Название | Die Brüder von Nazareth |
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Автор произведения | Andreas Flamme |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783903382084 |
Doch das Schicksal hatte anders entschieden. Herodes starb unter unsäglichen Qualen, geschickt vom Allerhöchsten, und sein Sohn Archelaos wagte es nicht, sich der Menge zu widersetzen, und ließ ihn unter deren Druck auf freien Fuß.
Man hörte ein Klopfen und Hämmern, das sich zu einem Dröhnen erhob. Es kam von dem Tische. Von den Fäusten der Aufständischen, die damit zum Zeichen ihrer Zustimmung auf das massive Holz schlugen.
Auf dem Gang an der Wand erschien eine Frau mit zwei Jungen. Sobald Judas sie erblickte, stand er auf und winkte mit der Hand, sodass der Lärm verstummte.
„Und nun esst und trinkt, es könnte Euer Letztes sein.“
Seinen Worten folgten Gelächter und spaßige Zurufe. Er stellte den Stuhl zur Seite und trat auf die Frau zu. Sobald er sie erreicht hatte, ließ er sich auf die Knie nieder und gab den Jungen ein Zeichen. Diese stoben auf und flogen ihm um den Hals. Judas schloss die Augen und umarmte sie, stand auf und schaute in ihre glücklichen Gesichter.
„Jakob, Schimon! Wie groß Ihr geworden seid“, sagte er und struwwelte ihnen die Haare. „Ihr seid ja richtige Männer geworden“, fügte er hinzu und seine Augen strahlten vor Vaterstolz.
„Vater dürfen wir mit dir gehen?“
Judas erhob sich und nickte der Frau zu, die die Jungen hergeführt hatte. „Ich habe eine wichtigere Aufgabe für Euch.“
„Was für eine?“, begeisterten sich die Knaben.
„Jetzt seid Ihr die Männer in der Familie und müsst Eure Mutter schützen, nicht wahr?“
Die Gesichter der Jungen sahen gespannt auf den Vater. „Wir wollen mit dir gehen und gegen die Römer kämpfen.“
„Auch das wird eines Tages geschehen. Und wenn ich nicht zurückkomme … nicht wahr, Ihr wisst, was Ihr macht?“
„Wir wissen es.“
„Was?“
„Was Großvater Mathias getan hat, was auch du tust, Vater. Du verjagst die Römer von unserem Land.“
„Genau so“, nickte Judas zubilligend mit dem Kopf. „Und wenn Ihr etwas nicht wisst, wen fragt Ihr da?“
„Zadok, den Lehrer.“
„So ist’s recht, nun geht in Euer Zimmer zurück.“
Die Knaben verbeugten sich und eilten den Weg zurück.
Die Frau schaute ihnen nach, bis sie sich entfernt hatten, und kehrte um. Ihr Gesicht war schön, doch voller Trauer. „Ich habe da etwas über die Römer gehört.“
„Mach dir keine Sorgen, Rahel.“ Judas trat auf sie zu, umarmte fest seine Frau und küsste sie auf die Stirn. „Die Jungen sind gesund und stark.“
„So ist es“, entgegnete die Frau. Über die glatte Haut ihrer Wange kullerte eine Träne. „Du kommst doch wieder, nicht wahr?“
„Wir haben das doch schon besprochen, Rahel. Mein Leben gehört dem Gott und nur er weiß, wie lange dies dauert. Wenn meine Zeit gekommen ist und ich nicht zurückkehre … geh mit den Knaben zu Zadok, er weiß, was zu tun ist.“
***
Sepphoris11 hatte erneut den Zorn der Römer herausgefordert. Schwarz ragten die Überreste der dem Erdboden gleichgemachten Gebäude in den Himmel, der über der Stadt verdunkelt war von dem Qualm, der sich immer noch von den glimmenden Feuern erhob. Die Luft war geschwängert vom Geruch von verbranntem Holz, Hausrat und menschlichem Fleisch.
Rom überschüttete mit aller Wut und Grausamkeit die Stellen, von denen der Aufstand des Judas von Galiläa ausgegangen war. Mithilfe der Bevölkerung hatte dieser die Kasernen besetzt und die gesamten Vorräte an Waffen entwendet, um seine Leute zu bewaffnen.
Jemand musste für diesen Frevel büßen.
Die Paläste der Reichen und die Tiere waren verschont geblieben.
Es konnten sich nur die Menschen retten, die geflohen waren, als die römischen Legionen im Anzug waren. Die armen gefangenen Flüchtlinge wurden als Sklaven verkauft.
Die Verteidiger der Stadt hielten nicht lange aus, die meisten kamen in dem ungleichen Kampf um und die, die nicht getötet worden und in Gefangenschaft geraten waren, verfluchten ihr Schicksal, dass sie nicht in der Schlacht gefallen waren.
An beiden Seiten des Weges, der nach Jerusalem führte, waren unzählige Kreuze errichtet worden, an denen die gefangenen Aufständischen aufgehängt wurden. Es waren Tausende …
Einer von den Gekreuzigten war Judas der Galiläer.
8 Dynastie, beherrschte Judäa von Mitte des II. bis Mitte des I. Jh. v. Chr.
9 Ein gebogenes Messer.
10 Das transportable Heiligtum, von den alten Juden auch Mischkan genannt.
11 Die historische Hauptstadt von Galiläa, gelegen 6 Kilometer nordwestlich von Nazareth.
3
Zwei Jahre später
In der Luft lag ein Dunst, der den Horizont flimmern ließ. Die Bilder der brachliegenden Felder, mit Gestrüpp und einzelnen Bäumen übersät, glänzten unter den sengenden Strahlen der Sonne.
Auf dem staubigen Weg zog sich eine Prozession von Menschen entlang. Hier und da waren unter der Menge auch einige Wagen zu sehen. Männer, Frauen und Kinder strömten aus allen Teilen Galiläa herbei. Die Zeiten und die Wege waren nicht sicher, deshalb bewegten sie sich gruppenweise. Keiner wagte es, allein zu reisen. Man erzählte sich die ungeheuerlichsten Geschichten über Räuber, die den Reisenden auflauerten, um sie auszurauben. Manche bezahlten die Reise mit ihrem Leben.
Ein Esel schleppte sich mit gesenktem Kopf und zog einen mit Stühlen und Tischen beladenen Wagen. Ab und zu wedelte er mit dem Schwanz, um die Fliegen zu vertreiben, die ihn belästigten.
Ein Mann hielt mit einer Hand die Zügel und lief ruhig vor dem Tier einher. In der anderen Hand hielt er einen dicken Stock, auf den er sich stützte. Unter dem langen Gewand waren stramme Waden zu sehen, um die lederne Riemen von Sandalen gebunden waren. Er war nicht groß, eher untersetzt, doch hatte er starke Arme. Auf seinem Kopf trug er ein gewickeltes Tuch, um sich vor der Sonne zu schützen. Er hatte ein breites Gesicht, eine große fleischige Nase und einen kurzgeschnittenen grau melierten Bart. Schon viele Jahre hatte er auf dem Buckel, doch sein Körper war noch rüstig.
Sein Name war Josef, er wohnte in Nazareth. Er hielt seine Familie mit allerlei Arbeiten über Wasser, die er finden konnte, in seinem Heimatort oder auch in den umliegenden Dörfern – als Bauarbeiter, Steinmetz oder Zimmermann. Er stellte auch Wagen her, solche, wie eben der Esel einen zog. Und wenn er keine Arbeit fand, drehte er nicht Däumchen, sondern fertigte Möbel. Darin war er Meister.
Doch sie waren zu Hause schwer zu verkaufen, denn die Menschen waren arm, und deshalb musste er auf die Märkte in den großen Städten ziehen. Er war geschickt, arbeitsam und ehrlich, seinem Namen begegnete man mit allgemeinem Respekt.
Hinter dem Leiterwagen trippelten zwei Knaben daher. Auch sie trugen auf ihren Köpfen ein gewickeltes Tuch, doch die sengende Sonne schien ihnen nichts auszumachen. Sie spürten keinerlei Müdigkeit vom langen Weg, hielten oft an, um einen sonderbar geformten Stein zu bestaunen oder eine sich in der Sonne aalende Eidechse zu verjagen, die augenblicklich davonstob, als sie sie bemerkte. Sie schossen Steinchen