im Augenblick die gleiche Erfahrung wie ich. Er fragt sich vergeblich, wie der Körper entzündet wurde.«

      »Und wie lautet seine Antwort?« von Vennebecks Augen funkelten immer noch. »Herr Doktor?«

      Medizinalrat Sczymanzik drehte sich um. »Genau darüber denke ich nach.«

      »Und was bringt uns dieses Nachdenken?«

      »Nicht den Hauch einer Ahnung, Herr von Vennebeck. Was ich entdecke, sind Auswirkungen, nicht Ursachen. Diese fettigen Schmauchablagerungen hier«, er deutete auf die Spuren am Sockelboden, »sind typisch für vom Feuer ausgehende Effekte. Aber nirgendwo eine Spur von Zünd- oder Brandhilfsmitteln. Was mir einfällt, ist ein Tatbestand, den ich vor kurzem bei der Bundeswehr zu begutachten hatte. Da löste sich ein Soldat im Treibgas einer Abwehrrakete auf, oder besser gesagt, er wurde auf ein Viertel seiner ursprünglichen Größe reduziert.«

      »Ihren seligen Soldaten in Ehren, aber der liebe Gott wird doch keinen Grund haben, ausgerechnet hier Feuer vom Himmel regnen zu lassen?«

      »Sie sind der Herr des Verfahrens.«

      »Das ist richtig, ändert aber nichts an der dubiosen Ausgangslage, die auch eine der Zuständigkeiten ist. Bei Verdacht eines Verbrechens sollte die vielleicht kompetentere Mordkommission Bielefeld den Fall übernehmen. Ist das Ihr Ziel, Herr Hauptkommissar?«

      »Sie entscheiden.«

      »Will ich aber nicht!«, bellte von Vennebeck. »Ich will Klarheit. Wie sehen Sie das, Herr Doktor?«

      »Ich schließe mich Reinekings Meinung an«, sagte der Arzt, irritiert von der geradezu greifbaren Spannung zwischen den beiden Männern. »Hinzuziehung von Experten, exakte Analysen, all den Kram, den wir mit unseren Steinzeitwerkzeugen nicht leisten können.«

      Von Vennebeck wandte sich an Reineking.

      »Gibt es irgendwelche Hinweise auf Fremdeinwirkung?«

      »Keine erkennbaren.«

      »Herr Doktor?«

      »Nein«, sagte Sczymanzik.

      Von Vennebeck biss sich auf die wulstigen Lippen.

      »Wie war denn das Wetter zum wahrscheinlichen Zeitpunkt des Geschehens?«

      »Beschissen«, sagte Reineking und gab Grotejohann, der noch immer hinter dem Baugerüst auf Fotosession machte, einen diskreten Hinweis, sich zu verabschieden.

      »Was heißt das?«

      »Nass und windig und kalt, wie es sich für den deutschen Hochsommer gehört.«

      »Also Gewitter!«

      »Sie glauben wohl, da wäre ein Blitz eingeschlagen, was?«, fragte der Arzt.

      »War eines oder war keines?«

      »Selbst wenn es gewittert hätte, Herr Oberstaatsanwalt, können Sie die Idee, in das Opfer wäre der Blitz eingeschlagen, vergessen. Gucken Sie sich den alten Kaiser an, und was die ihm tonnenschwer über ‚s Haupt gebaut haben. Nee, da kommt kein Blitz ran.«

      Von Vennebeck wandte sich an Reineking. »Was also schlagen Sie vor?«

      »Ich bin für die Zuziehung des LKA. Das zöge allerdings die Absperrung und das Absuchen des gesamten Denkmalgeländes nach sich.«

      »Sie wollen hier alles stilllegen?«

      »Ich will die Ursachen dieses Falles finden.«

      »Ha ´m Sie ´ne Ahnung, was der Verein mit mir macht, wenn ich Ihnen den Gefallen tue?«

      »Das ist nichts im Vergleich zu dem, was geschehen wird, wenn wir die Geschichte nicht plausibel aufklären«, sagte der Kommissar. »Wie Sie sagten: Wir haben es hier mit einem Ort nationalen Interesses zu tun.«

      »Da spricht mir die Kriminalistik aus tiefstem Herzen. Nur sagen Sie mir bitte, warum ich das akzeptieren soll?«

      »Weil wir keinen vernünftigen Ermittlungsansatz haben. Es kann sich um einen Unfall, um Selbstverbrennung oder aber um ein Verbrechen handeln.«

      Von Vennebeck rollte die Zigarre im Mund. Seine Blicke richteten sich auf das Bein neben dem Denkmal.

      »Wieso kann solch ein Mensch sich nicht einfach das Genick brechen, he? - Entschuldigung«, fügte er mit einem Blick auf seine frierende Assistentin hinzu. »Ich bin mir durchaus der Situation bewusst, dennoch... Wie lange, glauben Sie, wird die Absperrung nötig sein?«

      »Wenn wir die Experten sofort einsetzen können, vielleicht bis Mittag.«

      »Auch wenn ´s weh tut«, sagte von Vennebeck nach einem kurzen Zögern, »setzen Sie ein, was Sie für richtig halten. Und Sie!«, bellte er, die zerkaute Zigarre drohend in Richtung Baugerüst ausstreckend, den doch unvorsichtig agierenden Grotejohann an, »Sie werden in Teufels Küche kommen, wenn Sie mich ohne meine Einwilligung ablichten!«

      Grotejohann trat ins Licht.

      »Heute ist es vom Gesetz gedeckt«, sagte er. »Heute sind Sie eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte.«

      »Gütiges Göttchen, muss ich mir dieses Laientheater wirklich anhören!?«

      »Es tut ja nicht weh, Herr Oberstaatsanwalt.«

      »Sie irren, Sie irren sogar sehr!«

      Reineking lächelte und verabschiedete sich in Richtung der Spurenexperten. Das Wortgewitter zwischen dem gewichtigen Juristen und dem nur geringfügig leichteren Reporter wollte er aus möglichst großer Distanz über sich ergehen lassen.

      

      2

      Jakob beobachtete sie, ihr feines, an griechische Statuen erinnerndes Profil. Eine klassisch schöne Nase, leicht gewölbte Lippen, auf denen sich der Widerschein der Scheinwerfer spiegelte. Das Haar trug sie kurz. Helle, krause Locken, die in ihre leicht gewölbte Stirn fielen und im Fahrtwind wehten.

      »Magdalena«, sagte er, die rechte Hand auf dem blutigen Verband, »darf ich dir eine intime Frage stellen?«

      »Sie dürfen mich alles fragen«, sagte sie. Aber in ihrer Stimme war ein Zittern, wie er mit Genugtuung feststellte. Die Lichtkegel, vom Regen perforiert, schnitten in den bewaldeten Berg, als der Wagen eine steile Kurve durchfuhr.

      »Was ich gerne wissen möchte, ist, ob du jemals mit einem Mann geschlafen hast.«

      Sie biss sich auf die Lippen.

      »Ich frage aus lauterem Interesse«, sagte Jakob, »und du musst mir nicht antworten.«

      Licht fiel von einem entfernt hinter ihnen fahrenden Auto ins Innere.

      »Nein«, sagte sie leise, »das habe ich nicht, so wie ich es geschworen habe.«

      »Ich frage dich im Angesicht des wahren Gottes.«

      »Ich bin unberührt«, sagte sie, »und ich möchte es auch bleiben.«

      Blaulicht zuckte jäh auf. Jakob zuckte zusammen und wandte sich erschreckt um. Ein schweres Fahrzeug, auf dem Dach ein mobiles Warnlicht, setzte zum Überholen an.

      »Habe ich etwas falsch gemacht?«, fragte das Mädchen verunsichert.

      Jakob schüttelte den Kopf. Er unterdrückte