Arabella. Hildegard Maas

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Название Arabella
Автор произведения Hildegard Maas
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783962298791



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nicht für meine Oma“, berichtigte er sich schnell, „sondern für die Vögel im Garten meiner Oma. Sie hat ganz viele Vogelhäuser im Garten und darin sind natürlich auch sehr viele Vögel. Ich nehme für meine Vögel immer das Futter in der blauen Tüte, aber das hat meine Oma nicht so gerne. Sie sagt, das schmeckt ihren Vögeln nicht so gut und sie sagt auch, das hat nicht genug Vitamine.“

      „Aha“, sagte die Dame, „wer ist denn Ihre Oma?“

      „Anastasia“ sagte Theobald.

      „Ach, die gute alte Anastasia“, die Dame wurde nun sehr freundlich und war hocherfreut. „Dann musst Du, Theobald, ihr Enkel sein. Das ist ja toll, dass ich Dich mal kennenlernen darf! Ich habe schon so viel Schönes über Dich gehört. Es heißt, Du kannst die Menschen zum Lachen bringen, und ja, jetzt kann ich mir vorstellen, dass Du das kannst.“ Sie schaute Theobald an und lachte. „Also ich kenne Anastasia schon seit 94 Jahren. Wir haben mal früher zusammen einen Malkurs gemacht. Soweit ich weiß, nimmt sie immer dieses Futter für ihre Vögel. Ja, ja, ich erinnere mich, da ist sie ja ziemlich eigen, was ihre Tiere angeht.“ Sie zeigte auf eine grüne Tüte. „Das ist zwar das teuerste Futter hier, aber die gute Anastasia sagte immer, dass es das Beste ist.“

      „Also gut, dann nehme ich das grüne Futter“, sagte Theobald. Er war froh, dass ihm geholfen wurde. „Oje, jetzt muss ich mich beeilen“, sagte die Dame. „Ich komme demnächst mal bei Anastasia zu einem kurzen Besuch vorbei. Richte ihr doch schon mal liebe Grüße aus von Marianne. Sie wird sich freuen. Wir haben uns lange nicht gesehen und viel zu erzählen. Ich hoffe, es geht Anastasia gut?“, fragte sie bereits im Weggehen.

      „Sie hat sich …“, fing Arabella an, dann wurde ihr aber von Theobald der Mund zugehalten „ja sicher, es geht ihr gut, sie wird sich bestimmt sehr über Besuch in der nächsten Zeit freuen“, sagte Theobald stattdessen. Marianne zog verwundert eine Augenbraue hoch. „Habe ich da noch eine andere Stimme als Deine gehört, Theobald?“, fragte sie nachdenklich. Theobald lächelte sie freundlich an und winkte ihr zu, wie zum Abschied. Marianne rieb sich kurz beide Ohren, lächelte, wenn auch etwas verunsichert, winkte, drehte sich um und ging zur Kasse. „Puh“, sagte Theobald, „nicht jedem musst Du auf die Nase binden, dass Anastasia krank ist, wer weiß, ob ihr das recht ist und außerdem kannte ich diese Frau ja gar nicht.“ Arabella war beleidigt und schmollte. Dass man ihr den Mund zuhielt, ging gar nicht, fand sie, auch wenn es Theobald war. Kurzzeitig sagte sie nichts. Das nutzte Theobald, um schnell zur Kasse zu fahren, seine Einkäufe zu bezahlen und den Supermarkt zu verlassen. Als er wieder auf der Straße stand, atmete er erleichtert auf. Das wäre geschafft und stolz war er auch, dass er diesmal nun wirklich nichts vergessen hatte.

      Er klopfte sich selbst auf die Schulter. Zufrieden schlendernd trat er den Rückweg an. Jetzt würde er die Sachen zu seiner Oma bringen, vielleicht dort noch eine Tasse Tee trinken und dann würde er sich auf den Weg nach Hause machen. Arabella würde er bei Anastasia lassen und dann hätte er morgen den ganzen Tag für sich allein. Da könnte er jonglieren üben und seilspringen, das ging immer noch oft schief bei seinen Auftritten.

      Er müsste nur noch Anastasia davon überzeugen, dass Arabella bei ihr viel besser aufgehoben war als bei ihm, aber das würde ihm schon ziemlich sicher gelingen, dachte er und war bester Stimmung, als er am Haus seiner Oma ankam.

       Kapitel 7

      Er schloss die Haustür auf, ging ins Haus und trug den Korb mit den Einkäufen und Arabella in die Küche. Anastasia saß immer noch auf der Küchenbank und war eingeschlafen. Auf ihrem linken Knie lag eine Tüte Tiefkühlerbsen, die aber schon etwas vor sich hin tauten. Theobald und Arabella räumten Milch und Quark in den Kühlschrank. Als Arabella vorsichtig die Erbsen von Anastasias Knie hob, klingelte es Sturm an der Haustür, gefolgt von heftigem Klopfen. Alle drei schreckten hoch. Anastasia rieb sich die Augen. „Was ist denn um Himmels willen nur los hier. So eine Unruhe habe ich ja die letzten 120 Jahre nicht erlebt.“ Unwirsch setzte sie ihre Brille wieder auf, die sie auf dem Küchentisch abgelegt hatte. „Auf Besuch bin ich nun wirklich überhaupt und gar nicht eingerichtet“, rief sie unglücklich. „Guckt nur wie ich aussehe und Kekse habe ich auch keine gebacken, geschweige denn Kuchen. Kaffee ist nicht gemahlen und schon überhaupt noch gar nicht ansatzweise gekocht, oh nein, oh nein, oh nein.“ Sie wollte von der Küchenbank springen, wurde jedoch bei der ersten Bewegung an ihr krankes Knie erinnert „Au, ach Du grüne Neune, das dumme Knie ist ja immer noch nicht wieder gut. Tja, dann weiß ich jetzt auch nicht weiter. So etwas hatte ich noch nicht.“ Mutlos ließ sie sich zurück auf die dicken Kissen der Küchenbank fallen. „O. k., es ist, wie es ist, kommt Zeit, kommt Rat“, sagte sie erschöpft. „Tadaaa“, tröteten Arabella und Theobald einstimmig, „genau jetzt ist Zeit und nun kommt Rat.“

      Theobald lief zur Haustür. Draußen standen Markus Huflattich und Antonius Sanguin. „Herzlich willkommen, seid gegrüßt Ihr Retter in der Not.“ Theobald ließ die beiden Herren eintreten und leitete sie in die Küche weiter. Arabella war auf die Küchenbank gehüpft, von dort hatte sie einen besseren Überblick. Außerdem wollte sie in Anastasias Nähe sein, wenn sie Antonius Sanguin kennenlernte. Den kannte sie ja noch nicht und sie war bei Fremden lieber immer erst etwas zurückhaltend. Sie wollte selbst bestimmen, wen sie näher kennenlernte und wen nicht, und das konnte sie am besten mit anfänglichem Abstand, fand sie. Anastasia machte große Augen, als die beiden Herren in ihrer Küche auftauchten. Markus Huflattich war ziemlich rundlich und einen Kopf kleiner als Theobald. Er war also ungefähr genau 1,55 m groß. Antonius Sanguin dagegen war lang und dünn. Mit seiner Größe von 1,98 überragte er Theobald um einiges. Er musste den Kopf einziehen, als er durch die Küchentür ging. Beide hatten aber so ein herzliches warmes Lächeln, als sie eintraten und Anastasia sahen, dass Arabella sie sofort in Ihr Herz geschlossen hatte. Menschen, die so ein schönes Lächeln hatten, konnten nur gut und richtig sein, dachte sie. „Na was machst denn Du für Sachen“, sagte Markus zu Anastasia und setzte sich ihr gegenüber auf den Lehnstuhl am Tisch. Da lässt man Dich mal zwei Wochen aus den Augen und schon machst Du Geschichten. Er schüttelte den Kopf. Ich habe Antonius zur Verstärkung mitgebracht. Wie Du weißt, behandeln wir ja meistens und gerne zusammen. Was der eine nicht weiß, weiß der andere.“ Glücklich schaute er Antonius an. „Was für ein Glück wir doch haben, Antonius, nicht wahr?“

      „Ja, recht hast Du, mein lieber Kollege Huflattich.“ Antonius blieb vor der Küchenbank stehen und reichte erst Anastasia und dann Arabella die Hand. Sehr höflich und zurückhaltend war er, stellte Arabella erfreut fest. Solche Menschen waren ihr lieber als die, die sofort mit der Tür ins Haus fielen und sich aufdrängten. „Darf ich mich mit auf die Bank setzen?“, fragte er Arabella. „Ich liebe Küchenbänke und zu Hause habe ich keine. Also setze ich mich auf jede Küchenbank, die ich finden kann“, grinste er freundlich. Arabella rutschte schnell zur Seite und machte Platz für Antonius. Viel Platz brauchte er nicht, weil er ja so dünn war. Theobald stand in der Küche und schaute erwartungsvoll von einem zum anderen. „Ja, also was machen wir denn jetzt in dieser fröhlichen Runde“, freute er sich, „ich denk, wir spielen eine Runde Mensch-ärgere-Dichnicht oder was meint Ihr?“ Es herrschte eine kurze Verlegenheitspause. Arabella runzelte die Stirn. „Ich glaube, die beiden Herren sind aus einem bestimmten Grund hier und sicher im Moment nicht, um Mensch-ärgere-Dich-nicht zu spielen“, sagte sie streng. „Schon vergessen? Anastasia hat ein dickes Knie!“, erinnerte sie Theobald. Der kratzte sich am Kopf und sagte leicht verlegen: „Aber ja, natürlich habe ich das nicht vergessen. Wie könnte ich so etwas vergessen; ich wollte nur zu Beginn die Stimmung etwas auflockern … ja und ich wollte mal testen, ob die beiden noch wissen, warum sie hier sind“, fügte er schelmisch hinzu. „Ja, schon klar.“ Arabella winkte ab. „Antonius, ich darf doch Antonius und Markus sagen, oder?“ Antonius und Markus nickten freundlich und zustimmend. „Passt auf, ich mache Platz und koche Kaffee, und Du und Markus Ihr werft mal einen Blick auf Anastasias Knie. Es ist noch ein bisschen dicker als heute Morgen, scheint mir, und ein bisschen blau ist es auch“? Es ist ja fast so blau, wie ich bin, dachte sie und sprang von der Bank, nicht ohne vorher einen Blick auf den Boden geworfen zu haben, um sich zu vergewissern, dass Goethe sich da nicht irgendwo herumtrieb.

      Auf ein nochmaliges Zusammentreffen mit diesem Kater konnte sie vorerst verzichten.