Название | Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht |
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Автор произведения | Anne Hahn |
Жанр | |
Серия | C.F. Müller Wirtschaftsrecht |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811447066 |
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Werbung, deren Inhalt geeignet ist, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, ist von Angeboten, die sich an Kinder und Jugendliche richten, zu trennen (§ 6 Abs. 3 JMStV). Für den Rundfunk regelt § 44 S. 1 Nr. 1 und 2 RStV zudem, dass Sendungen für Kinder nicht durch Produktplatzierungen unterbrochen werden dürfen.
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Richtet sich eine Werbung auch an Kinder und Jugendliche oder werden diese als Darsteller eingesetzt, so darf sie den Interessen dieses geschützten Personenkreises nicht schaden und nicht dessen Unerfahrenheit ausnutzen (vgl. § 6 Abs. 4 JMStV). Dabei ist es nicht erforderlich, dass sich die Werbung speziell an Kinder und Jugendliche richtet. Vielmehr genügt es, wenn sie jedenfalls „auch“ an Kinder oder Jugendliche gerichtet ist.[75] Auch hier ist diejenige Werbung nicht erfasst, die nicht zielgerichtet und lediglich reflexartig Minderjährige erreicht, da die Generalklausel ansonsten unangemessen ausufern würde. § 6 Abs. 4 JMStV ist kein Auffangtatbestand. Schutz vor rein wirtschaftlichen Aspekten der Werbung gegenüber Minderjährigen wird nicht durch den JMStV, sondern durch das BGB und das UWG vermittelt. Werbung, die transparent gestaltet ist und keinen übertriebenen Kaufdruck erzeugt, sondern lediglich eine restriktiv gestaltete Möglichkeit der Nutzung präsentiert oder anbietet (z.B. „Facebook-Button“), lässt sich nicht unter den Begriff der Interessenschädigung subsumieren. Bei der Beurteilung sind insbesondere die Regelungen zur Verantwortlichkeit nach dem TMG zu beachten.[76]
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Werbung für alkoholische Getränke darf sich weder an Kinder und Jugendliche richten, noch diese besonders ansprechen oder beim Alkoholgenuss darstellen (§ 6 Abs. 5 JMStV). Diese Vorschrift setzt Art. 15 der EG-Fernsehrichtlinie[77] um und erstreckt sich auf sämtliche Angebote von Rundfunk und Telemedien.[78]
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Die zuvor in § 6 Abs. 5 S. 2 JMStV enthaltene Erweiterung der Anwendbarkeit der Vorschrift auf Werbung für Tabakerzeugnisse in den Telemedien ist durch den 13. RÄStV mit Wirkung v. 1.4.2010 aufgehoben worden. Allerdings regelt § 8 Abs. 4 RStV, dass Sendungen nicht von Tabakunternehmen gesponsert werden dürfen. Es gilt somit ein generelles Tabakwerbeverbot im Rundfunk.[79] Überdies enthält § 21a VTabakG in Umsetzung der RL 2003/33/EG ein Werbeverbot für Tabakerzeugnisse speziell für den Hörfunk (Abs. 2), die Presse (Abs. 3) sowie in Diensten der Informationsgesellschaft (Abs. 4), zu denen neben dem Internet auch das Fernsehen gehört.[80]
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§ 6 Abs. 6 S. 1 JMStV erweitert die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1–5 JMStV auf das Teleshopping und Sponsoring. § 6 Abs. 6 S. 2 JMStV enthält das Verbot, Kinder oder Jugendliche durch Teleshopping dazu anzuhalten, Kauf- oder Miet- bzw. Pachtverträge für Waren oder Dienstleistungen zu schließen.[81]
2.4 Rechtsfolgen
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Ein Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 4, 5 und 6 JMStV stellt je nach Tatbestand eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit dar (§§ 23, 24 JMStV). Im Falle einer Straftat ist die Strafandrohung Freiheitstrafe bis zu einem Jahr bei vorsätzlicher Begehung und bis zu sechs Monaten bei fahrlässiger Begehung oder Geldstrafe. Im Falle einer Ordnungswidrigkeit kann eine Geldbuße bis zu 500 000 EUR – bei fahrlässiger Begehung bis zu 250 000 EUR (§ 17 Abs. 2 OWiG) – verhängt werden (§ 24 Abs. 3 JMStV). Voraussetzung für eine Sanktionierung ist dabei stets, dass der Beschuldigte auch Adressat des Verbots ist, d.h. den Inhalt zu verantworten hat.[82] Vom Adressatenkreis sind laut der Überschrift des VI. Abschn. des JMStV „Ahndung von Verstößen der Anbieter mit Ausnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine Mitarbeiter ausgenommen. Die Übereinstimmung dieser Ungleichbehandlung von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk mit Art. 3 GG ist indessen fraglich.[83]
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Nach § 23 JMStV begeht eine Straftat, wer entgegen § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und S. 2 JMStV Angebote verbreitet oder zugänglich macht, die offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung oder Erziehung von Kindern und Jugendlichen schwer zu gefährden. Bei Telemedien ist § 23 JMStV nur erfüllt, wenn die entsprechenden Angebote außerhalb geschlossener Benutzergruppen verbreitet oder zugänglich gemacht werden.[84] Verstöße gegen die übrigen Ge- und Verbote der §§ 4, 5 und 6 JMStV stellen grundsätzlich lediglich Ordnungswidrigkeiten dar (§ 24 JMStV).
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Vorsätzliche Verstöße gegen die absoluten Verbreitungsverbote des § 4 Abs. 1 Nr. 1-11 JMStV und das relative Verbreitungsverbot des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JMStV können darüber hinaus aber auch Tatbestände des allgemeinen Strafrechts verwirklichen (vgl. §§ 86, 86a, 130, 130a, 131, 184 ff. StGB).[85] Liegt ein Straftatbestand vor, so ist der Ordnungswidrigkeitentatbestand diesem gegenüber subsidiär (§ 21 OWiG).
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Straftaten – auch solche nach § 23 JMStV – werden von der Staatsanwaltschaft verfolgt (§ 160 StPO). Die zuständigen Verwaltungsbehörden für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten nach dem JMStV sind die Landesmedienanstalten (LMA), die ihre Entscheidungen durch die KJM[86] treffen (§ 24 Abs. 4 JMStV i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Die zuständige LMA kann bestimmen, dass Beanstandungen nach einem Rechtsverstoß gegen die Bestimmungen des JMStV und rechtskräftige Entscheidungen in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren vom Anbieter in seinem Angebot verbreitet oder zugänglich gemacht werden. Inhalt und Zeitpunkt der Bekanntgabe bestimmt die zuständige LMA nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 24 Abs. 6 JMStV).
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Ist ein Anbieter von Telemedien Mitglied einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle oder unterwirft er sich ihren Statuten, so ist gem. § 20 Abs. 5 S. 1 JMStV bei angeblichen Verstößen gegen den Jugendschutz, mit Ausnahme von Verstößen gegen § 4 Abs. 1 JMStV, durch die KJM zunächst die entsprechende Einrichtung damit zu befassen.[87] Verstöße des Anbieters, die das Zugänglichmachen von Pornographie, Indizierten Liste A oder C Inhalten bzw. fehlerhaft geschlossene Benutzergruppen betreffen, sind somit vom Vorbefassungsschutz einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle erfasst. Die KJM darf Maßnahmen gegen den Anbieter erst dann treffen, wenn „die Entscheidung oder die Unterlassung einer Entscheidung der anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums überschreitet“ (§ 20 Abs. 5 S. 2 JMStV).
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Umstritten ist, ob gegen den Anbieter ein Straf- oder Bußgeldverfahren auch dann durchgeführt werden darf, wenn dessen Angebot von einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle als zulässig eingestuft worden ist.[88]
3.1 Gescheiterte Novellierung 2010/2011
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Der JMStV sollte mit dem 14. RÄStV nach Ratifikation in den Ländern zum 1.1.2011 novelliert werden. Ziel der geplanten Neuregelung war es, das System der regulierten Selbstregulierung