Es war ein reiches Leben. Arthur Ernest Wilder-Smith

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Название Es war ein reiches Leben
Автор произведения Arthur Ernest Wilder-Smith
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783958932708



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ich einmal die exakte Methodik ausgearbeitet hatte, sehr gut und flott von der Hand. In ganz kurzer Zeit synthetisierte ich Reihen von reinen optisch aktiven Ketonen, die als die Basis der Methodik für die Messung des Elektronenschubs in einem konjungierten Molekül dienen sollten. Die Arbeit gedieh schnell und gut bis zum Kriegsausbruch im September 1939. Ich hatte bereits ein Jahr am Problem gearbeitet und mein Chef war von der Arbeit begeistert.

      5. Kriegsausbruch 1939

      Im Herbst 1939 marschierte Hitler in Polen ein. England und Frankreich erklärten Hitler den Krieg. Die Universität wurde auf Kriegsbasis umgestellt, und viele Professoren rückten zum Militär ein. Wir, die wir blieben, mussten das ganze Gebiet von Reading gegen die befürchteten Angriffe, so gut wir konnten, sichern. Wir hatten Muster der verschiedenen Giftgase für Vergleichszwecke hergestellt – eine oft sehr heikle Angelegenheit –, und mittlerweile arbeitete ich an meiner Dissertation Tag und Nacht. So verging das erste Jahr des Krieges 1939–1940 mit synthetischer Arbeit, Gasschutzarbeit und Feuerwehrdienst.

      Als dann während des Sommers 1940 Hitler Frankreich, Holland, Belgien, Dänemark und auch Norwegen einnahm, wurde die internationale Lage sehr, sehr ernst. England hatte die europäischen Häfen für Nachschub verloren. Hitler dagegen musste von jetzt an mit Waffengewalt ganz Europa bis nach Russland hinein unterdrücken, was ihn viel Energie und Soldaten kostete. Im September 1940 versuchte er, England auf dem Luftweg zu erobern, verlor aber so viele Flugzeuge (am 15. September 1940 etwa 180 Flugzeuge), dass er den Versuch aufgeben musste – was verhängnisvolle Folgen für den ganzen Krieg mit sich brachte.

      Erst als England endlich die wirklichen Zwecke und Ziele Hitlers erkannte – dass er es fest im Sinn hatte, auch die Britischen Inseln mit zu erobern –, rüstete sich das Land wirklich ernsthaft zum Krieg. Bis 1940 war es der „Phoney War“ (der unwirkliche Krieg) gewesen. Jetzt wurde es todernst. Churchill wurde zum Premierminister gewählt, und Weltherrschaftsziele der Nazis wurden dem Volk dargelegt. Hitler hatte alle diese Ziele in seinem Mein Kampf sehr klar und detailliert – prophetisch – beschrieben, aber die meisten Deutschen und auch die meisten Europäer nahmen Hitlers beschriebenen Plan einfach nicht ernst. Die Deutschen glaubten damals, dass Hitlers Diktatur die Lösung der Weltprobleme bringen würde. Erst als die Tyrannei vor der eigenen Tür stand, erwachten die Engländer. Aber um ein Haar zu spät! Wenn die USA nicht geholfen hätte, wären England und deshalb auch Europa verloren gewesen.

      6. Die Evakuierung der Universitäten 1940

      Das Resultat all dieser Schreckensereignisse war für uns die Evakuierung der Universitäten. Mir wurde eine Stellung in der Industrie in Nordostengland angeboten. Wegen der katastrophalen Lage willigte ich ein und musste mein gedeihendes, florierendes Laboratorium in der Universität aufgeben. Aber ehe ich die Universität verließ, erwirkte ich vom Senat der Universität, dass ich meine Dissertation in der Industrie zu Ende führen durfte. Ich hatte die meisten Synthesen bereits mit Erfolg durchgeführt und die optischen Messungen mit dem Polarimeter abgeschlossen. Es blieben nur noch viele Mikroanalysen, die ich dann in Stockton-on-Tees, meiner neuen Heimat, zu Ende führen durfte.

      Im September 1940 nahm ich den Zug nach Stockton-on-Tees. Durch London konnte man nicht fahren, weil die Stadt täglich von der Luft aus bombardiert wurde. Aber später bin ich oft des Nachts durchgefahren. Die Situation war schlimm. Tausende und Abertausende von Menschen mieteten Plätze auf den Bahnsteigen der Untergrundbahnen und der „Tubes“ (Tiefuntergrundbahnen), wo sie monatelang in aller Öffentlichkeit schliefen. Die Bahnen verkehrten die ganze Nacht weiter, störten aber die Schläfer nicht. Sie waren so daran gewöhnt.

      Nach einer Bahnfahrt von über zehn Stunden – man musste das Land durchqueren, weil man London vermeiden musste – landete ich in Stockton-on-Tees, wo ich die nächsten vier Jahre in der chemischen Industrie als professioneller Forscher arbeiten würde.

      ÜBERWINDUNG MEINER ATHEISTISCHEN AUSBILDUNG IN SCHULE UND UNIVERSITÄT

      1. Der deutsche Freund

      Einige Entwicklungen persönlicher Art, nach meiner Zeit im Internat und vor der Universitätszeit, möchte ich nun schildern, um ein genaueres Bild meines Werdeganges darzustellen.

      Die materialistische Ausbildung in der Schule – besonders das Lehren der Evolution, als ob es ein Faktum der Naturwissenschaft sei – führte mich dazu, Atheist zu werden. Dieser Schritt geschah, als ich im Internat war. Meine gläubige Mutter war darüber erschüttert, dass meine teuer erworbene Ausbildung auf diese Weise ausartete. Vater war Freimaurer und sagte nicht viel. Er glaubte an einen Gott. Die Kirche verachtete er, und die anglikanische Kirche verwechselte er mit dem Christentum. Aber an Gott glaubte er.

      Persönlich war ich sehr unglücklich. Die vielen Kämpfe im Internat und die wirtschaftliche Lage bedrückten mich. Zu dieser Zeit trat ein junger Deutscher als Schüler ins Internat nach Taunton ein. Er hieß Heinz Winkelshoff, war rothaarig, sehr selbstdiszipliniert und sprach gutes Englisch. Bald waren wir befreundet. Er lud mich zu sich nach Hause in den Westerwald ein. Ich verbrachte einige Wochen Ferien während des Sommers 1933 in Deutschland und lernte etwas Deutsch. Dort lernte ich andere deutsche Familien kennen. Der Sohn einer dieser Familien steckte damals in finanzieller Not. Die Familie besaß ein Herren- und ein Damenkonfektionsgeschäft. Die nationalsozialistische Partei lud diesen Sohn ein, SS-Mitglied zu werden, dann könnte man ihm die Alleinvertretung für Parteiuniformen für den Bezirk übertragen. Ein solcher Schritt würde ihm helfen, aus seinen finanziellen Schwierigkeiten herauszukommen. Daraufhin wurde er SS-Mann, und sein Geschäft blühte auf.

      Im Jahre 1936 lud er mich noch einmal in den Westerwald ein, und ich nahm die freundliche Einladung an. Die Lage in der Partei hatte sich sehr zugespitzt. Eines Nachts bekam dieser Sohn den Befehl, einzurücken, um einen geheimen SS-Befehl zu erfüllen. Eine ganze Gruppe von SS-Männern sollte eine Aufgabe ausführen, die den Transport eines Autos erforderte. Für diese Aufgabe würde von der Partei ein PKW geliefert werden. Die Schwierigkeit bestand darin, dass niemand in dieser auserlesenen Gruppe Auto fahren konnte. Da fragte mich mein Freund, ob ich bereit wäre, das Autofahren für die Gruppe zu übernehmen. Ich fragte nach dem Zweck der nächtlichen Fahrt, die mir höchst verdächtig schien.

      Einige Stunden später kam der Sohn des Hauses, der SS-Mann war, sehr bedrückt und niedergeschlagen nach Hause. Er habe seinem Parteichef gesagt, ich sei eventuell bereit, das Auto zu fahren, worauf der Chef wütend geworden sei, ihn einen Dummkopf genannt habe, da doch alle wüssten, dass ich Engländer sei, und kein Ausländer an wichtigen SS-Missionen beteiligt sein dürfe? Ich ging natürlich nicht mit.

      Es war die Kristallnacht, in der so viele jüdische Synagogen zerstört wurden – und die SS-Gruppen hatten die Zerstörung der Synagogen durchgeführt. Mein Freund machte trotzdem weiterhin mit, obwohl er von vielen Seiten gewarnt worden war. Dieses schreckliche Ereignis zerbrach ihn. Er marschierte später im Krieg mit den SS-Truppen in das Baltikum, und dort fiel er. Wir wissen nicht, wo sein Grab liegt.

      2. General Frost

      Nach dieser Zeit zog ein junger englischer General in unsere Gegend in Berkshire und kaufte sich an der Themse einen schönen großen Bungalow. Er war der jüngste englische General der britisch-indischen Armee und war mehrere Jahre an der Nord-West-Grenze zwischen Indien und Afghanistan stationiert gewesen. Als dieser jüngste General der britischen Streitkräfte etwa 45 Jahre alt wurde, fand er durch das Zeugnis anderer Christen und durch das Lesen der Bibel den Weg zum persönlichen Glauben an Christus. Kurz gesagt, er wurde auf spektakuläre Weise Christ. Er hatte viel Hartes und Schweres im Leben gesehen, war nicht emotional, sondern ein echter Soldat: geradeaus, furchtlos, intelligent und grundehrlich.

      Innerhalb kürzester Frist entschied er sich, die restlichen Jahre seines Lebens besser zu verwenden als in seinem Beruf als Soldat. Er wollte, wie er sich ausdrückte, nicht mehr sein Leben für den König in London einsetzen, sondern für Christus, den König der Ewigkeit, der sein Leben hingegeben hatte für ihn! So ließ er sich früh pensionieren und kaufte das Haus an der Themse, ganz in unserer Nähe. Dort baute er eine kleine Kapelle auf seinem Rasen – weil es damals keine lebendigen Gemeinden in unserer Nähe gab – und hielt jeden Sonntag Vorträge. Überall, wo er eingeladen