Название | Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht |
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Автор произведения | Anne Hahn |
Жанр | |
Серия | C.F. Müller Wirtschaftsrecht |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811447066 |
III. Verantwortlichkeit der Provider
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Hinsichtlich der Providerverantwortlichkeit muss entsprechend der §§ 7 ff. TMG zwischen Access-, Host- und Contentprovidern differenziert werden. Der Anbieterbegriff nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (vgl. § 3 Nr. 2 JMStV) ist z.T. umstritten.[22] Die h.M. geht von einem weiten Anbieterbegriff aus, so dass die §§ 8 ff. TMG Anwendung finden.[23] Ein pauschaler Ausschluss von Access-Providern geht aber zu weit. Zugangsanbieter (Accessprovider) verbreiten zwar regelmäßig keine eigenen Inhalte. Allerdings stellen sie die maßgebliche Infrastruktur zur Verfügung, um auf die im Internet bereitgehaltenen Informationen zugreifen zu können. Auch wenn die Provider für entwicklungsbeeinträchtigende Angebote rechtlich nicht verantwortlich sind, tragen sie doch in wesentlichem Maße dazu bei, dass Kinder und Jugendliche mit Inhalten konfrontiert werden, die ihrem Alter und Entwicklungsstand unangemessen sind.[24] Provider können entsprechend der §§ 8 ff. TMG auch aus jugendschutzrechtlicher Sicht zur Verantwortung gezogen werden. Infolge des Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes[25] sind Ansprüche gegen Access-Provider allerdings auf einen Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 S. 1 TMG begrenzt. Forderungen nach Filtersystemen, die derartige Angebote von Minderjährigen fernhalten, sind daher nachvollziehbar. Andererseits muss auch das Internet in seinen Eigengesetzlichkeiten respektiert werden, die einer Zensur nur bedingt zugänglich sind.[26]
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Vor diesem Hintergrund gilt es, den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag für Kinder und Jugendliche mit der Zwecksetzung des Internets als „kommunikativem Möglichkeitsraum“[27] zu verbinden. Gelingen könnte dies mit einem Programm nach britischem Vorbild, das entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte per Voreinstellung filtert. Sofern dem Anschlussinhaber eine Deaktivierung des Filtersystems vorbehalten bliebe, würde seine Informationsfreiheit im Hinblick auf die betroffenen Angebote nicht unangemessen beeinträchtigt. Durch die Möglichkeit des Widerspruchs würde auch das Vertrauensverhältnis der Provider zu ihren Kunden und damit die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit nicht unzumutbar gestört. Weil eine derart voreingestellte Schutzmaßnahme den Erziehungsberechtigten kein aktives Tun abverlangt, sondern die jugendgefährdenden Inhalte bereits vom Provider gesperrt werden, wäre im Vergleich zu anderen Jugendschutzprogrammen eine weitaus höhere Verbreitung zu erwarten.
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Neben der Programmierung eines Filtersystems, das jugendschutzrelevante Inhalte genau und zuverlässig erkennt, wird eine weitere Herausforderung wohl darin bestehen, die Provider ohne gesetzlichen Zwang zur Einführung derartiger Sperrmaßnahmen zu bewegen. Sollte dies nicht gelingen, bestünde indessen auch die Möglichkeit einer gesetzlichen Regelung.[28] Das Modell eines voreingestellten Jugendschutzfilters, der entwicklungsbeeinträchtigende Angebote präzise filtert, wobei die betroffenen Inhalte auf Wunsch des Anschlussinhabers auch freigeschaltet werden können, würde die Rechtspositionen aller Beteiligten hinreichend berücksichtigen und keinen unverhältnismäßigen Eingriff in deren Grundrechte darstellen.
C. Gesetzliche Ausgestaltung
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Die gesetzlichen Regelungen zum Jugendschutz in den Medien finden sich seit einer weitreichenden Neuregelung im Jahr 2003 im Jugendschutzgesetz (JuSchG) des Bundes sowie im Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (JMStV) der Länder.[29] Während das JuSchG vor allem den Jugendschutz in der Öffentlichkeit sowie Verbreitungsbeschränkungen bei jugendgefährdenden Trägermedien (Printmedien, Videos, CD-Roms, DVDs, Kinofilme, etc.) regelt, wurde mit dem JMStV ein einheitlicher Jugendschutz für den Rundfunk und die Telemedien verankert. Beide Regelwerke ergänzen einander und bieten durch ihr gesetzliches Zusammenwirken umfassenden Schutz vor jugendgefährdenden Einflüssen in Öffentlichkeit und Medien.[30] Dennoch gibt es Verbesserungsbedarf, so dass weiterhin Bestrebungen existieren, wonach ein einheitliches JuSchG geschaffen werden soll. In einigen Bereichen zeichnen sich somit schwer nachvollziehbare Differenzen bei der Behandlung von jugendschutzrelevanten Inhalten ab, die dringend zu vereinheitlichen sind.[31] Angesichts der zunehmenden Nutzung von Social-Media-Plattformen, Blogs, Foren, Chatangeboten und Videoportalen, die häufig einen ungehinderten Zugang zu gefährdenden oder beeinträchtigenden Inhalten bieten, steht das Jugendschutzrecht vor neuen Herausforderungen, die es nicht nur auf nationaler, sondern zugleich auf europäischer Ebene[32] zu bewältigen gilt.[33]
I. Gesetzgebungskompetenzen
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Grund für die Zweiteilung des deutschen Jugendschutzrechts sind die unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder. Hier ergibt sich eine besondere Gemengelage. Für den Erlass von Rechtsvorschriften zum Jugendschutz steht dem Bund gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge zu, welches auch das Recht der Jugendfürsorge mit einschließt, insbesondere um Gefahren für Jugendliche bereits im Vorfeld der Jugendhilfe abzuwehren.[34] Hingegen fällt der Jugendschutz im Rahmen der klassischen Rundfunkangebote in die Kompetenz der Länder, da diese Materie einen engen Bezug mit der Rundfunkregulierung aufweist, die der Erreichung kommunikationsbezogener Ziele wie Vielfalt und kommunikativer Chancengerechtigkeit dient und eindeutig den Ländern obliegt.[35]
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Bis zur Neuregelung des Jugendmedienschutzes im Jahr 2003 bestand der unbefriedigende Zustand, dass dieselben Inhalte je nach Art ihrer Verbreitung unterschiedlichen Regularien und Aufsichtsbehörden unterlagen. Der Jugendschutz für klassische Rundfunkangebote fiel in die Regelungskompetenz der Landesgesetzgeber und wurde entsprechend in den Landesmediengesetzen bzw. dem Rundfunkstaatsvertrag gesichert. Ebenfalls der Gesetzeskompetenz des Landesgesetzgebers unterlagen die sogenannten Mediendienste, die ähnlich wie klassische Rundfunkangebote zur Verbreitung an die Allgemeinheit bestimmt waren, denen aber das Moment der Darbietung fehlte. Teledienste, d.h. nach der bis 2002 geltenden Definition im Teledienstegesetz alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt waren, und denen eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde lag, wurden nach dem Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) für den Jugendschutz dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjS) des Bundes zugeordnet, das zugleich auch den Jugendschutz in sog. Trägermedien regelte. Die sich daraus ergebenden Rechtsunsicherheiten, Abgrenzungs- und Anwendungsprobleme sind mit Inkrafttreten des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) zwar nicht völlig gelöst, jedoch abgemildert worden. Der Bund nahm seine Regelungskompetenz für den Jugendschutz in den neuen Medien zurück, sodass die Bundesländer eine einheitliche staatsvertragliche Regelung für alle elektronischen Medien und den Rundfunk vornehmen konnten. Der Anwendungsbereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages erstreckt sich nunmehr auf elektronische Informations- und Kommunikationsmedien (Rundfunk und Telemedien), soweit sie nicht Telekommunikationsdienste i.S.d. Telekommunikationsgesetzes (TKG) sind und löst damit die entsprechenden Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag, im Mediendienste-Staatsvertrag[36] sowie im Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte[37] ab.
1. Anwendungsbereich
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Die medienrechtlich relevanten Vorschriften des JuSchG finden sich in dessen Abschnitten 3 und 4 (§§ 11–25) und betreffen sog. Trägermedien.[38] Der im zuvor geltenden GjS verwandte Begriff „Schriften“ wurde im Zuge der Neuregelung durch den Oberbegriff „Trägermedien“ ersetzt, da Schriften nicht mehr typisch für die Medienwelt sind.[39] Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 S. 1 JuSchG sind Trägermedien „Medien mit Texten, Bildern oder