Arabella. Hildegard Maas

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Название Arabella
Автор произведения Hildegard Maas
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783962298791



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Wochen – ist eine längere Geschichte, erzähl ich bei Gelegenheit, tut jetzt nichts zur Sache“, sagte Theobald. Arabella schaute von einem zum anderen. „Was ich damit sagen will“, fuhr Theobald fort, „ist, dass ich jeden Tag morgens aus dem Haus gehe und erst abends nach Hause komme. Dann muss ich ja auch noch üben zu Hause und Sport machen und natürlich schlafen, da habe ich doch überhaupt gar keine Zeit mich um Dich zu kümmern. Und außerdem vergesse ich sehr viel.“

      „Stimmt!“ Anastasia lachte: „Das kann ich bestätigen. Wenn ich nur daran denke, dass Du Deinen Terminkalender drei Wochen lang gesucht hast, weil Du vergessen hattest wo Du ihn hingelegt hast und dann hast Du so viele Auftritte natürlich vergessen. Das war eine Katastrophe!“

      „Jaja, genau das zum Beispiel“, sagte Theobald ungeduldig. Es war ihm gar nicht so recht, dass Anastasia gleich alles erzählte. Wie stand er denn dann da? Wie ein Volltrottel und das war er gewiss nicht! „Ach, Theobaldus“, sagte Anastasia und strich Theobalds Haarsträhnen auf dem Kopf glatt, so gut es eben ging, „jeder hat doch seine Schwächen, und alle sind wir gut so, wie wir sind. Stell Dir vor, alle wären gleich, wie langweilig das doch wäre.“ Das besänftigte Theobald. Nachtragend war er nicht – ging auch nicht –weil er ja so schnell vergaß. „Also, um auf Deine Frage zurückzukommen“, sagte er nun erneut zu Arabella gewandt, „wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wo Du in Zukunft wohnen kannst. Ich denke, es ist das Beste, Du bleibst hier bei Anastasia. Da bist Du gut versorgt, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Sie ist ohne Zweifel die weltbeste Oma mit den weltbesten Pfannkuchen. Und ich kann Dich besuchen, wenn ich Zeit habe“, fügte er noch hinzu. „Moment mal, Moment mal.“ Anastasia stand mit erhobenem Zeigefinger vor Theobald: „Dagegen spricht eindeutig Goethe, und dass ich schon ein bisschen älter bin und nicht mehr so viel unter die Leute gehe, Dir, Arabella, also wenig Abwechslung bieten kann und wenig Kontakt zu Kindern habe. Nicht, dass ich Dich nicht gern hier hätte, aber etwas anstrengen würde es mich auf meine alten Tage schon, das gebe ich zu.“

      „Alten Tage, alten Tage, papperlapapp, so einen Quatsch hab ich selten gehört“, fiel Theobald seiner Oma ins Wort. „Ich kenne keinen Menschen, der mit 137 Jahren noch jeden Tag auf dem Trimm-Rad fährt, Yoga macht und täglich im Meer schwimmt, egal was für ein Wetter und was für eine Jahreszeit ist und außerdem ständig irgendwelche neuen Kuchen und Plätzchenrezepte ausprobiert …“

      „Jaja stopp, ist ja schon gut. Trotzdem ist Arabella bei Dir besser aufgehoben! Ich glaube, es ist für Euch beide sehr gut, wenn ihr zusammen wohnt, denn Arabella scheint nicht vergesslich zu sein. Sie könnte Dich also an Deine Auftritte erinnern und Du könntest Dich revanchieren, indem Du sie in Kontakt mit Kindern bringst. Das ist für die Kinder bestimmt schön und für Arabella auch. Ich glaube nämlich nicht, dass jemand jemals schon mal eine sprechende blaue Luftballonschlange erlebt hat. Du würdest ein noch berühmterer Clown sein, und Arabella würde gleich mit berühmt.“

      „Berühmt? Was bedeutet das denn, berühmt sein?“, wollte Arabella wissen. „Na ja“, sagte Theobald „das bedeutet, dass einen viele Leute kennen, weil man etwas Besonderes ist oder macht.“

      „Aha“, sagte Arabella „aber das macht doch jeder jeden Tag, oder nicht?“ Darauf wussten weder Anastasia noch Theobald eine gute Antwort. Alle drei nickten versonnen vor sich hin. Goethe hatte sich wieder auf den bunten Sessel im Wohnzimmer zurückgezogen. „Also ich schlage vor“, unterbrach Anastasia die Stille, „heute Nacht schlaft Ihr beide bei mir im Gästezimmer und morgen sehen wir weiter. Wie findet Ihr das?“ Und dann fügte sie begeistert und mit einem Leuchten in ihren kleinen freundlichen Augen hinzu: „Ich backe uns Pfannkuchen und wir könnten noch eine Runde Mensch- ärgere-Dich-nicht spielen“… Erwartungsvoll machte sie eine Pause. „Nun ja“, Theobald rieb sich seinen großen Bauch in voller Vorfreude, „das hört sich nach einem sehr guten Plan an. Ich habe Urlaub bis übermorgen, glaube ich. Das heißt, ich habe Zeit genug! Und Du Arabella? Hast Du noch irgendetwas Wichtiges vor, das Dich davon abhält, die weltbesten Pfannkuchen zu essen und gegen den weltbesten Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spieler zu verlieren?“ Er freute sich sehr auf einen schönen, gemütlichen Abend.

      Und den hatten sie dann auch in Anastasias Küche, die mit herrlichem Pfannkuchenduft erfüllt war. Nach 46 Runden Mensch- ärgere-Dich-nicht, in denen Arabella sich doch geärgert hatte – aber sie war ja auch kein Mensch – gingen sie zu Bett. Anastasia nach oben in ihr Schlafzimmer und Theobald und Arabella ins Gästezimmer unten hinter dem Wohnzimmer. Die Tür machten sie vorsichtshalber zu, man konnte ja nie wissen, was Goethe so in den Kopf kam. Satt, müde und zufrieden schliefen alle vier bis zum nächsten Morgen, ohne ein einziges Mal aufzuwachen.

       Kapitel 5

      „Ach Du grüne Neune, Autsch, so was Dummes.“ Ein ziemlich lautes Poltern, gefolgt von ziemlich lautem Gejammer, weckte Arabella und Theobald am nächsten Morgen. Die Sonne schien schon ins Zimmer und die Vögel im Garten waren auch schon sehr geschäftig von Vogelhaus zu Vogelhaus unterwegs. Theobald sprang aus dem Bett und stieß mit seiner rechten großen Zehe an die Kommode, die gegenüber dem Bett an der Tür stand.

      „Au, au, au“, jammerte nun auch er und hüpfte auf einem Bein durchs Zimmer. Arabella rieb sich die Augen. Das machte ein etwas quietschend, knatschiges Geräusch. „Was ist denn hier los?“, fragte sie noch leicht verschlafen. Sie hatte von einem Land geträumt, in dem es nur Luftballons gab in jeder Form und jeder Farbe und alle konnten sprechen, so wie Arabella. So fiel sie gar nicht auf, weil alle so waren wie sie. Aber das war im Traum gewesen, jetzt war sie in Anastasias Haus und hörte lautes Jammern und Zetern und schon sprang sie aus dem Bett. „Hey, Theobald, lass mal sehen! Was ist los?“ Theobald rieb sich seinen dicken großen Zeh mit zusammengekniffenen Augen. Er versuchte, Luft auf den Zeh zu pusten.

      Aber er kam nicht nah genug an seinen Zeh heran. Sein Bauch war im Weg. Sehen konnte man nichts. Der Zeh sah aus wie immer. Als Arabella ein wenig Luft auf den Zeh pustete, öffnete Theobald die Augen und sagte: „Ohhh, das hilft sehr gut. Das hat Anastasia früher auch immer gemacht, wenn ich mich gestoßen hatte.“ Der Schmerz schien bald vergessen, das Gejammer und Geschimpfe aus der oberen Etage war jedoch immer noch lautstark zu hören. Schnell machten Arabella und Theobald sich auf den Weg nach oben, um nachzuschauen, was passiert war. „Oh je“, riefen beide, als sie oben ankamen wie aus einem Mund. Da lag Anastasia auf dem Boden im Badezimmer und das linke Bein lag unter dem Trimmrad. Anastasia versuchte, das Trimmrad zur Seite zu schieben, aber offensichtlich war es sehr schwer und es ließ sich von ihr keinen Millimeter bewegen. „Ach du grüne Neune, ach du grüne Neune“, jammerte sie in einem fort. Es klang aber eher ärgerlich als wirklich jammerig. „Hey, was hast Du denn gemacht?“, fragte Theobald. „Ja, wonach bitte schön, sieht es denn aus?“ Anastasia reagierte ziemlich unwirsch. „Ich war gerade dabei, mir die Haare zu kämmen und Kuchen zu backen.“ Theobald legte seinen Zeigefinger auf seinen Mund. Das tat er gerne, wenn er nachdachte. Dann sagt er: „Das ist aber überhaupt nicht logisch. Wieso liegst Du denn dann hier oben unter deinem Trimmrad?“

      „Oh, du meine Güte, Theobald, finde den Fehler! Ich habe einen Witz gemacht! So war es natürlich nicht!“

      „Aha“, sagte Theobald „und wie war es dann“?

      „Vielleicht befreist Du mich erst mal freundlicherweise und dann können wir gerne den gesamten Tatbestand erörtern.“ Anastasias Tonfall wurde nun doch sehr ernst. „Aber ja, natürlich, ich Schusseldussel“, sagte Theobald, trat einen Schritt vor und hob das Trimmrad auf, um es wieder an seinen ursprünglichen Platz vor dem runden Fenster zu postieren. „Ahh, was für eine Wohltat, ich dachte schon, ich müsste die nächsten 137 Jahre so verbringen.“ „Was für ein Quatsch, ich bin doch hier“, sagte Theobald.

      „Oh man, Theobald, das war, glaub ich, auch nicht so ernst gemeint“, mischte Arabella sich nun ein, „vielleicht musst Du nicht immer alles so wörtlich nehmen.“

      „Genau mein Reden“, sagte Anastasia, nun mit schon fast normaler Stimme. Wenn Ihr mir jetzt noch aufhelfen könntet, wäre ich Euch ewig zu Dank verpflichtet.“ Mit vereinten Kräften stellten sie nun auch Anastasia wieder auf die Beine. „Und? Tut irgendetwas weh?“, wollte Arabella wissen. „Ja, mein Knie