Meerhabilitation. Oana Madalina Miròn

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Название Meerhabilitation
Автор произведения Oana Madalina Miròn
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991310280



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dir nicht sagen, sonst wäre es ja keine Überraschung mehr, oder?«, neckte er mich liebevoll und schenkte mir sein schönstes Lächeln.

      »Ich kann dir nur eines verraten. Wenn du den Ozean genauso liebst wie ich, dann wird es dir auf jeden Fall gefallen«, antwortete er.

      »Ja, das tue ich. Mehr, als du es dir vorstellen kannst!«, antwortete ich und blickte Richtung Horizont.

      »Als kleines Mädchen wollte ich immer eine Meerjungfrau sein. Ich legte mich damals still und heimlich stundenlang in die volle Badewanne und wartete geduldig ab, bis sich meine Beine zu einer Sirenenflosse verwandeln würden«, beichtete ich schmunzelnd.

      »Das ging so lange gut, bis meine Mutter die monatliche Wasserrechnung zu Gesicht bekam. Ruhig erklärte sie mir, in einem sehr langen Mutter-Tochter-Gespräch, dass ich zwar nicht Arielle, aber so perfekt sei, wie ich tatsächlich war … und ich solle das tägliche Baden gefälligst sein lassen, ansonsten würden uns die Wasserkosten auffressen!«

      Wir fingen gleichzeitig zu lachen an, dass mir die Tränen kamen.

      »Na ja, die wunderschönen, roten Haare von Arielle hättest du schon mal!«, sagte er schließlich.

      Sein Kompliment ließ mich kurz erröten, ich hatte schon lange keines mehr bekommen. Gut, dass er sich aufs Autofahren konzentrieren musste und meine knallroten Bäckchen nicht sehen konnte.

      Kurze Zeit später bogen wir Richtung Hafen ein und ich konnte keine Sekunde länger ruhig sitzenbleiben. Ich rutschte ungeduldig auf dem Sitz hin und her, das entging auch Raik nicht. Er parkte ein und sah mich ebenso aufgeregt an.

      »Komm, wir sind da!«, sagte er.

      Wir stiegen aus dem Auto aus. Erst mal konnte ich nichts erkennen. Raik lotste mich gezielt zu den zahlreichen Booten, die im Hafen angelegt hatten und kaum erwarten konnten, wieder in die Freiheit entlassen zu werden. Ruhig schaukelten sie im Takt der Wellen hin und her, als würden sie miteinander tanzen.

      Dann endlich sah ich es!

      Das riesige, blaue Boot mit dem Namen „Hvalur“ blitzte in voller Pracht unter den anderen Booten heraus! Hvalur war isländisch und hieß übersetzt „der Wal“. Die weiße, auf dem marineblauen Hintergrund der Aussichtsplattform aufgemalte Walflosse ließ mich vor Begeisterung aufquieken! Ich blickte Raik mit riesengroßen Kinderaugen an. Er lächelte mich an und ich strahlte mit der Sonne um die Wette. Ich hüpfte auf und ab wie ein Flummiball und umarmte ihn stürmisch. Er umarmte mich zärtlich zurück. Es fühlte sich gut an.

      »Komm, du kleine Meerjungfrau, lass und die Wale anschauen!«

      Er nahm freundschaftlich meine Hand und wir betraten das riesige Boot. Nach einer kurzen, aber informativen Begrüßung durch die Crew, bei der uns sowohl die geplante Ausflugsroute als auch die Benimmregeln an Bord erklärt wurden, bekamen wir unsere windabweisenden Ganzkörperoveralls. Uns wurde wärmstens empfohlen, diese anzuziehen, denn die Witterungsbedingungen konnten draußen ganz schön herausfordernd sein. Dankend zogen alle Passagiere die bequemen Overalls an und gingen anschließend hinauf aufs Oberdeck. Die Motoren wurden gestartet und langsam setzte sich das Boot in Bewegung. Leicht schaukelnd manövrierte uns der Kapitän gekonnt aus der Bucht heraus und wir nahmen Kurs aufs offene Meer.

      »Bist du aufgeregt?«, fragte mich Raik.

      »Ja, und wie! Wale sind mit Abstand meine absoluten Lieblingstiere! Ich hatte bisher noch die Möglichkeit, diese faszinierenden und sanften Riesen in Freiheit zu beobachten. Wie konntest du das nur wissen?«, antwortete ich.

      »Ich wusste es nicht, habe einfach blind ins Schwarze getroffen. Ich hoffe nur inständig, wie sehen heute welche. Sooft es die Tierarztpraxis zulässt, versuche ich rauszufahren und abzuschalten. Ich hatte schon öfter das Glück, einige Prachtexemplare zu bewundern«

      Gespannt, was noch alles passieren würde, lehnten wir uns an die Reiling.

      Wir tuckerten gemütlich immer weiter hinaus und man konnte deutlich spüren, wie der Wind langsam auffrischte. Ich genoss den Wind, das hatte etwas Befreiendes. Die kühle Brise, der nicht endende Ozean und der türkisblaue Himmel, nirgendwo hätte ich lieber sein wollen. Ich zog mir die warme Kapuze über und war froh, so warm eingepackt gewesen zu sein. Raik und ich standen lange Zeit einfach nur nebeneinander und beobachteten die Wasseroberfläche. Es war sehr angenehm und gleichzeitig so vertraut, einfach mal zu schweigen und nur die Wellen zu beobachten. Die angenehme Stille, die sich sogar auf alle anwesenden Passagiere zu übertragen schien, war keineswegs peinlich. Hin und wieder wurden wir von unserem Guide, der an diesem Tag für unser Boot zuständig war, über die Lautsprecher mit den unterschiedlichen Arten der in Island vorkommenden Meeressäuger vertraut gemacht. Für mich war es natürlich nichts Neues, die Unterwasserwelt war mir mehr als bekannt. Meine zweite Heimat, sozusagen. Hier war ich Zuhause.

      »Sieh mal, Raik, siehst du die Vogelschwärme, die sich dort drüben bilden und aufgeregt um diese ein bestimmte Stelle kreisen?«, fragte ich ihn und zeigte mit dem Finger Richtung Norden.

      »Ja, genau dort drüben«, antwortete er.

      »Das sind die ersten Anzeichen, wo sich Buckelwale befinden könnten. Da Buckelwale bis zu 15 Meter lang werden, sind sie auf filigrane Jagdtechniken angewiesen. Dabei vollführen sie komplexe Schwimmmanöver in aufwärts gerichteten Spiralbahnen und geben dabei Luftblasen von sich. So wird die Beute nicht nur zusammengetrieben, sondern durch das Luftblasennetz zusammengehalten.«

      Ich war vollkommen in meinem Element. Raik hörte mir aufmerksam zu, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass er diese Informationen schon öfter gehört hatte. Mein Enthusiasmus konnte mich allerdings nicht stoppen und ich erzählte angeregt weiter.

      »Anschließend schwimmen sie von unten mit geöffnetem Maul durch den entstandenen Blasentunnel hindurch und verschlingen somit ihre Beute. Die Vögel profitieren natürlich auch davon und erfreuen sich am reichlich gedeckten Tisch. Das ist so faszinierend, findest du nicht?«, fragte ich ihn.

      »Ja, in der Tat«, antwortete er.

      Er sah mich an und lächelte.

      Im nächsten Moment ertönte wieder eine Information aus den Lautsprechern und unser Guide erklärte den Passagieren genau dasselbe, was ich Raik eben erzählt hatte. Wir schauten uns ganz verdutzt an und prusteten beide gleichzeitig drauflos. Ich hatte schon so lange nicht mehr so herzhaft gelacht.

      »Tja, da bist du ihm wohl zuvorgekommen, was?«, sagte er amüsiert.

      »Erzähl mir mehr, Tessa …«

      Die Art, wie er mich ansah, verriet mir, dass er tatsächlich mehr erfahren wollte.

      »Hast du gewusst, dass Buckelwale einen enorm ausgeprägten Familiensinn haben? Eine Buckelwalfamilie bleibt ein Leben lang zusammen, spielt mit ihren Kälbern und sorgt füreinander. Sie folgen einem starken Gruppenanführer und hören niemals auf zu singen. Ihre Gesänge gehören zu den komplexesten Kommunikationsformen im gesamten Tierreich. Sie bestehen aus vielen Strophen, die sie stundenlang immer wieder wiederholen«, erzählte ich gedankenverloren.

      Aus mir sprudelte es nur so heraus. Ich liebte es, mein Wissen zu teilen. Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass er noch immer bei mir war. Er fixierte meine Lippen und verzog keine Miene. Ich spürte, wie sich mein Puls schlagartig beschleunigte.

      »Woher weißt du das alles? Bist du etwa die Tochter von Jacques Cousteau?«, fragte er belustigt nach.

      »Haha! Wäre ich nur allzu gern. Nein, ich bin nur Tessa, eine einfache Meeresbiologin. Das ist beziehungsweise „war“ mein Beruf, besser gesagt, meine Berufung. Studiert und gelebt habe ich in Wien, das ist in Österreich. Ich habe mein altes Leben hinter mir gelassen und lebe nun hier«

      Ich lächelte ihn an und sah wieder in die Ferne. Meine Geste machte deutlich, dass dies fürs Erste genug Informationen gewesen sind. Er gab sich auch mit meiner Antwort zufrieden und wir blickten wieder gemeinsam in die Ferne. Seltsam, wie richtig er immer meine Gefühlswelt einschätzen konnte.

      »Und das freut mich riesig, ansonsten wären wir uns niemals über den Weg gelaufen«,