Es war ein reiches Leben. Arthur Ernest Wilder-Smith

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Название Es war ein reiches Leben
Автор произведения Arthur Ernest Wilder-Smith
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783958932708



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ein ganz klein wenig Wahrheit über Jungen und ihre Lebensweise erfasst hatte.

      „Wir haben den Bentley angelassen, dann ließen wir bei offenen Garagentüren den Motor warm werden und luden die Batterie wieder auf. Wir holten zwei große Kissen, denn ohne sie konnten wir nicht richtig sehen. Dann fuhren wir rückwärts aus der Garage heraus, einige Male um den Hof, danach auf die Hauptstraße, um die Ecke bis zum Bahnhofsvorplatz, wo die anderen Autos den ganzen Tag geparkt stehen. Wie oft wir um den Platz herumgefahren sind, haben wir leider nicht genau gezählt. Vielleicht war es 20-mal, vielleicht auch 40. Wir fuhren nie mehr als 85 Kilometer die Stunde, meist aber weniger. Wir wollten aber schnell genug fahren, sodass der Dynamo die Batterie wieder auflud.“ (Damals gab es die Automatik nicht, die die Ladegeschwindigkeit regelt.)

      Diese Liste von Missetaten war uns beiden wirklich zu viel, sogar erdrückend. Wir waren, meinten wir, derart feine Jungen, indem wir alle unsere Schuld bekannten, dass wir gleich vor Mitleid mit uns selbst laut weinten.

      Vater war sichtlich bewegt, aber doch recht besorgt: „Habt ihr jemanden überfahren oder sonst Schaden angerichtet?“, fragte er fast ängstlich. Er meinte offenbar, dass irgendeine Geschichte mit der Polizei herauskommen würde.

      „Nein, Vater, das Auto ist vollkommen in Ordnung: Wir haben das alles vor bald drei Wochen ausprobiert, und du hast seitdem das Auto gefahren. Alles ist in bester Ordnung, die Batterie ist sogar besser geladen als sonst.“

      Vater spielte nachdenklich mit seiner Reitpeitsche herum. Die Gefahr für uns war noch nicht gebannt.

      „Was sollte eure Strafe sein?“, fragte er nach einer Weile, währenddessen wir vor Ehrlichkeit, Selbstmitleid und Schuld weiter schluchzten.

      „Gib uns die gebührende Strafe, Vater, dann ist die Sache einigermaßen wieder gut.“

      Wir hatten die Hosen nicht mit Zeitungspapier ausgestopft, um eine Stoßdämpferwirkung zwischen Peitsche und Po zu bewerkstelligen. Diese Tricks, die unter Jungen damals sehr bekannt waren, wagten wir bei Vater nicht – er konnte ja einen weiteren, für uns kostspieligen Wutanfall bekommen, wenn er einen solchen unverschämten Trick entdeckte! Am etwas dumpfen Laut der Peitsche konnten die Sachverständigen die inneren Geheimnisse zwischen Po und Hosen erkennen. Es wäre einfach zu riskant gewesen. So übten wir unser detailliertes technisches Wissen auf diesem Gebiet nicht aus.

      e) Der gerechte, aber liebe Vater

      So bereiteten wir uns also auf die Strafe vor. Wir holten einen Stuhl herbei, damit man sich gebührend darüber bücken konnte, während die sechs Hiebe mit der Reitpeitsche verabreicht wurden. Dann hieß es: „Bücke dich über den Stuhl!“ Aber merkwürdigerweise geschah nichts dergleichen. Man war auf den ersten Schock vorbereitet, aber er kam nicht. Vater, Peitsche in der Hand, zögerte immer noch. Wir wollten es schnell hinter uns haben, Vater aber nicht.

      „Nein“, sagte er endlich (ich stand oder kauerte gebückt vor dem Stuhl), „das mache ich nicht, es wäre verkehrt. Ihr seid freiwillig ehrlich geworden (ausnahmsweise offenbar). Ich ahnte von alledem nichts. Ich wusste wegen eures Verhaltens, dass irgendetwas nicht stimmte; das aber vermutete ich nicht. Ich strafe euch nicht, weil ihr ehrlich wart und alles gebeichtet habt! Es wäre falsch, euch als Folge eurer Ehrlichkeit bestrafen zu wollen. Ist das wirklich alles? Habt ihr nichts mehr auf dem Gewissen?“

      „Nur, dass wir dein Benzin, dein Öl und deine Reifen vergeudet haben. Nichts mehr.“

      „Dann steht auf!“

      Er gab jedem von uns einen Kuss (was er sehr, sehr selten tat, nur bei ganz besonderen Anlässen kam das vor) und erklärte, die Sache sei erledigt, er wolle nichts mehr davon hören.

      Kann man sich vorstellen, wie beschämt und gleichzeitig dankbar wir waren? Wie haben wir unseren Vater respektiert und geliebt, dass er so gerecht war! Obwohl etwas Scham vor ihm geblieben war, war der Bann der bösen Atmosphäre im Raum gebrochen. Wir konnten Vater wieder in die Augen schauen – und er uns. Am Tisch hatten wir wiederum Appetit, wie es sich bei Jungen gebührt. Als Vater wiederum auf die Jagd ging, konnten wir ihn wieder begleiten. Und abends war alles wieder harmonisch und normal. Er spielte mit uns Dame nach englischer Art, baute seine „Hühnerfallen“ und legte uns tüchtig herein – früh lernten wir also an praktischen Beispielen, dass Schuld und Sünde geistig und geistlich trennen und dass Vergebung diese Trennung heilt. Später lernten mein Bruder und ich, dass das gleiche Prinzip zwischen Gott und uns gilt. Schuld und Übertretung der guten Gesetze Gottes trennen uns und schließen uns aus Seiner Gemeinschaft aus, genauso wie Schuld und Übertretung der Gesetze, die Vater mit Recht aufgerichtet hatte, uns von Vaters Gemeinschaft ausschlossen. Aber Vergebung nach einer echten Beichte entfernt diese Entfremdung. So lernten wir früh die Prinzipien hinter der Frohen Botschaft – obwohl wir erst später diese Botschaft persönlich kennenlernten –, nämlich dass ein „In-sich-gehen“, ein „Sich-selbst-ehrlich-prüfen“ und ein Bekennen mit der Absicht, die Ursache der Trennung gründlich zu hinterfragen, die erste Stufe zur Versöhnung mit einem gerechten, aber auch liebenden Gott darstellt.

      Ich glaube, dass, wenn wir in späteren Jahren über diese Begebenheit mit Vater gesprochen hätten, er sich nicht mehr daran erinnert hätte. Vergeben war für ihn auch vergessen. Sonst besaß Vater ein gutes Gedächtnis – solange eine Übertretung nicht ins Reine gebracht worden war!

      2. Das Zeitalter der Öllampen ist vorbei!

      Eine meiner frühesten Erinnerungen ist das Putzen von angeschwärzten Öllampengläsern. Bis zum Jahr 1921 hatten viele Dörfer in England kein Elektrizitätsnetz, deshalb brauchte man Kerosinlampen. Für die großen Zimmer verwendete man Öllampen. Diese Lampen gaben ein schönes weißes Licht, bei dem man gut lesen konnte. Die gewöhnlichen Öllampen besaßen einen langen Docht aus Stoff, der ins Kerosin getaucht und oben angezündet wurde. Eine Schraube regulierte die Größe der Flamme. Solche Lampen entwickelten ein etwas gelbes Licht und durch Rauchentwicklung wurden ihre „Glasschornsteine“ schmutzig und schwarz. Jeden Samstag wurden alle Lampen und ihre Glasschornsteine geputzt, was viel Arbeit bedeutete. Die Lampen hatten den Nachteil, dass sie immer sehr nach Kerosin rochen.

      Mein Vater entschied im Jahre 1921, dass Elektrizität auf dem Gut und im Hause viel Arbeit sparen würde und auch nicht viel teurer käme als die Ölwirtschaft mit der ständigen Gefahr des Brandes im alten Farmhaus. Es existierte damals fast kein öffentliches Elektrizitätsnetz im Lande – die Städte besaßen Strom, wir auf dem Land nicht. Vater kannte den Chefelektriker des großen Krankenhauses, Mr. Philips, das einen eigenen Generator besaß. Im gleichen Krankenhaus arbeitete ein Zimmermann, Mr. Cox, der bei der Installation des Generators geholfen hatte. Mr. Cox war spindeldünn und witzig. Mr. Philips war dick, trug einen großen Schnurrbart und war introvertiert. Vater kaufte die ganze elektrische Anlage und richtete alles in einem umgebauten Stall ein.

      Ich war gerade sechs Jahre alt geworden und interessierte mich für all diese elektrischen Arbeiten. Ich beobachtete, wie Mr. Philips und Mr. Cox die großen Akkumulatoren auf Holzbänken einrichteten. Dann verdrahteten sie das Haus und das Gut mit Bleikabeln. Es faszinierte uns kleine Jungen, wie die Birnen im Generatorhaus bei der Einfüllung von Schwefelsäure in die Batterien sofort aufglühten. Die Zähler auf dem sehr großen Armaturenbrett in einem getrennten Haus zeigten sofort 110 Volt an.

      Als ich acht oder neun Jahre alt war, übergab mir mein Vater die Wartungsaufsicht dieser ganzen Anlage. Jede Woche wurden die Batterien neu aufgeladen. Ich lernte den großen Ölmotor zu bewältigen, obwohl ich nur ein Kind war. Zum Anlassen verwendete ich Mr. Philips‘ Methode, ich stand auf einem Schwungrad (mein Gewicht war leider nicht das von Mr. Philips) und drehte so den Motor rückwärts. Dann reichte ich mit dem linken Arm zum Einlassventil, um im entscheidenden Augenblick Kerosin einzulassen. Im Bruchteil einer Sekunde musste man vom Schwungrad herunterspringen, sonst hätte man eine raketenähnliche Reise zum Mond angetreten, und zwar durch das Dach des Motorenraumes! In späteren Jahren bauten mein Bruder und ich ein elektrisches Zündungssystem ein.

      Wir benutzten dann Benzin, um den Motor anzulassen. Nach einigen Minuten war der Motor warm genug, und man konnte auf Kerosin umschalten. Auf diese Weise vermieden wir die Explosionen im Auspufftopf, die durch das Auskühlen des Ballons verursacht wurden.

      Diese