Arabella. Hildegard Maas

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Название Arabella
Автор произведения Hildegard Maas
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783962298791



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auf. Sie fiel Theobald lachend um den Hals. „Mein Theobald, wie schön Dich zu sehen.“ Sie klatschte vor Freude in die Hände. „Lange hast Du Dich nicht blicken lassen, dabei wohnen wir nicht weit voneinander entfernt. Gut siehst Du aus, wie immer. Wen hast Du denn da mitgebracht, und warum um Himmels willen muss dieses arme Wesen bei der Wärme so vermummt sein unter einer so riesigen Baseballkappe? Ist das vielleicht der König von China inkognito? Kommt schon herein, Ihr zwei.“ Sie trat einen Schritt zurück und ließ die beiden Gäste eintreten. Sofort umfing Arabella ein wohliges Gefühl der Geborgenheit.

      Neugierig kletterte sie aus dem Korb, sobald Theobald ihn abgestellt hatte. „Na, Du scheinst ja neugierig zu sein.“ Anastasia schaute Arabella belustigt an. „Wenn Du magst, schau Dich ruhig erst mal um.“ Das ließ Arabella sich nicht zweimal sagen. Ein kleiner Flur führte rechts in eine große Wohnküche und links in ein gemütliches Wohnzimmer mit einem roten Sofa und einem bunten Sessel, auf dem eine schwarzweiße Katze lag und im Schlaf zufrieden schnurrte. Vom Wohnzimmer führte eine kleine Wendeltreppe nach oben in ein Schlafzimmer mit einem riesigen Fenster, sodass man vom Bett aus direkt aufs Meer schauen konnte. Dann gab es oben noch ein Badezimmer mit einer großen runden Badewanne und einem Trimm-Rad, das genau vor dem großen, runden Fenster stand, durch das man auf die Dünen und das Meer gucken konnte.

      Arabella war überwältigt. Wie schön es hier war. Verträumt stand sie am Fenster und schaute aufs Meer. Sie nahm den Geruch von Zitronen und Zimtgebäck war und lauschte den Stimmen, die unten aus der Küche kamen. Theobald hatte seine großen Schuhe und seine Strickjacke ausgezogen und wollte es sich gerade in Anastasias Küche so richtig schön gemütlich machen. Da fiel ihm ein, dass er ja nicht allein zu seiner Oma gekommen war. „Uiuiui, fast hätte ich es vergessen, Oma, warte, ich hole eben meinen Besuch.“ Er ging in den Flur zurück und rief. „Hey, Arabella, komm, hier spielt die Musik. Komm in die Küche, hier ist es schön und gemütlich und es gibt immer etwas zu essen.“

      Das war das Stichwort. Sofort begann Arabellas Magen zu knurren. Deshalb waren sie überhaupt hergekommen. Arabella lief vorsichtig die Treppe hinunter – unbekannte Treppen lief sie erst mal lieber langsam hinunter – und folgte Theobald in die Küche. Da stand ein riesiger Berg Zimtschnecken auf dem runden, hölzernen Küchentisch in der Mitte des Raumes. Eine große Schiebetür führte in einen wunderschönen Garten, der nur durch einen kleinen Holzzaun vom Strand getrennt war. Die Tür war geöffnet und ein warmer Wind wehte in die Küche. Genau wie bei Theobald hörten sie auch hier lautes Vogelgezwitscher und Bienengesumme. In diesem Garten gab es noch viel, viel mehr Vogelhäuser als bei Theobald und auch einen Bienenstock. Es gab eine kleine Wiese, welche kniehoch mit Gras und bunten Blumen übersät war. Außerdem gab es noch einen kleinen Teich. „Hier wohnen die zwei Frösche Waldemar und Knut“, erfuhr Arabella von Theobald.

      „Glück gehabt“, sagte Theobalds Oma, „gerade habe ich Zimtschnecken gebacken! Gut, dass Ihr jetzt kommt, da sind sie noch ganz frisch und schmecken am besten.“ Theobald saß schon am Küchentisch und hatte bereits in eine Zimtschnecke gebissen. Versunken schaute er in den Garten. „Entschuldigung“, sagte seine Oma zu Arabella gewandt, „wir kennen uns noch gar nicht. Theobald hat es wohl wieder vergessen, dass wir uns noch nicht kennen. Er vergisst manchmal – nein, nicht manchmal, sondern eigentlich ziemlich oft – ein paar Dinge, dafür kann er aber Menschen so zum Lachen bringen, dass sie noch tagelang daran denken müssen. Und wenn er Zimtschnecken isst, dann kann er sowieso an nichts mehr denken“, lachte sie. „Also, dann stellen wir uns eben selbst mal vor: Ich bin Anastasia und ich bin Theobalds Oma.“ Sie reichte Arabella die Hand, „und wer bist Du?“, fragte sie neugierig. Arabella legte Baseballkappe und Schal ab. Puh, endlich, es war viel zu warm gewesen unter all dem Zeugs. Sie reichte Anastasia feierlich die Hand und sagte: „Sehr erfreut, Dich kennenzulernen. Ich bin Arabella. Ich wohne seit einigen Stunden bei Theobald.“

      „Aha, sehr schön, sehr schön! Theobalds Gäste sind auch bei mir herzlichst willkommen. Theobald ist bei mir aufgewachsen. Seine Eltern sind viel in der Welt unterwegs und Theobald hat’s nicht so mit dem Verreisen“, sagte Anastasia und nickte freundlich.

      „Es freut mich ebenfalls wirklich sehr, Dich kennenzulernen. So, das wäre erledigt. Nun setzen wir uns mal besser schnell zu Theobald, bevor er alle Schnecken verspeist hat. Möchtest Du etwas trinken? Ich habe selbstgemachte Zitronenlimonade, mit Zitronen aus meinem Garten.“ Das konnte Arabella sich natürlich nicht entgehen lassen. „Also“, sagte Anastasia während sie sich zu Arabella und Theobald an den Tisch setzte, „und nun erzählt mal wie es dazu kam, dass Arabella nun hier ist, von Anfang an und bitte ganz genau!“

      Und so saßen sie zusammen in Anastasias Küche, tranken Zitronenlimonade – Theobald wollte natürlich auch ein großes Glas – aßen Zimtschnecken, bis ihre Bäuche bis zur letzten Ecke voll waren, und erzählten bis die Sonne unterging.

       Kapitel 4

      „Ups, da bin ich wohl eingenickt.“ Arabella schreckte hoch und wusste im ersten Moment nicht, wo sie war. Aber dann fiel es ihr wieder ein. Sie saß bei Theobalds Oma in der Küche. Ihr Bauch war noch gut gefüllt von dem herrlichen nachmittäglichen Zimtschneckenschmaus. Es war schon fast dunkel draußen. Die Vögel hatten ihr Gezwitscher eingestellt. Sie waren wohl schlafen gegangen, dachte Arabella. Vögel stehen früh auf und müssen daher natürlich auch früh wieder ins Bett. „Ist ja logisch“, sagte sie zu sich selbst. Dann horchte sie auf. Nebenan hörte sie, wie sich Theobald und seine Oma unterhielten. Ein paar Wortfetzen konnte sie aufschnappen, denn die Türen waren nur angelehnt. „Muss arbeiten … zu viel alleine … nicht aufpassen … Langeweile“, hörte sie von Theobald und dann Anastasias leise Stimme: „nicht genug unternehmen … zu alt … Kontakt zu Kindern … Abwechslung … Goethe … um Tiere kümmern …“ Wer oder was war denn nun schon wieder Goethe?, fragte Arabella sich. Sie machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer.

      Da stieß sie mit ihrem Fuß an etwas Weiches und sehr Pelziges. Dieses Etwas sprang mit einem lauten Fauchen und Miauen auf und baute sich mit einem großen, runden Buckel vor Arabella auf. Grüne Augen blickten sie skeptisch fragend, aber auch etwas neugierig an. Arabella hatte sich so sehr erschrocken, dass sie mit einem Satz wieder auf die Küchenbank gesprungen war und sich vorsichtshalber in die hinterste Ecke am Fenster verkroch. Ein Kissen von der Bank hielt sie als Schutz vor sich. Man konnte ja nicht wissen, was dieses Wesen so vorhatte. „Goethe? Was machst Du denn schon wieder für ein Getöse und Gewese?“ Anastasias Stimme ertönte im Flur. Bald darauf ging auch schon die Küchentür auf und sie kam herein, gefolgt von Theobald. „Was ist denn hier los?“, fragten sie beide gleichzeitig. Das klang komisch. Theobalds Stimme so tief und die von Anastasia sehr hoch und etwas schrill. „Goethe, das ist Arabella – entschuldige, dass ich Euch nicht schon früher vorgestellt habe. Aber zuerst hast Du geschlafen und dann Arabella, so hatte ich noch keine Gelegenheit.“ Aha, dachte Arabella, Goethe musste also die Katze – vielmehr der Kater – sein, das machte Sinn.

      „Also“, sagte Anastasia „darf ich also feierlich vorstellen: Arabella –Goethe – Goethe – Arabella.“ Sie machte bei dieser Vorstellung entsprechende Handbewegungen von einem zum anderen, um ihre Worte zu unterstreichen, obwohl natürlich jeder selber wusste, wer er war, und dass der andere der mit dem anderen Namen sein musste – auch logisch. Die Menschen schienen etwas komplizierter zu sein, als es auf den ersten Moment schien, dachte Arabella. Sie legte das Kissen zur Seite, machte eine Verbeugung in Richtung des Katers – so majestätisch sie das nur eben konnte mit ihrem Luftballonkörper.

      Dann rutschte sie von der Bank, stellte sich vor Anastasia und Theobald und fragte mit beleidigtem Tonfall: „Und was hattet Ihr beiden überhaupt so Wichtiges zu besprechen, dass Ihr mich mit diesem Ungeheuer allein in der Küche gelassen habt?“ Betreten schauten sich Anastasia und Theobald an. Dann guckten beide zu Arabella herunter. Theobald setzte sich auf den Küchenboden und Anastasia auf die Bank. „Hör mal“, begann Theobald, „wir haben darüber gesprochen, was mit Dir werden soll.“ „Wie jetzt, was mit mir werden soll? Wer oder was soll denn mit mir werden sollen? Ich bin doch schon da?“, fragte Arabella verständnislos. „Jaja, natürlich bist Du da und das ist auch sehr schön!“ Theobald kratzte sich am Kopf, auf dem die noch wenigen Haare kreuz und quer durcheinander standen. „Aber