Pforte des Todes. Willi Voss

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Название Pforte des Todes
Автор произведения Willi Voss
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967526769



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nichts mehr, der hat irrsinnige Schmerzen, er ist dem Wahnsinn nahe ...«

      »Es hat keinen Sinn zu spekulieren. Wir müssen die Zeugin finden.«

      »Wer macht so was? - Nazis?«

      »Wieso müssen es immer Nazis sein?«

      »Wegen der ins Auge springenden Symbolik. Die schnappen sich einen, jagen den hier hoch, zünden den an und hoffen, weil es ja ein echtes deutsches Symbol ist, auf das entsprechende Echo.«

      »Umgekehrt kannst du es genauso konstruieren.«

      »Dass das ein Nazi war, den sie ...«

      »... oder ein gehörnter Ehemann, der ...«

      »Ach Scheiße!«

      »Aus einer Telefonzelle hat sie jedenfalls nicht telefoniert.«

      »Nee, die einzige steht unten am Restaurant.«

      »Also?«

      »Heutzutage kommen die Kinder schon mit ‚nem Handy am Ohr auf die Welt.«

      »Das ist unsere Chance!«, sagte Reineking und ballte die rechte Faust.

      »Das heißt, wir müssen jeden Anrufer überprüfen, der hier in der Gegend telefoniert hat!«

      »Das machen die Computer. Wir haben die Uhrzeit. Wir wissen, dass es sich um eine Frau handelt. Der Stimme nach um eine jüngere. Und so viele Frauen werden gestern spät abends nicht vom Denkmal aus angerufen haben. Ich denke, das lässt sich relativ einfach eingrenzen.«

      »Wenn wir da mal nicht wieder eine Überraschung erleben«, sagte Termöhlen.

      »Das sehen wir dann«, sagte Reineking. »Jetzt leiten wir die Anfrage bei den Telefongesellschaften ein. Ganz sicher verlangen die Betreiber entsprechende gerichtliche Anordnungen, aber die kriegen sie notfalls nachgereicht. Dann müsste allerdings unser allseits beliebte Dr. von Vennebeck eingeschaltet werden. Ich denke, das übernehme ich selbst. Schalte dich bitte mit Wehner zusammen. Er müsste irgendwo auf dem Gelände zu finden sein, und arbeite mit ihm die Absuchergebnisse auf. Wäre nett, wenn ich das morgen auf dem Schreibtisch hätte.«

      Termöhlen verzog wie unter Schmerzen den Mund.

      »Muss das mit dem sein?«

      »Was hast du gegen Wehner?«

      »Eigentlich nichts, aber ... in letzter Zeit tickt der nicht mehr richtig. Ich glaub, der ist anders rum.«

      »Was meinst du mit anders rum?«

      »Der ist ´ne Tunte, verdammt noch mal! Beobachte den mal richtig wie der mit dem Arsch wackelt!«

      »Er ist verheiratet.«

      »Glaubst du, ich sag das nur so? Er ist gesehen worden. Mit Puppenjungen. In einschlägigen Lokalen.«

      »Das ist ganz alleine sein Bier, solange er dir nicht an die Eier geht! Und außerdem, was soll die Denunziererei?«

      Termöhlen hob erschreckt die Hände. »Entschuldige«, sagte er, »so habe ich das nicht gemeint. Ich habe ja auch nichts gegen ihn, es ist mir nur unangenehm und ... Tut mir leid, wirklich, es tut mir leid.«

      »Vergiss es. Kriegt ihr die Sache bis morgen früh hin?«

      »Das wird zu schaffen sein.«

      »Na fein. Gleich wird das Gelände wieder von Touristen überschwemmt. Trotzdem sollten wir weiter nach einem Fahrzeug suchen, mit dem unser Mann hier heraufgekommen sein könnte. Vielleicht ist er ja tatsächlich, wie du vermutest hast, mit Fahrrad, Moped oder Motorrad hergekommen. Dann allerdings könnte er von den Leuten, die unten an der Straße wohnen, beobachtet worden sein. Die ungefähre Zeit haben wir ja. - Wie spät ist es?«

      »Vierzehnfuffzig.«

      »Ihr solltet mit den Hausbesuchen beginnen und, falls die Zeit nicht ausreicht, morgen nach der Lagebesprechung weitermachen.«

      »Ich würde mit der Befragung lieber später beginnen.«

      »Wieso?«

      »Weil wir jetzt wahrscheinlich die meisten gar nicht antreffen. Die arbeiten, und dann müssten wir die Tour noch mal starten.«

      Reineking nickte.

      »Das mach, wie du es für richtig hältst. Wir sehen uns dann spätestens morgen früh um zehn, okay?«

      »Okay«, sagte Termöhlen. Er neigte den Kopf, schien noch etwas sagen zu wollen, verzichtete jedoch darauf und ging mit gemurmeltem Gruß. Reineking sah ihm nach. Der gebeugte Rücken schwankte von der einen zur anderen Seite, als trüge der Kollege unter Schmerzen eine überschwere Last. Schwerfällig auch der Schritt, unsicher, wie bei einem Menschen, der sein Ziel aus den Augen verloren hat.

      

      6

      Von Grotejohanns Position waren Schlaf- und Wohnzimmer Annette Gurtners einzusehen. Ebenso der vordere Bereich der Küche und durch das gekippte Riffelglasfenster ein schmaler Streifen des Badezimmers. Die Küche war trotz des Tageslichts in grelles Licht eines Halogenfluters getaucht.

      Die junge Frau kochte. Hin und wieder sog sie an einer Zigarette, behielt den Rauch lange in den Lungen, ehe sie ihn durch die Nase wieder entließ. Immer wieder blickte sie auf die Tür, als erwartete sie unliebsamen Besuch. Einmal schrak sie zusammen, lief hinaus, tauchte im Wohnzimmer wieder auf und nahm ein Telefongespräch an. Sie schüttelte mehrmals den Kopf. Grotejohann ahnte, dass es auch bei diesem Gespräch um das Verschwinden Deskins ging. Er war nahe daran, ihr zu glauben und die Beobachtung einzustellen. Trotz des etwa vierzig Jahre alten Besuchers, der mit einem Rintelner Taxi vorgefahren war und auf ihn nicht nur wegen des Halsverbands den Eindruck einer mehr als ungewöhnlichen Persönlichkeit gemacht hatte.

      Schlank, weißhaarig und mit einem Gesicht, das von innen erleuchtet zu sein schien, war der Fremde mit der Selbstverständlichkeit eines Menschen in das zweigeschossige Mietshaus gegangen, der genau wusste, dass er sein Ziel erreichen würde. Die junge Frau schien sich zu ängstigen.

      Grotejohann rief seine Sekretärin an, gab ihr Kennzeichen und Nummer des Taxis durch und bat sie, die Daten des Fahrers zu recherchieren. Kaum hatte er das Gespräch beendet, kam der Weißhaarige aus dem Haus, stieg in das wartende Taxi und fuhr in Richtung Werre Park ab.

      Machte es überhaupt noch Sinn, die Wohnung weiter zu beobachten? Oder hatte sich Deskin, seinen Betrug breit grinsend genießend, bereits abgesetzt?

      »Ich biete Ihnen eine Wahnsinnsstory«, hatte Deskin versprochen. »Menschenopfer, verstehen Sie?«

      »Haben Sie Beweise?«

      »Gegen gutes Bares.«

      »Kein Interesse.«

      »Ich habe Ihnen ein Foto in den Briefkasten geworfen.«

      In der Tat. Ein zerschnittenes. Darauf ein geradezu liebliches Gesicht. Blass, offenbar geschminkt und tot. In einem elfenbeinfarbenen Sarg auf schneeweißer Seide. Sah sehr rituell aus. Ein Menschenopfer?

      Mit schweißnassen Händen hatte er einige Redaktionen angerufen. Das Echo war überwältigend. Wenn Sie die Geschichte dokumentieren können, haben Sie den Jackpot!

      Grotejohann ballte die Rechte und schlug damit gegen das Lenkrad. »Hurensohn«, zischte er, als er an die Nacht auf dem Parkplatz am Kaiser-Wilhelm-Denkmal dachte, auf dem Deskin ihm die Beweise für die Richtigkeit seiner Geschichte hatte übergeben wollen. Er war vor der Zeit angekommen, war trotz des Mistwetters wie vereinbart zweimal über den Parkplatz gelaufen und dann unter einen mächtigen Ahornbaum geflüchtet, hatte vor Kälte gezittert und gehört, wie der Regen auf die Plastiktüte trommelte, die er sich kurz nach seinem Eintreffen über den Kopf gezogen hatte. Der böige Wind hatte an den Ästen und den Peitschenlaternen gezerrt, in deren Licht die Wasserfäden über den trostlosen Parkplatz des Ausfluglokals schleierten. Die lichtlosen Fenster waren ihm wie Mündungslöcher drohend auf ihn gerichteter