Arabella. Hildegard Maas

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Название Arabella
Автор произведения Hildegard Maas
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783962298791



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„Na, dann ist es ja gut, dass ich dabei bin. Also mach ’ne Kehrtwende zum Milchregal und such den Quark. Den anderen Krempel kannst Du wieder wegstellen, braucht kein Mensch … obwohl … warte mal… Milch braucht man für Kakao und Pfannkuchen, oder?“

      „Ja, ich glaub schon, dass Oma Milch in den Pfannkuchenteig getan hat“, pflichtete Theobald ihr bei, „also nehmen wir die auf jeden Fall mit.“ Schnell hatte er den richtigen Quark gefunden, den, den seine Oma immer aß, der mit dem roten Deckel nämlich. Nun konnte er umdrehen wieder in Richtung Gewürzregal. Dort räumte er den Koriander wieder ins Regal, nachdem er kurz daran gerochen hatte und sich naserümpfend fragte, wofür man den wohl brauchte. Gerade wollte er weiterfahren, als eine quäkende Stimme sich aus dem Korb meldete: „Theobald, wo bleibt der Zimt?“

      „Uiuiui, stimmt ja! Wo Du recht hast, hast Du recht.“ Schnell schwenkte er zurück und stolperte dabei über seine viel zu großen Schuhe. Theobald hielt sich am Einkaufswagen fest und hätte diesen beim Stolpern fast umgeworfen. Der Wagen stand schon auf 2 Rädern und kippte bedrohlich zur Seite. Arabella sah sich bereits kopfüber auf den Boden purzeln. „Nein, nein, nein, Theobald, was machst Du denn da“, rief sie panisch. „Hilfe!“. Sie sah sich unter der Milch und dem Quark auf dem Boden begraben und wollte sich gar nicht ausmalen, was dann passieren konnte.

      Sie hielt sich vorsichtshalber die Augen mit beiden Händen zu und ließ nur einen kleinen Schlitz zwischen zwei Fingern frei, um doch noch ein bisschen sehen zu können. Sie war eben eine sehr neugierige kleine Luftballonschlange. Plötzlich kam der Wagen mit einem Ruck wieder auf 4 Rädern zum Stehen und eine freundliche ältere, dunkle Stimme sagte lachend: „Hey, Theobald Grossfuß, das hätte auch schiefgehen können. Habe ich nicht schon oft gesagt, dass Deine Schuhe ein kleines Stück vielleicht zu groß sind? Und hab ich recht? Natürlich habe ich das, wie immer, ich hab immer recht!“ Arabella guckte vorsichtig aus dem Korb heraus und sah einen kleinen, ziemlich dicken, gutmütig blickenden, weißhaarigen Mann, der Theobald auf die Beine half. Der Mann musste dem Aussehen nach schätzungsweise 170 Jahre alt sein, wenn man ihn mit Anastasia verglich, dachte Arabella. Er war viel kleiner als Theobald.

      Er musste nach oben schauen, um ihm ins Gesicht zu blicken, als Theobald wieder sicher auf zwei Beinen stand. Theobald hatte seinen Schreck schnell überwunden. Er zog seine Hose und sein Hemd gerade und guckte sich um, wer ihn denn da gerade gerettet hatte und ob ihm irgendetwas aus der Hosentasche gefallen war bei dem Sturz. Auf diese Art und Weise hatte er nämlich auch schon mal seinen Kalender verloren. Als er nichts fand, schaute er den kleinen Mann an, der mit triumphierendem Blick vor ihm stand. „Ach Du bist es, Markus! Dich habe ich ja ewig und drei Tage nicht mehr gesehen.“ Lachend umarmten sich beide. Sie waren so laut, dass alle Leute in dem sonst eigentlich immer sehr ruhigen Supermarkt sich mittlerweile umgeschaut hatten, wer da so ein Spektakel machte. „Sag an, wie geht’s Dir“, fragte der Mann, der Markus hieß. „Gut, gut! Danke, Danke!“, erwiderte Theobald. Lächelnd und staunend und wortlos standen sie sich gegenüber.

      „Und mir ginge es dann auch gut. Wie schön, dass auch einer nach meinem Befinden fragt“, kam es aus dem Korb im Einkaufswagen.

      Beide Männer schauten wie auf Knopfdruck in die Richtung aus der die Stimme kam. Theobald verlegen und Markus verwundert. „Na, wen haben wir denn da?“, fragte Markus, „willst Du uns nicht mal vorstellen Theobald?“ Und zu Arabella gerichtet sagte er: „Sie müssen entschuldigen, aber Höflichkeit war noch nie Theobalds Stärke.“ Theobald trat einen Schritt auf den Einkaufswagen zu und sagte: “Na gut, also darf ich vorstellen: Arabella – Markus – Markus – Arabella“, wieder mit der jeweiligen Handbewegung von einem zum anderen, damit man auch wusste, dass man nicht der andere war. Den Sinn dieses Vorstellungsmanövers würde sie wohl nie verstehen, dachte Arabella, aber so war das wohl bei den Menschen. Sie schüttelte den Kopf und dann die Hand, die Markus ihr entgegenstreckte. „Sehr erfreut“, sagte Markus.

      „Ebenfalls super sehr und ganz doll erfreut“, sagte Arabella höflich und versuchte, eine Verbeugung hinzubekommen inmitten von umgekippten Milchflaschen und Quarktöpfen. Es gelang ihr scheinbar recht gut, denn Markus sagte erstaunt. „Oh, eine Dame von Welt. Was macht Ihr beiden denn im Supermarkt? Da hätte ich Dich gar nicht vermutet, sonst kauft doch immer Anastasia für Dich ein“, wunderte sich Markus.

      „Ja, das tut sie normalerweise“, bestätigte Theobald, „aber heute Morgen ist sie gestürzt. Nun hat sie ein dickes Knie und kann nur humpeln. Sie sitzt zu Hause auf der Küchenbank und möchte Quark haben, um sich Wickel zu machen.“

      „Ah ja, sehr gut, sehr gut. Quarkwickel sind bei so was das Beste, ja, ja, empfehle ich auch immer gerne.“

      „Du kennst Dich damit aus?“, fragte Arabella. „Ja, ich bin Markus Huflattich, der beste und einzige Heilpraktiker auf der Insel. Ich und mein Freund Antonius Sanguin, der beste und einzige Arzt der Insel, behandeln eigentlich alles, was behandelt werden muss. Wenn der eine nicht weiter weiß, hat der andere oft eine gute Idee. So können wir den meisten Menschen, die zu uns kommen, helfen.“

      „Ja, das stimmt“, sagte Theobald, „ich habe noch nie wegen irgendwas ins Krankenhaus gehen müssen. Ihr habt immer alles hinbekommen.“ Arabella fand, dass Markus sehr sympathisch war. Daher fragte sie ihn, ob er sich nicht auch das Bein von Anastasia mal ansehen könne, irgendwann wenn er Zeit habe.

      „Aber selbstredend“, erwiderte Markus eifrig. „Ich komme nachher mal vorbei. Vielleicht bringe ich Antonius mit. Vier Augen sehen mehr als zwei und vier Hände tasten mehr als zwei, sag ich immer. Also dann, eigentlich wollte ich ja jetzt auch einkaufen, hab aber gerade wieder einen Anruf bekommen.“ Er seufzte ein bisschen, weil sein Kühlschrank zu Hause schon ganz leer war. Ich muss nun erst noch zu einem Hausbesuch wegen Fieber und Hals- und Kopfweh, dann komme ich zu Euch und hol auf dem Weg Antonius ab.“

      Er machte sich auf den Weg zum Ausgang. „Super, das ist nett“, sagte Arabella, Anastasia wird sich bestimmt freuen.“

      „Na, da bin ich mir nun überhaupt nicht so sicher“, murmelte Theobald, sagte es aber nicht laut, um Arabella nicht zu verärgern. Er hatte nämlich mittlerweile mitbekommen, dass Arabella, wenn sie verärgert war, auch gerne sehr penetrant und laut sprach und das wollte er hier mitten im Supermarkt verhindern. Komisch fand er aber schon, dass Markus gar nicht erstaunt gewesen war über eine kleine, blaue, sprechende Luftballonschlange. Bei Anastasia war das nicht sonderlich verwunderlich. Anastasia guckte gar nicht auf Äußerlichkeiten und hieß erst mal jeden, so wie er war, willkommen. Wirklich eine schöne und liebevolle Angewohnheit, dachte Theobald, die nur wenige Menschen hatten. Offensichtlich gehörte Markus auch zu diesen Menschen.

      Theobald wollte nun aber schnell wieder nach Hause zu Anastasia und schob den Einkaufswagen zur Kasse. „Hast Du Zimt und Vogelfutter?“, quäkte es genervt aus dem Korb. “Ups, vergessen“, entschuldigte sich Theobald. Er hatte wegen dem Beinahe-Sturz von vorhin Arabella gegenüber doch ein etwas schlechtes Gewissen. „Zimt steht hier im Gewürzregal“, sagte er und griff zielsicher hinein „und Vogelfutter gibt’s in der Getränkeabteilung.“

      „Aha, na dann mal los“, sagte Arabella. Sie hatte sich wieder vollständig erholt und freute sich, dass Anastasias Knie nun doch noch fachmännisch angeguckt werden würde. Das Vogelfutter war nicht in der Getränkeabteilung – was sollte es auch dort – es war natürlich bei der Tiernahrung untergebracht, das fand Theobald dann auch logischer. Es gab aber fünf verschiedene Sorten. Theobald und Arabella standen ratlos vor dem Vogelfutterregal. Theobald holte eine Tüte nach der anderen heraus und gemeinsam lasen sie alles, was auf den Tüten stand. Nachdem sie alles gelesen hatten, waren sie genauso ratlos wie vorher. Da kam eine ältere Dame auf sie zu und blieb vor dem Regal stehen. Sie zog rasch eine Tüte Vogelfutter heraus, nickte Ihnen freundlich zu und wollte wieder gehen.

      „Darf ich sie mal fragen, welches Futter das Beste ist?“

      „Los, frag sie doch“, hatte Arabella ihm nämlich vorher relativ laut zugeflüstert. Theobald gab sich dann schnell einen Ruck, sprach die Frau an, auch um zu verhindern, dass Arabella noch lauter wurde.

      „Oh für welche Vögel brauchen Sie es denn“, fragte die Dame. Theobald und Arabella schauten sich fragend an – was sollte man