Название | Meerhabilitation |
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Автор произведения | Oana Madalina Miròn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991310280 |
Der Grund, warum ich dir schreibe, ist, dass ich hier auf meiner Couch jemandem die Ohren kraule, der eigentlich zu dir gehört. Schwarz, ungefähr 35 Kilogramm schwer und einen endlos großen Appetit … Magnus ist mir gestern am Strand (erneut!) in die Arme gelaufen! Ich denke, du wirst dich über meine Nachricht freuen, denn du vermisst ihn sicherlich schon schrecklich …
Ich schrieb die E-Mail fertig, fügte noch die Adresse meiner schmucken Unterkunft an und schickte die Nachricht ab. Keine fünf Minuten später erklang bereits die Benachrichtigung, dass ich eine neue E-Mail erhalten hatte.
Raik hatte sich bereits auf den Weg gemacht.
Kurze Zeit später klopfte es an der Tür. Bereits am Klopfen konnte ich intuitiv erkennen, dass er es war.
»Hallo Tessa, schön dich wiederzusehen!«, strahlte er mich aufgeregt an. Er sah fantastisch aus! Nicht nur, dass sein Äußeres bei mir punktete, nein, auch seine Art und sein Charakter waren so erfrischend und angenehm, dass ich mich erst mal kurz sammeln musste, bevor ich ihn eintreten ließ.
»Hi, komm doch rein. Du wirst schon sehnsüchtig erwartet«, antwortete ich und ließ ihn herein.
Wie ein plötzlicher Wirbelsturm kam Magnus schon um die Ecke gelaufen und sprang sein Herrchen an. Dieses herzzerreißende Wiedersehen ließ mir eine minutenlange Gänsehaut zurück. Raik kniete am Boden und hielt ihn einfach nur fest im Arm, während sich Magnus vor lauter Winseln und Zittern gar nicht mehr einkriegen konnte. Dieses Bild würde ich mir womöglich für immer einprägen. Erstaunlich, welch große Gefühle zwischen Tieren und Menschen entstehen konnten. Nur die Menschen waren anscheinend nicht in der Lage, sich immer gegenseitigen Respekt und bedingungslose Liebe entgegenzubringen.
»Danke! Wie kann ich dir nur danken, Tessa? Ich war krank vor Sorge und habe letzte Nacht kein Auge zugemacht«, sprudelte es nur so aus ihm heraus.
»Weißt du, er ist meine Familie …«, fügte er hinzu. Ich nickte verständnisvoll.
Ich konnte deutlich erkennen, dass seine Augen stark gerötet waren, konnte aber es nicht genau sagen, ob es durch den Schlafentzug oder die Wiedersehensfreude bedingt war.
»Gern geschehen, ich bin einfach nur froh, dass ich ihn gefunden habe und ihm nichts passiert ist. Magnus hat anscheinend gute Stalker-Qualitäten! Schön langsam fühle ich mich allerdings von ihm verfolgt«, scherzte ich und wir fingen beide an zu lachen.
»Ja, erstaunlich! Anscheinend kann er dich gut riechen!«, gab er amüsiert zurück.
Seine strahlend weißen Zähne machten dieses ohnehin schon umwerfende Lachen einfach perfekt. Er strahlte eine unheimliche Ruhe und Sicherheit auf mich aus, ein Gefühl, dass ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Bitte lieber Gott, lass ihn einfach nie wieder aus meiner Tür hinausgehen …
»Ich würde mich wirklich gerne bei dir revanchieren, und dieses Mal akzeptiere ich keine Widerrede«, sagte er schließlich.
»Ich würde dich sehr gerne zum Essen einladen. Ich hoffe du nimmst meine Einladung an. Du kannst dir auch gerne das Lokal aussuchen«
Er sah mich mit seinen stahlblauen Augen an und wartete gespannt auf meine Antwort. Ich hätte schwören können, dass er auch ein wenig nervös war.
Oh Mann! Wie hätte ich einer derart charmanten Einladung nur widerstehen können? Lieber hätte ich mir die rechte Hand abgehackt, als ihn noch mal gehen zu lassen.
»Sehr gerne würde ich deine Einladung annehmen Raik, allerdings bin ich erst seit einigen Wochen hier in Island. Ich bin vor Kurzem hierhergezogen. Ich könnte dir kein einziges Restaurant in Reykjavik empfehlen«, gab ich schließlich zu und war selbst über plötzliche Ehrlichkeit erstaunt.
»Wirklich? Ich dachte mir schon, einen sympathischen Akzent rausgehört zu haben. Ich denke, für genügend Gesprächsstoff ist somit gesorgt«, antwortete er schmunzelnd.
»Also gut, wenn das so ist, habe ich eine bessere Idee. Ich würde dich fürs erste Treffen dann kurz entführen und dir „meine kleine Insel“ zeigen. Ich möchte dich sehr gerne überraschen. Vertraust du mir?«, sagte er. Seine Augen fingen an zu leuchten.
Er hatte die Ausstrahlung eines Jungen, der gerade die Geschenke unterm Weihnachtsbaum entdeckte. Ich wusste, dass ich mir selbst einen kleinen Ruck geben musste. Wenn ich mich der Welt wieder öffnen wollte, dann war das jetzt die beste Gelegenheit dazu.
»Also gut. Ich lasse mich überraschen«, sagte ich schließlich.
»Spitze! Ich hole dich morgen pünktlich um 13 Uhr ab. Freizeitbekleidung und gemütliche Schuhe anziehen, das Abendkleid wirst du definitiv nicht brauchen«, gab er zurück.
»Dann bis morgen! Und danke Tessa, dass du ihn mir zurückgebracht hast. Er ist mein bester Freund, weißt du?«
Er umarmte mich kurz zum Abschied und ging dann.
Zurück im Wohnzimmer wunderte ich mich über meine neu gewonnene Spontanität. Ich wollte doch untertauchen, keinen Kontakt zu der Außenwelt pflegen, doch plötzlich fühlte es sich doch so was von richtig an. Ich spürte einen Hauch von Aufregung, gepaart mit Vorfreude und Neugierde in mir aufkeimen. Der Heilungsprozess hatte schon einiges bewirkt. Ich hatte noch einen langen Weg vor mir, das war mir bewusst, doch manche Wunden begannen schon langsam zu heilen. Ein paar kleinere Narben waren bereits verblasst, physisch sowie auch psychisch.
Ich ging zum Kleiderschrank, legte mir einige Anziehsachen für den nächsten Tag heraus und konnte ehrlich gesagt den kommenden Tag kaum erwarten. Ja, ich freute mich. Ich hatte dieses Gefühl sehr vermisst. Einfach den Tag mit einem netten und sympathischen Menschen verbringen.
Ich mochte ihn. Ich mochte Raik sehr, allerdings erst mal als einen Freund. Ich hoffte, dass er das genauso sah. Was, wenn nicht?! Was, wenn er sich von diesem Treffen mehr erhoffte? Wenn er glaubte, dass ich mehr von ihm wollte?
Langsam bekam ich Zweifel. War das der richtige Zeitpunkt, um neue Freundschaften zu schließen? Überstürzte ich gerade etwas?
Am Abend ging ich im Geiste die letzten Stunden unserer Begegnung nochmal durch. Ich hoffte inständig, dass er das morgige Treffen genauso locker sah, wie ich es tat.
Ich schlief sehr unruhig ein, wälzte mich im Bett hin und her. Ich fand keinen Frieden in jener Nacht.
***
[ Die Tür fiel leise ins Schloss. Im Haus war es dunkel, anscheinend schlief Hannes schon. Ich hätte ihm eine SMS schicken sollen, dass es bei mir ein wenig länger dauern würde, hatte mich aber dagegen entschieden, da ich ihn nicht beunruhigen wollte. Ich zog im Vorraum meine High Heels aus und ging leise ins Wohnzimmer. Da ich ihn nicht aufwecken wollte, beschloss ich spontan, es mir auf der Couch gemütlich zu machen.
Plötzlich ging die Tischlampe an. Ich schreckte kurz auf, sah aber, dass es Hannes war. Er saß in der Ecke in seinem Lieblingsohrensessel aus dunkelbraunem Vintageleder, hatte die Beine übereinandergeschlagen und schwenkte genüsslich seinen Whiskeyglas.
»Hannes, du bist noch auf? Du hast mich erschreckt!«, sagte ich leicht irritiert. Oh Mann, bitte keine endlos lange Diskussion wieder, dafür war ich schon zu müde.
»Schön, dass du endlich wieder Zuhause bist«, erwiderte er in einem ruhigen, monotonen Tonfall.
Diese skurrile Szene wirkte auf mich irgendwie bedrohlich. Spannung lag in der Luft. Ich fühlte mich unwohl.
»Ja, tut mir wirklich leid. Ich wollte dir noch Bescheid geben, dass es bei uns ein wenig länger dauern würde. Mel hatte heute Geburtstag und hat uns Mädels nach der Arbeit auf einen Drink eingeladen«, antwortete ich so freundlich ich konnte, um die Situation ein wenig zu deeskalieren.
Ich versuchte es wenigstens.
»Ja, das hättest du definitiv tun sollen«, antwortete er.
Er sah mich ausdruckslos an, blinzelte nicht einmal.