Es war ein reiches Leben. Arthur Ernest Wilder-Smith

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Название Es war ein reiches Leben
Автор произведения Arthur Ernest Wilder-Smith
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783958932708



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war unsere treue Begleiterin durch unsere ganze Jugendzeit hindurch. Während des Krieges lebte ich einige Jahre in Nordengland. Nach sehr langer Zeit kam ich unangemeldet nach Hause – mein Vater hatte einen Herzinfarkt erlitten, so musste ich als ältester Sohn nach dem Rechten auf der Farm sehen. Folly traf mich am Haupteingang, als ich vom Bahnhof ankam. Als ich, ohne zu zögern, das große Holztor aufriegelte, war ihr das zu viel, und sie bellte mich heftig an. Ich rief etwas vorwurfsvoll ihren Namen: „Aber Folly, was fällt dir ein!“, da stand sie sofort auf der Stelle still, schaute mich an und beschnüffelte mich. Dann erkannte sie ihren großen, ja unverzeihlichen Fehler, wedelte mit dem Schwanz mit allen ihr zur Verfügung stehenden Gebärden um Entschuldigung und leckte meine Schuhe gründlich ab. Als letztes Zeichen der Buße entschuldigte sie sich, indem sie sich auf den Rücken legte und sich mir anschmiegte. Dies ist ein Zeichen der unbedingten Kapitulation in der Hundesprache. Sie sprang daraufhin auf und galoppierte zum Haus, um meine Ankunft zu melden. Wie schön wäre es, wenn Menschen ihre Fehler ebenso einsähen und sich dementsprechend entschuldigten. Aber Hunde haben von Natur aus nicht immer solch schöne Manieren, sie lernen solche nur von einem guten Herrn. Verhält es sich ähnlich bei uns Menschen?

      Doch wir dürfen die Katze nicht vergessen! Limpy hieß sie. Große Konkurrenz herrschte zwischen Limpy und Folly. Wenn man der Katze irgendwie eine Gunst erwies – sie auf dem Schoß nahm und streichelte –, da kam Folly in größte Not. Das konnte die Hündin nicht ausstehen. Mit der Nase versuchte sie, unsere Hand von der Katze wegzustoßen!

      Folly fraß Brot nicht gern. Sie schnüffelte ein wenig um das Brot herum, fraß es aber nicht. Aber wenn sie gerade dabei war, das Brot endgültig abzulehnen, brauchte man nur den Namen der Katze Limpy zu rufen, sofort drehte Folly sich um und verschlang mit einem Bissen das ganze Stück Brot, ehe die Katze herbeieilen konnte! Ob Folly auch das bei den Menschen gelernt hatte?

      Solche Tiere wie unseren Hund und unsere Katze kann man in einer kleinen, modernen Wohnung nicht halten. Sie brauchen Platz und – wie Menschen – müssen sie noch dazu nützliche Aufgaben erfüllen. Wenn sie weder Platz noch regelmäßige Aufgaben haben, können sie – wie Menschen – unausstehlich werden.

      Wir hatten auch Hühner. Unsere Hühner besaßen ihre guten Häuser und festgelegte Nester, aber sie benutzten sie oft nicht. Sie fanden, wie sie meinten, schönere kleine Nester unter den Heuhaufen und zogen diese oft vor. Wir mussten die Eier oft suchen gehen, sonst tauchte eines Tages irgendeine Glucke mit 13 kleinen Küken unter einem Heuhaufen auf. Wer konnte nun die Schlupfwinkel der abtrünnigen Hennen besser oder eher ausfindig machen als Folly mit ihrer unbeirrbaren Nase?

      Die Hündin kannte, besser als jeder andere Hund, die nötige Technik und Methodik, wie man Eier sucht und holt. Die erste Regel, die sie beachtete, war nämlich, die Henne äußerst zart zu behandeln, sonst flog sie erschrocken von ihrem Schlupfwinkel auf – und machte die Eier dabei kaputt. So kam die Hündin immer von der Seite – oder gar von hinten – an die Henne heran, schob vorsichtig und leise ihre Schnauze unter die Henne, die oft bis zu 13 Eier unter sich hatte – wenn man lange Zeit ihren Schlupfwinkel nicht entdeckt hatte – und nahm dann ein Ei zwischen die beiden Eckzähne. Dann trottete sie zu Mutter mit dem Ei zwischen den Zähnen. Hielt man dann die Hände zu Folly herunter, ließ sie unendlich sorgfältig das Ei zwischen den Zähnen fallen, trottete zur Henne zurück und holte das nächste Ei. Ich habe es nie erlebt, dass Folly ein Ei fraß oder dass ein Ei kaputtging. Wenn niemand zu Hause war, ließ sie die Eier vor der Tür liegen. Sie waren immer intakt.

      Als Folly sehr alt geworden war und wir Kinder alle aus dem Haus waren, schien sie ein ganz besonderes Verhältnis zu meinen alternden Eltern zu haben. Sie schlief meist im Zwinger oder in der Hundehütte, wo sie die Welpen immer bekommen hatte. Es war einmal eine sehr kalte Nacht im Winter, und Vater und Mutter waren früh ins Bett gegangen. Folly merkte irgendwie, dass es ihr nicht gut ging. Da öffnete sie selbst die Tür zum Zwinger – das konnte sie – und schlich zur Hintertür des Hofes, die sie durch Hochspringen selber öffnen konnte. Aber die Kraft dazu brachte sie nicht mehr auf. Am Morgen lag sie tot vor der Tür. Als Letztes in ihrer Not hatte sie meinen Vater gesucht, der immer helfen konnte. Wir begruben sie im Garten. So endete eine Ära in unserer Familie. Folly wurde etwa 18 Jahre alt.

      Es ist wirklich schade, dass Kinder, die in der Stadt groß werden müssen, den ganzen Lauf der Natur kaum mehr kennenlernen. Sie sehen nicht mehr aus erster Hand, welche Verhältnisse Menschen, Tiere und Pflanzen zur Entwicklung brauchen, wie alles aufeinander abgestimmt ist. Aus diesem Grund fallen junge Menschen sehr leicht falschen Ideologien, die meist in Städten gedeihen, zum Opfer.

      In einer Landbevölkerung, die mit der Natur eng verbunden ist, hätten weder die Nazis noch die Kommunisten viel ausrichten können. Die Kommunisten hielten es für nötig, die Muschiks auf dem Land durch die Kollektivierung der Höfe zu liquidieren, weil sie sie nicht gewinnen konnten. Ungefähr eine Million dieser Landbewohner starben durch Hunger, ehe die falsche kommunistische Ideologie beseitigt wurde. Wie in vielen Ländern heute, folgt Hungersnot den Kommunisten. So ging eine ganze Tradition Russlands zugrunde, und die stabilisierende Wirkung der Landbevölkerung verschwand für immer.

      DIE EVOLUTION DER LANDWIRTSCHAFT

      1. Die Technisierung des Landes

      Doch die Zustände meiner Jugend auf der Farm konnten nicht andauern. Die damalige sozialistische Politik sorgte dafür, dass die Landknechte, die früher nicht viel Bargeld verdienten – dafür aber Ware –, mehr Geld bekamen. Für die „Supply Side Economics“ (= Angebotswirtschaft, das heißt alle Waren und Leistungen werden gegen Geld angeboten) musste gesorgt werden. Wenn das Volk Bargeld besitzt, kann die Großindustrie florieren. Aber die englischen Farmer konnten damals die hohen Löhne, die hohen Steuern und den hohen kirchlichen Zehnten nicht bezahlen. So viel Bargeld besaßen sie einfach nicht. Deshalb wurden die Landknechte mit ihren schönen kleinen Häusern und den schönen großen Gärten, mit denen sie sich selbst versorgten, arbeitslos. Der Farmer musste mechanisieren, wenn er überleben wollte. Der Landknecht verdiente in meiner Jugend etwa 18 Schilling pro Woche (damals etwa zwölf RM oder etwas weniger). Er bezahlte fünf Schilling pro Woche für ein nettes Häuschen mit großem Garten, sodass er eigene Kartoffeln, Gemüse, Hühner und Kaninchen besaß. Er bezahlte also etwa 25 Prozent des Lohnes für die Haus- und Gartenmiete! Kann er das heute noch? Dann verboten die englischen Sozialisten den Bau dieser Häuser für Landknechte – der Farmer durfte keine preiswerten Häuser, die für die eigenen Landknechte spezifisch reserviert waren, mehr bauen. Der Landknecht musste auf dem offenen Markt eine Wohnung suchen, was natürlich viel teurer war. Deshalb musste sein Bargeldlohn erhöht werden. Die Parole hieß: Sozialisierung. Der Landknecht musste wie alle anderen Arbeiter werden, so entstand eine einheitliche Steuerquelle! Die Landknechte erhielten nun gesetzlich mehr Bargeld – wenn sie einen Bauern finden konnten, der die erhöhten Löhne bezahlen konnte. So entstand Arbeitslosigkeit bei Arbeitermangel! Billige Häuser mit Garten, Hühnern, Ziegen oder Kaninchen verschwanden vom Markt!

      Mein Vater kam mit den ihm zur Verfügung stehenden Arbeitskräften nicht mehr aus. Für die Pferde brauchte er mindestens drei Landknechte, um nach der Arbeit auch noch die Pferde füttern und abbürsten zu können. Dann musste man neue Hufeisen besorgen, die Fohlen pflegen und einreiten, was viel Lohn kostete. Ein einziger Traktorfahrer konnte die Arbeit von drei Fuhrknechten mit seinen Pferden erledigen. Dazu muss man noch bedenken, dass der Fuhrmann um 14.00 Uhr nach Hause kam, um seine Pferde zu pflegen. Der Traktorfahrer konnte bis 18.00 Uhr pflügen, den Pflug auf dem Feld stehen lassen und mit dem Traktor nach Hause fahren. Um also bei den erhöhten Löhnen durchzukommen, waren die Landwirte zur Mechanisierung gezwungen.

      Nach einigen Jahren standen die Pferdeställe leer, der Fuhrmann lernte um und fuhr Traktor, die Getreidemühle für die Pferde und für die Kühe nebst der alten Dampfmaschine, die die Mühle antrieb, stand still. Eine neue Ära war angebrochen. Bald war das Gut nicht mehr von eigenen Arbeitskräften und eigenem Heu und Getreide abhängig, sondern von teurem Öl aus dem Mittelosten – und der Farmer war nicht mehr von den eigenen Arbeitskräften und dem eigenen Land abhängig, sondern von Ölfinanzen.

      2. Der Dampfpflug und andere Maschinen

      Unsere