Pforte des Todes. Willi Voss

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Название Pforte des Todes
Автор произведения Willi Voss
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967526769



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      Termöhlen kletterte in den Wagen und warf sich kopfschüttelnd auf eine Sitzbank. Er schaltete den Rekorder ein. In das Rauschen des Bandes platzte zunächst die klare Stimme des Dienst tuenden Pultbeamten mit der Standortmeldung, wurde unterbrochen von der sich überschlagenden einer Frau, in der Entsetzen und - wie Reineking fand - auch Angst mitschwangen.

      »... die Polizei? Habe ich die Polizei?«

      »Ja, die Polizei. Was kann ich für Sie tun?«

      »Der brennt, Sie müssen sofort kommen, sofort, der steht in vollen Flammen, der verbrennt ...!«

      »Bitte nennen Sie Ihren Namen und den Ort, an dem Sie sich befinden.«

      »Scheiße, das ist hier am Denkmal!«

      »Sie müssen mir bitte sagen, wo genau und an welchem Denkmal Sie zu finden sind!«

      »Hier oben, hier am Denkmal von dem Wilhelm, da ist das.«

      »Das Wilhelmdenkmal in Barkhausen also?«

      »Genau.«

      »Und Sie sagen, das Denkmal steht in Flammen?«

      »Scheiße nein! Der Mann, nicht das Denkmal! Der Typ, der hier raufgelaufen is! Und der schlug plötzlich um sich und dann schrie er und brüllte und liegt jetzt da oben und verbrennt ... Das ist keine Verarsche, das ist so wie ich sage ... Halt doch mal die Schnauze, verdammt noch mal, ich sag doch schon! Sie müssen jemand schicken, weil ... ich sag, das ist keine Verarschung, der brennt, der verbrennt ...« Ein polterndes Geräusch, ganz dünn: »Scheiße noch mal, jetzt ist ...«

      Der Wachhabende in der Zentrale: »Also am Wilhelmdenkmal sind Sie, und es ist nicht das Denkmal, das brennt ... Hallo, hören Sie mich? Hallo? Sind Sie noch da? Hallo, bitte melden Sie sich...« Das Rauschen des Bandes. Der Wachhabende: »Ich glaube, da ist nichts mehr ...«

      »Verstehst du?«, fragte Termöhlen. »Einfach abgehauen, obwohl da einer lichterloh brannte und um sein Leben kämpfte.«

      »Spule zurück und lass es noch mal laufen«, bat Reineking.

      Termöhlen bediente mit verbittertem Gesicht das Gerät. Die Stimmen erklangen erneut.

      »Angst«, sagte Reineking, »blanke Angst, geradezu Panik. Vielleicht konnte sie nicht helfen, weil das, was sie in Angst und Schrecken versetzte, ihr gefährlich werden konnte. Geh noch mal bis an die Stelle, wo der Kollege bestätigt haben will, dass das Denkmal in Flammen steht.«

      »Der muss auch nicht ganz dicht gewesen sein«, sagte Termöhlen. »Die hat doch ganz klar gesagt, dass es der Mann brannte.«

      »Überlege mal, wenn dich solch ein Anruf kalt erwischt!«

      »Kann ja sein«, lenkte Termöhlen ein und drückte erneut die Wiedergabetaste.

      Die Stimme des Beamten. Dann die der Frau.

      »Stopp!«

      Termöhlen hielt das Band an.

      »Als wenn sie gehindert worden wäre!«

      »Ja. Aber vorher schreit sie ohne erkennbares Motiv: Halt die Schnauze, verdammt noch mal, ich sag es doch schon! - Wem sagt sie das?«

      »Mich hat das auch gewundert, dass sie plötzlich so aggressiv geworden ist.«

      »Aber wem sagt sie das?«

      »Frag mich was Leichteres.«

      »Der Beamte in der Wache hat ihr keinerlei Anlass geboten, sich in der Weise zu äußern, ihn meinte sie meines Erachtens auch nicht. Halt die Schnauze, verdammt noch mal, ich sag es doch schon! - Das klingt, als wenn sie nicht alleine ist, ich meine, war, als wenn da jemand neben ihr gestanden hätte, einer, der sie in irgendeiner Weise gestört hat. - Geh noch mal zurück!«

      Sie hörten das Band noch dreimal in der Hoffnung ab, eine Bestätigung der Vermutung zu finden.

      »Du hast recht«, sagte Termöhlen nickend, »da ist noch jemand, der ihr was zu verstehen geben will.«

      »Er mischt sich ein.«

      »Und sie will das nicht! Deshalb die plötzliche Aggression.«

      »Eindeutig dem Begleiter, nicht dem Wachhabenden gegenüber.«

      »Der muss sich auch was gefragt haben.«

      »Aber sie hat echte Angst.«

      »Nicht, als sie das so heftig sagt, ich meine, dem oder der anderen gegenüber.«

      »Genau. Diese Person ist nicht die Quelle ihrer Angst. Das ist das andere, vielleicht der Brennende oder der ihn in Brand gesetzt hat.«

      »Sie muss mitgekriegt haben, wie das passiert ist, und sie muss den Täter gesehen haben.«

      »Aber sie erwähnt ihn nicht. Warum, wenn sie ihn gesehen hat?«

      »Angst lähmt, Ulli. Und sie ist eine junge Frau, sie ist durchgedreht und fix und fertig.«

      »Das ist sie eben nicht!«

      »Natürlich ist sie im Eimer! Der ganze Text ist reine Panik, das hast du vorhin doch selbst gesagt!«

      »Sie hatte den Nerv, die Polizei anzurufen, zwar hektisch, aber überlegt. Und diese aggressive Phase, als sie die Begleitperson - nehmen wir an, sie hatte eine - anpfiff, zeigt, dass ihr Zorn zumindest in diesem Augenblick die Angst überwog. Also hatte sie sich unter Kontrolle. Daraus ist zu folgern, dass sie nicht um sich selbst, um ihre Sicherheit fürchtete. Wäre die gefährdet gewesen, hätte sie wahrscheinlich nicht unter den zu diesem Zeitpunkt herrschenden Bedingungen bei der Polizei angerufen.«

      »Die Täter müssen sie ja nicht gesehen haben«, sagte Termöhlen wenig überzeugt.

      Reineking tippte sich an die Stirn.

      »Ich danke dir für deinen konstruktiven Widerspruch, aber ich denke, bei dem Geschrei wären die ganz sicher auf sie aufmerksam geworden.«

      »Nicht, wenn sie weit genug weg gewesen ist.«

      »Hier oben gibt es kein Weit-genug-weg, hier kriegst du mit, wenn einer so schreit.« Er deutete nach draußen auf den Vorplatz. »Wo willst du hier weit genug weg sein?«

      »Dann bleibt als Schlussfolgerung, dass die Täter bereits abgezogen waren.«

      »Genau.«

      Reineking stieg aus dem Bus und betrachtete den Vorplatz. Neben der linken der beiden Treppen, die zu den oberen Plattformen und letztlich zum Kaiser unter dem steinernen Baldachin führte, stand ein rostender Anhänger, auf dem ein verzinkter, langer Tank angebracht war. Dessen vordere Felgen leuchteten rot in der Sonne. Die hinteren waren blaugrau gestrichen. Rote Schläuche hingen am Heck herab. Offenbar diente das Gefährt den Bauarbeitern als Wasserreservoir.

      »Von hier aus«, sagte Reineking und deutete auf das hohe Bauwerk des Baldachins, unter dem das Kaiserdenkmal und daneben ein hohes, mit hellgrünen Plastiknetzen verhängtes Baugerüst zu sehen war, »ist es unmöglich, das Podest des Denkmals zu sehen. Es geht zu steil nach oben. Da hinten, wo der Tankwagen steht, sieht es anders aus. Wenn du ihm gegenüber irgendwo an der Umfassungsmauer bist, kannst du die linke Treppe, das Absperrgitter vor dem Denkmal und die Seite des Sockels sehen, an der unser Opfer verbrannt ist. Von dort aus hast du auch einen relativ freien Blick über den Vorplatz. Und dort hinten, vielleicht hat sie auf einer der Ruhebänke gesessen, muss die junge Frau postiert gewesen sein und das Geschehen beobachtet haben. Und zwischen ihr und dem Sockel oben muss unser Opfer mit irgendwas überschüttet und entzündet worden sein.«

      Er setzte sich in Bewegung. Termöhlen folgte ihm nach kurzem Zögern, nutzte die Gelegenheit, sich eine Zigarette anzuzünden. Sie passierten auf knirschendem Split den Tankanhänger, hielten sich dich an der Begrenzungsmauer, hinter der sich der Blick in das Wesertal öffnete.

      »Hier etwa«, sagte Reineking und blickte nach oben auf das Denkmal, »von hier aus haben wir den freien Blick. Das muss ihre Position gewesen sein. Siehst du?«

      Termöhlen