Es war ein reiches Leben. Arthur Ernest Wilder-Smith

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Название Es war ein reiches Leben
Автор произведения Arthur Ernest Wilder-Smith
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783958932708



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schlecht vorbereitet, denn die Lehrer waren über Experimente dieser Art (zwei Curricula auf einmal, einmal mit und einmal ohne Lehrer) kaum begeistert. Letzten Endes, wenn es mir gelänge, würden die Lehrer als überflüssig gelten, da ich mich ohne Lehrer vorbereitete!

      Die letzten Monate hatte ich wirklich Tag und Nacht an beiden Curricula (sie waren jedes Jahr verschieden: einmal Milton, einmal Shakespeare, einmal Coleridge, einmal Molière, einmal Goethe und die deutschen Philosophen) geschuftet. Kurz vor dem Examen wurde ich krank und in die Klinik der Schule eingeliefert. Dort hatte ich endlich etwas Ruhe, für Dezember zu arbeiten, wie ich wollte! Ich ließ das Curriculum für 1933 ganz fallen und konzentrierte mich ausschließlich auf das Examen von Dezember 1932. Direkt vom Bett stand ich auf und begab mich (allerdings sehr wacklig) in den Prüfungssaal.

      Als Deutsch drankam, wurde ich – wie üblich – schriftlich und mündlich geprüft und war so schwach und heiser, dass ich bei der mündlichen Prüfung nur flüstern konnte.

      2. Die große Überraschung und ihre Folgen

      Als die Resultate für Dezember bekannt wurden, konnte ich meinen Augen nicht trauen – ich hatte mit Auszeichnung bestanden. Auf der Stelle wurde ich befördert und gehörte von einem Tag zum anderen nicht mehr zur Junior School, sondern kam in die sechste Klasse, wo man sich auf das „Higher Certificate“ (das Abitur) vorbereitete.

      Die schnelle Beförderung wurde mir mit der Zeit peinlich, denn andere wurden neidisch: Ein Junior wird so schnell zum Senior befördert! Das gab böses Blut. Mein Bruder wollte nicht studieren und kehrte nach Hause zurück, um sich dort für die Landwirtschaft ausbilden zu lassen. So war ich allein im Internat und vermisste meinen Bruder. Man konnte es den meisten Jungen natürlich nicht erklären, warum ich die Examina so früh absolvierte, denn viele von ihnen stammten aus dem kolonialen Beamtentum. Ihre Eltern hatten gesicherte Gehälter und wussten deshalb nicht von der Not der selbstständigen Berufe.

      3. Konkurrenz zwischen Internaten

      Die schulische Leistung eines Internats variiert von Internat zu Internat. Es besteht auch Wettbewerb zwischen den verschiedenen Internaten. Eltern wählen die Internate nach ihrer Leistung – schulisch oder sportlich – aus. Einige Schulen sind für ihre Leistung auf sportlichem Gebiet bekannt, andere für ihre Leistung auf schulischen Gebieten, und es gibt sogar Spezialisierung in Sport und schulischen Fächern. Taunton war für die Geisteswissenschaften und für Rugby-Football bekannt. Diese Tatsache hatte für mich unvorhergesehene Folgen. Als ich plötzlich in die Unterprima befördert wurde, entschied ich mich für das Studium der Naturwissenschaften. Und dann kam für mich die große Überraschung: Die Schule verfügte über keine Lehrer, die uns die Naturwissenschaften unterrichten konnten. Geisteswissenschaftler gab es in Hülle und Fülle, aber keine Naturwissenschaftler! Der Biologielehrer war ein alter, politisch aktiver Kommunist, der an seinem Lehramt kaum interessiert und hoffnungslos veraltet auf seinem Gebiet war. Auch in Chemie und Physik fehlten die Lehrkräfte. Diese Fächer konnte man sich selbst nicht unterrichten wegen der vielen praktischen Experimente, die man selbstständig nicht durchführen konnte.

      Bei der mittleren Reife hatte ich es gut geschafft, vielleicht würde es mir gelingen, das Abitur auch selbst zu erarbeiten. So lernte ich beinahe zwei Jahre lang die Textbücher einfach auswendig. Aber die mikroskopische Arbeit und die chemischen Synthesen waren ein ganz anderes Kapitel; die kann man ohne persönlichen Unterricht nie meistern.

      Als der große Tag des Examens in Bristol kam und ich die ersten Fragen las, wurde mir bewusst, dass ich keine Chance hatte.

      Sogar die Sprache der Fragen war mir vollkommen fremd, denn ich hatte alte Examensfragen nie vorher durchgenommen! Das Resultat war vorherzusehen: Ich fiel durch.

      AUF UND AB IN MEINER AUSBILDUNG

      1. Die akademische Karriere beginnt

      Die Schule war sehr teuer. Da sahen meine Eltern ein, dass meine mittlere Reife als Eintrittsexamen für Oxford genügen würde, denn ich hatte ein „Honours Certificate mit Auszeichnung“ vorzuweisen. Oxford käme etwas teurer als das Internat, aber in Taunton hätte ich meine Zeit nur verloren. So sprach Vater mit seinem Freund Professor Chattaway, der Chemie-Professor im Queens College Oxford und ein Logenbruder meines Vaters war. Dieser leitete alles für mich in die Wege, damit ich in Oxford studieren konnte. Die zwei Jahre im Internat waren absolut verlorene Zeit gewesen – teure, verlorene Zeit. Ich hätte alles in einem Jahr in Oxford besser erledigen können. Wie freute ich mich, als die richtigen Vorlesungen in Oxford anfingen! Die Qualität war unvergleichlich besser als das, was ich im Internat gehört hatte. Noch dazu wurde es mir ermöglicht, in meinem ersten Jahr jeden Tag von zu Hause nach Oxford mit dem Auto zu fahren, um Auslagen zu vermeiden, bis ich mein „Erstes Öffentliches Examen“ in den Naturwissenschaften abgelegt hatte.

      Ich wurde in St. Edmund Hall, einem College der Universität Oxford immatrikuliert und studierte unter Professor Gavin de Beer, Professor E. B. Ford, Professor Robert Robinson, Professor Chattaway und anderen. Professor De Beer gab hervorragende Vorlesungen in Evolution und Zoologie. Er war Franzose, sprach ein vollkommenes Englisch und war ein führender Atheist, Evolutionist und Darwinist. In späteren Jahren siedelte er nach London zur Royal Institution um. Er war aber sehr intolerant und hatte die Neigung, Menschen zu verachten, die nicht genau so dachten wie er. Ford war begeisterter Genetiker und sein Lieblingstier war Drosophila melanogaster – die Fruchtfliege. Sein Leben lang arbeitete er „Landkarten“ von den Chromosomen der Fruchtfliege aus. Professor Chattaway war der liebe Onkel im Hintergrund, der über mich wachte. Professor Robert Robinson, der Organiker, stand auf der Höhe seines Rufes im Labor in South Parks Road und besaß dort ein ausgezeichnetes Team von Chemikern.

      Nach einem Jahr hatte ich alles, was ich im Internat versäumt hatte, nachgeholt und bestand mein „Erstes Öffentliches Examen“ der Universität Oxford mit „Gut“. Danach stand mir das Recht zu, Residenz in St. Edmund Hall (College) in Oxford aufzunehmen.

      Mein Examinator in Allgemeinwissen auf dem Gebiet der Geschichte des Mittelalters war C. S. Lewis. Er war ein strenger Examinator und bestand darauf, dass Studenten sich klar und genau in ihrer Muttersprache ausdrücken konnten. Viele Studenten fürchteten ihn deswegen. Fing ein Student an, zu stottern und zu stammeln beim Versuch, C. S. Lewis’ Fragen zu beantworten, unterbrach er ihn: „Mein Herr, bitte hinausgehen und Ihre Gedanken ordnen und zurückkommen, wenn Sie mir eine gut gegliederte und klare Antwort geben können!“

      Andererseits war C. S. Lewis wegen seiner ausgezeichneten Vorlesungen unter Akademikern und Studenten berühmt und wurde respektiert. Immer wenn C. S. Lewis sonntags predigte, war die Kirche überfüllt, im Gegensatz zu den gewöhnlich leeren Kirchen.

      2. Die große Depression noch einmal

      Es war im Jahr 1933. Ganz Europa war noch einmal in einer schlimmen Krise, England erging es nicht besser. Hitler wurde in Deutschland gewählt, und die Aufrüstung fing an, obwohl alle Nationen bankrott waren. Neville Chamberlain gelangte an die Macht in England – ein Mann, der von Hitler total manipuliert wurde, der mit einem Stück Papier in der Tasche von München nach London zurückkehrte und in die Welt hinausposaunte, er habe den Frieden in der Tasche. In dieser Zeit begann ich meine Studien in Oxford. Mein Vater sagte nicht viel. Aber Mutter berichtete uns, dass Vater die Finanzen für unsere weitere Ausbildung nicht finden konnte. Meine Rechnungen ruinierten die Farm. Wir sollten neue Maschinen kaufen, um Arbeitskräfte zu ersetzen, die aber zu teuer waren. Ganze Schafherden verkaufte Vater ohne ein Wort, um für die Ausbildung seiner Kinder aufzukommen. Die Bank fing an, keine Kredite mehr fürs Gut gewähren zu wollen – die Defizite waren bereits ganz und gar unwirtschaftlich.

      Unsere Arbeiter wurden jeden Freitagabend ausgezahlt. Jeder kam zum Bürofenster meines Vaters, um seinen Lohn nebst Überstundengeld zu erhalten. Es waren gute, treue Leute, die ihre Löhne erhalten mussten, denn sie hatten auch ihre eigenen Verpflichtungen. Die meisten hatten Kinder. Eines Freitagabends, kurz vor 17.00 Uhr, wandte sich Vater zu mir mit einer ergreifenden Bitte: Könnte ich für heute sein Bankier werden? Die Bank gebe ihm kein Geld mehr für die am Abend fälligen Löhne. In einer halben Stunde würden die Arbeiter vor seinem Fenster erscheinen, um ihren