Der Anfang vom Rest des Lebens. Dominique Haring

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Название Der Anfang vom Rest des Lebens
Автор произведения Dominique Haring
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991311546



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laut aus. Im gleichen Moment war sie über sich selber verwundert. Normalerweise war sie glücklich, wenn sie diese Worte las. Aber dieses Mal rollte ihr eine Träne über die rechte Wange.

      »Wieso weine ich? Wieso bin ich so traurig?«, dachte Isabell verwundert.

      Isabell wurde in ihren Gedanken unterbrochen, als sie die Haustür ins Schloss fallen hörte und Nick rief: »Ich bin zu Hause.«

      Rasch wischte sich Isabell die Träne von der Wange und nahm die noch nicht ausgepackten Tüten und versuchte, sie hinter ihren Kleidern auf dem Boden zu deponieren, ohne dass man sie sehen konnte. Dann ging sie die Treppe runter und sah Nick in der Küche, wie er sich gerade ein Glas Weißwein einschenkte.

      »Möchtest du auch?«, fragte Nick.

      »Ja gerne«, antwortete Isabell mit einem Blick auf die Uhr, die bereits 19:31 Uhr anzeigte.

      »Wo warst du, Nick? Ich wusste nicht, dass du noch irgendwohin wolltest. Und warum kommst du erst jetzt wieder?«

      Nick drückte Isabell das Glas in die Hand und antwortete ungehalten: »Muss ich dir irgendeine Rechenschaft ablegen? Ich kann doch nach Hause kommen, wann ich will, oder? Wir haben gerade mal halb acht und nicht drei Uhr in der Früh. Außerdem bist du doch diejenige von uns beiden, die den ganzen Tag mit Eve unterwegs war, oder?«

      »Sorry, Nick. War nicht so gemeint. Es sieht dir sonst nur nicht ähnlich, ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen, wegzufahren.«

      »Wenn es dich interessiert, ich war noch in Blackpool, um mir noch einmal das neue Ladenlokal für die nächste Filiale anzuschauen und dann habe ich noch was in der Stadt erledigt. Es hat ja schließlich noch jemand Geburtstag in zwei Tagen!«

      »Entschuldige bitte, Nick. Sei nicht eingeschnappt«, versuchte Isabell die Situation zu retten und ging auf Nick zu, um ihm einen Kuss zu geben und somit zu signalisieren, dass es ihr leidtat.

      Nick nahm den Kuss nur halbherzig an und drehte sich kurz danach weg mit den Worten: »Ich gehe jetzt duschen. War auch für mich ein langer Tag.«

      Isabell schaute Nick hinterher. Dann nahm sie die offene Flasche Wein und ihr Glas und setzte sich auf die Couch im Wohnzimmer, deckte sich mit ihrer kuschligen Wolldecke zu und schaltete den Fernseher an.

      Kapitel 4

      Isabell wurde von einem leisen Klicken wach und öffnete langsam die Augen. Es war Morgen. Sie hatte die ganze Nacht auf der Couch verbracht. Sie musste wie ein Stein geschlafen haben, da sie sich nicht erinnern konnte, aufgewacht zu sein. Dann hörte sie Motorengeräusche und schaute aus dem Fenster. Sie sah Nick, wie er wegfuhr.

      »Wo fährt Nick denn jetzt hin? Und warum hat er mich nicht geweckt?«, fragte sich Isabell laut und etwas verärgert.

      Isabell beschloss, unter die Dusche zu gehen und dann nochmal genau zu überlegen, was mit Nick los sein könnte. Denn irgendwie war er in den letzten Tagen und Wochen doch etwas seltsam.

      Als sie mit einem Handtuch auf dem Kopf und einem weiteren Handtuch fest um ihren Körper gewickelt aus dem Bad ins Schlafzimmer kam, sah Isabell ihr Handy aufleuchten. Sie nahm es in die Hand und schaute nach. Sie hatte eine neue Nachricht, nein, zwei Nachrichten!

      Die erste Nachricht war von Eve:

      10:02

      »Wie hat Nick der Inhalt der kleinen Tüte gefallen? «

      Ein wenig genervt und die Augen rollend, wischte Isabell die Nachricht weg und nahm sich vor, darauf später oder gar nicht zu antworten.

      Dann noch eine Nachricht. Diese war von Nick:

      10:13

      »Kommst du frühstücken? Der Tag ist viel zu schön, um sich zu streiten. Ich habe auch deine Lieblingsbrötchen geholt und Kaffee ist auch schon fertig.«

      »Da war er also vorhin hingefahren«, dachte Isabell und konnte sich jetzt ein kleines Lächeln nicht mehr verkneifen. »Also doch alles gut und Nick ist nur ein wenig überarbeitet.«

      Nick und Isabell frühstückten ganz in Ruhe. Danach beschlossen sie, dass trockene und sogar leicht sonnige Wetter auszunutzen. Nick ließ die Arbeit Arbeit sein und so machten Nick und Isabell zuerst einen ausgiebigen Spaziergang an der Küste. Nach fast fünf Kilometern an der frischen Luft wollten beide dann nur noch auf die Couch. Dort verbrachten sie den restlichen Nachmittag und schauten gemütlich einen Film bei einer leckeren Tasse Kaffee für Nick, einem heißen Tee für Isabell und ein wenig Gebäck, das Nick ebenfalls morgens vom Bäcker mitgebracht hatte. So ließen sie den Tag langsam ausklingen und gingen nicht all zu spät schlafen.

      Es war Montag und Isabell wachte in dem Wissen auf, dass sie wieder ein Jahr älter geworden war. Sechsunddreißig Jahre waren für sie alt. Wo war die Zeit geblieben? Wo waren die letzten sechsunddreißig Jahre nur hin? Sie drehte sich zu Nick um und musste zum Erstaunen feststellen, dass er gar nicht mehr im Bett war. Isabell schaute auf den Wecker. Es war 09:52 Uhr. Nick musste schon lange zur Arbeit aufgebrochen sein. Isabell hatte sich heute extra freigenommen, weil sie keine Lust hatte, sich im Büro feiern zu lassen. Der erste Gedanke, den Isabell hatte, war Kaffee. Also zog sie sich ihren Bademantel an und ging runter in die Küche. Auf der Küchentheke stand ein Strauß mit weißen und rosa Rosen. Darunter lag auf einem Teller ein Cupcake mit der Aufschrift »Alles Gute». Daneben lag eine Karte.

      Morgen Geburtstagskind

      Ich wollte Dich nicht wecken.

      Genieß den Tag voller Ruhe. Ich versuch nicht so spät zu Hause

      zu sein. Ich habe für 19 Uhr einen Tisch reserviert.

      Happy Birthday!

      »Das werde ich«, sagte Isabell.

      Sie wollte den Tag für sich haben und ihn in Ruhe ohne Stress verbringen. Schließlich war es nicht nur ihr Geburtstag, sondern auch der Todestag ihrer Mutter. Dadurch, dass sie kurz nach ihrer Geburt verstorben war, war der 23.09. umso bedeutender für Isabell. Dieser Tag schnürte ein enges gedankliches Band zu ihrer Mutter.

      Nach dem Kaffee wollte Isabell als erstes ihre Mutter besuchen fahren. Brian, Isabells Vater, hatte sich damals für eine Verbrennung entschieden und so den Wunsch seiner Frau akzeptiert. Sie wollte, anders als Brian, nicht in einem Grab verrotten, sondern lieber Eins werden mit dem Meer. Da es kein Grab gab, an dem Isabell ihre Mutter hätte besuchen können, folgte sie an dem Tag immer einer alten Tradition, die sie früher zusammen mit ihrem Vater und später alleine durchführte. Isabell kaufte die Lieblingsblumen ihrer Mutter, weiße Chrysanthemen, und fuhr damit zur Küste. Genau an die Stelle, an der die Asche ihrer Mutter verstreut wurde. Isabell hatte immer ein Foto dabei, auf dem ihr Vater und ihre schwangere Mutter abgebildet waren. Sie hielt das Foto fest in der Hand, gedachte ihrer und gleichzeitig ihrem Vater und warf die Blumen ins Meer. Dann atmete Isabell die Küstenluft noch einmal ganz intensiv ein und verabschiedete sich mit den Worten: »Ich denke an euch. Ich liebe euch. Ich trage euch in meinem Herzen.«

      Wieder zu Hause angekommen, machte sich Isabell einen schönen Tag. Sie ging erst einmal gemütlich in die Badewanne und verwöhnte anschließend ihren Körper mit einer neuen Lotion, machte sich danach die Fuß- und Fingernägel und ihre Haare bekamen auch endlich mal wieder so viel Aufmerksamkeit, wie sie schon lange dringend nötig hatten. Im Anschluss an die Körperpflege folgte ein ausgedehntes Frühstück, wobei der Cupcake nur eine Nebenrolle einnahm. Ein kleiner Prosecco durfte auch nicht fehlen. Ans Telefon ging Isabell nur bei Eve und Peter. Alle anderen waren ihr an diesem Tag egal. Sie würde sich einfach am nächsten Tag zurückmelden und sich entschuldigen, dass sie das Handy nicht gehört hat.

      Pünktlich um 18:30 Uhr saß Isabell mit einem Glas Weißwein auf einem der Barhocker in der Küche. Sie hatte sich ihr Haar locker hochgesteckt und sich ein langes, enges schwarzes Kleid angezogen. Für darunter hatte sich Isabell für die aufreizende Wäsche von Victoria’s Secret entschieden. Sie schaute langsam ungeduldig auf ihre goldene Armbanduhr. Es war bereits zehn vor sieben. Isabell versuchte,