Название | Meerhabilitation |
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Автор произведения | Oana Madalina Miròn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991310280 |
Im selben Moment stand er auf, packte mich am Pferdeschwanz und riss meinen Kopf ruckartig zurück, sodass ich ihm in die Augen blicken musste! Ich atmete scharf ein. Der Schmerz durchflutete meine Kopfhaut.
»Tessa, Tessa … Wie oft soll ich es dir noch erklären, wie du dich zu benehmen hast? Und komm schon, sieh dich nur an? Wie siehst du nur aus?«
Sein zorniger Blick durchbohrte meinen. Er drang in meine verletzliche Seele ein, immer tiefer und drängte sie in die Ecke. Ich fühlte mich geistig vergewaltigt, fing innerlich an zu schreien. Schreie, die niemand hören konnte, nur ich! Ich versuchte mich nicht zu bewegen oder irgendeine Reaktion zu zeigen, um ihn noch wütender zu machen.
»Hannes, bitte nicht … Du tust mir weh«, flehte ich ihn an.
»Anscheinend kapierst du es nicht anders!«, schrie er mich an und verstärkte seinen eisernen Griff.
»Du wagst es, mich warten zu lassen, kommst irgendwann nach Hause und siehst aus wie eine Hure?!«, brüllte er mich an.
Ich spürte winzig kleine Spucketropfen, die auf meine Haut niederprasselten.
»Hannes, bitte …«, hauchte ich.
»Was?! Was, Tessa? Du glaubst mir etwa nicht?«
Im selben Moment packte er mich bei den Schultern, stieß mich vor zum großen Wandspiegel und hielt meinen Kopf fest, sodass ich mein Spiegelbild ansehen musste.
»Schau dich doch an! Geschminkt wie eine Hure! Gekleidet wie eine Nutte!«
Er schüttelte so heftig meinen Kopf hin und her, dass mir schwindelig wurde. Plötzlich fasste er mir mit der gesamten Hand ins Gesicht und fing an, meinen roten Lippenstift quer über die gesamte Wange zu verschmieren. Ich schloss meine Augen und hielt die Luft an. Ich konnte mich nicht bewegen, besser gesagt, durfte mich nicht bewegen.
»So sieht nicht die Frau eines erfolgreichen Landespolizeidirektors aus! Nein, nicht so! Und wenn ich sage, du sollst nach der Arbeit sofort nach Hause kommen, dann ist das keine Bitte, sondern eine Aufforderung! Hast du das verstanden?!«, schrie er mich von der Seite an, sodass mein linkes Ohr schrill zu pfeifen begann.
Instinktiv antwortete ich schnell.
»Ja, Hannes. Ich habe verstanden. Es tut mir leid.«
Ich spürte, wie meine Knie ganz langsam zu zittern begannen. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper. Ich konnte nicht dagegen ankämpfen, das war mein natürlicher Schutzmechanismus.
Er kam von hinten ganz nah an mich heran und schmiegte sich mit seinem Kopf zärtlich an meinen Hals an.
»Das würde ich dir für die Zukunft auf jeden Fall raten. Nun sei eine artige Ehefrau und kehr die Scherben auf. Schließlich ist das dein Werk.«
Welche Scherben, dachte ich?
…
Mit einem kräftigen Stoß prallte mein zierlicher Körper gegen den Spiegel.
»Wham!«
Mein Kopf knallte mit voller Wucht dagegen. Der Spiegel zersprang in tausend Scherben. Meine Knie ließen im Schock aus und ich ging zu Boden. Ich spürte, wie sich die einzelnen Scherben in meine Haut bohrten. Mein Gehirn begann gegen meine Schädeldecke zu hämmern, als wollte es ausbrechen. Der Überlebensinstinkt setzte wieder ein und ermahnte mich nicht zu bewegen, ihn nicht unnötig zu reizen.
Er drehte sich weg und ging Richtung Bad.
»Melde dich ab morgen krank! Solange der blaue Fleck von deiner Stirn nicht verblasst ist, bleibst du zu Hause! Und schmink dich endlich ab, du siehst aus wie Joker!«, rief er mir noch hinterher und knallte die Tür hinter sich zu.
Ich blieb noch eine Weile ruhig sitzen. Ich wagte nicht einmal zu weinen, sondern verweilte in der gleichen Position einige Minuten lang. Der Kopf pulsierte im Rhythmus meines Herzschlages. Das Rauschen des Blutes in meinen Ohren ließ die Umgebungsgeräusche der Stadt verstummen. Ich nahm eine Scherbe in die Hand und sah hinein. Wie recht er nur hatte, das Hämatom an der rechten Stirn war bereits deutlich zu erkennen und die Schwellung war vor allem gut zu spüren.
Er hatte es wieder getan.
Mein Mann hatte mich wieder verletzt.]
***
Ich stieß einen kurzen Schrei aus und wachte schweißgebadet auf. Dann richtete ich mich kerzengerade im Bett auf und blickte starr vor mich hin. Meine Atmung ging schnell. Ich griff mir an meine pochende Brust und konzentrierte mich darauf, mich wieder zu beruhigen. Eine Panikattacke war das Letzte, was ich jetzt brauchte.
Die Albträume hatten wieder begonnen.
7 Tessa
Nach der anstrengenden und schlaflosen Nacht wurde ich am nächsten Tag von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Warm und zärtlich streichelten sie meine Haut, das war definitiv die schönste Art aufzuwachen. Ich setzte mich noch in meinem Bett auf, streckte mich kurz und ließ meinen Kopf kreisen, um den verspannten Nacken zu lockern. Mein Körper fühlte sich an, als hätte ich tagelang durchgemacht. Ich fühlte mich wie gerädert.
Nach langem Zögern hüpfte ich schließlich aus dem Bett, machte mir einen frisch gemahlenen Kaffee und setze mich an die Fensterbank, um die Aussicht zu genießen.
Der Ausblick aufs offene Meer ließ mich den Kampf der vergangenen Nacht allmählich vergessen. Das Wasser war ruhig, keine einzige Welle war zu sehen. Die endlose Weite glich einer unberührten, spiegelglatten Oberfläche. Ich fragte mich, wie lange es noch dauern, bis der wiederkehrende Albtraum wieder verblassen würde. Das Absurde daran war, dass es keine eigentlichen Träume in dem Sinne waren, sondern einzelne Erinnerungen. Wahre Begebenheiten und Erlebnisse, die mich noch immer heimsuchten … Nacht für Nacht.
Mir ging es mittlerweile doch besser!? Viel besser, als ich es erwartet hatte. Meine geschundene Seele hatte wieder Frieden mit der Vergangenheit geschlossen, die meisten Wunden waren bereits verheilt. Trotzdem suchte mich mein Mann immer noch wie ein wildgewordener Dämon in meinen Träumen heim. Ich konnte es mir einfach nicht erklären. Wahrscheinlich hatte mein Gehirn immer noch einiges zu verarbeiten.
Um kurz vor 13 Uhr war ich startklar. Ich hatte mich wie abgesprochen sportlich und gemütlich angezogen.
Ich trug meine graue Skinny-Jeans und einen dicken Pullover, befolgte jedoch brav die Zwiebeltechnik. Wenn ich was in Island bereits gelernt hatte, war, dass es hier kein schlechtes Wetter gab, nur schlechte Bekleidung.
Ich zwirbelte meine langen Haare zu einem lockeren Knoten zusammen, legte mir ein leichtes Make-up auf und streifte mir schließlich noch die Lederboots über. Der Frühling war bereits deutlich zu spüren, allerdings durfte man hier das Wetter nicht allzu sehr unterschätzen. Perfekt! Ich fühlte mich einfach nur wohl und freute mich sehr auf den Tag, den ich mit meinem Lebensretter verbringen durfte. Das war auch der erste Tag, den ich mit einem anderen, menschlichen Wesen verbringen durfte, seitdem ich in Island angekommen war. Endlich wieder kommunizieren, über Gott und die Welt reden, sich einfach austauschen.
Pünktlich, auf die Minute genau, klopfte es an der Tür. Ich machte auf und strahlte ihn an.
»Hi! Na, da freut sich aber wer, mich zu sehen. Du strahlst ja mit der Sonne um die Wette!«
Raik begrüßte mich herzlich und wir umarmten uns.
»Bist du fertig, können wir los?«, fragte er.
»Ja, fertig und ready for take off!«, scherzte ich.
»Na, komm schon, los geht’s! Wir haben heute viel vor«, sagte er und wir gingen gemeinsam zum Auto.
Wir stiegen ein und fuhren in seinem Jeep Wrangler die Küste entlang, mit dem niemals endenden Ozean immer an unserer Seite.
»Sag’s mir, wo fahren wir denn