Название | Rafiki Beach Hotel |
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Автор произведения | Peter Höner |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783038551126 |
Der Polizeiassistent Mwasi betritt das Büro seines Chefs und reisst Tetu aus seinen Gedanken. Er bringt die ausgefüllten Papiere, mit denen Tetu ihn am frühen Morgen losschickte. Tetu muss den zuverlässigen, aber manchmal doch ein bisschen übereifrigen Beamten beschäftigen. Mwasi ist jung, will nach Oben, und darum wundert sich Tetu auch nicht, dass ihm sein Assistent eröffnet, er habe Neuigkeiten im Fall Lady Gertrud. Eine Geschichte, die er, Tetu, sich weigert, überhaupt als Fall zu betrachten.
«Gertrud Hornacker war die Geliebte von Omar Said, einem «Beachboy», der sich ‹Jambo› nennt, nicht unbedingt sehr originell, aber...»
«Das wissen wir.»
«Ja, aber, was wir nicht wissen: Das Verhältnis dauert schon über Jahre und die beiden, so hat man mir erzählt, haben sich zerstritten. Und ...» Mwasi schaut sich triumphierend um: «Ich weiss warum.»
«So?»
«Said lernte die Schweizerin vor gut zwei Jahren kennen. Er trennte sich gerade von seiner Frau. Er hat zwei Kinder, zwei Mädchen, neun und sechs Jahre alt, sie blieben beim Vater, der mit den Mädchen bei seiner Schwester wohnt, einer ebenfalls geschiedenen Frau, die mit dem Sohn des Eseltreibers Kamani verheiratet war ...»
«Dem Sohn des Eseltreibers Hamischi Kamani, der die Frau gefunden hat?»
«Genau. – Und Said und der Sohn des Eseltreibers sind Freunde ...»
«Obwohl der eine die Schwester des andern versetzt hat?»
«Wer wen versetzte, weiss ich nicht. Auf jeden Fall sind sie vorgestern Nacht zusammen mit Saids Dau nach Malindi losgefahren.»
«Ja, gut, und was beweist das?»
«So warten Sie doch. – Dieser Said war ein armer Teufel. Seine Dau lag schon über ein Jahr auf dem Trockenen, das Schiff wurde mehr oder weniger aufgegeben. Said arbeitete als zweiter Mann auf der Dau seines Exschwagers. Dort muss er, Frühling 1986, Lady Gertrud kennengelernt haben. Auf einem ihrer ersten Ausflüge. Die beiden haben sich auf Anhieb grossartig verstanden, fragen Sie nicht warum, aber ...»
«Zur Sache!»
«Auf jeden Fall sorgte Lady Gertrud, noch bevor sie nach Europa zurückkehrte, dass Saids Dau repariert wird. Nicht nur irgendwie. Heute ist das Schiff eines der schönsten. ‹Jambo Dau›. Aber das ist noch lange nicht alles. Vor gut einem halben Jahr kaufte sich Gertrud ein Haus in Shela, eines der schönsten Häuser und auf wessen Namen lauten die Papiere?»
«Jaja. Wir haben den falschen Beruf.»
«Omar Said! Er und sein Exschwager leiteten den Umbau des Hauses; er und sein Exschwager segeln zusammen nach Malindi, und ausgerechnet der Vater des einen findet, kaum sind die beiden auf und davon, eine Leiche, die immerhin den einen der beiden zu einem der reichsten Männer von Shela macht.»
«Aber das ist doch Quatsch, mein lieber Mwasi. Phantasie gut. – Was für ein Interesse sollte denn dieser ‹Jambo› haben, seine Freundin zu beseitigen?»
«Wussten Sie, dass das ‹Rafiki› verkauft wird? – Das hat mir der Hotelmanager heute Morgen erzählt.»
«Das wird doch immer verkauft. Seit ich in Lamu arbeite, wird das ‹Rafiki› verkauft.»
«Jaja, stimmt, aber wissen Sie, wer sich dafür interessiert?»
«Ja, ich weiss es, weiss es schon lange. – Deswegen liess ich auch die Leiche noch gestern Abend auf Spuren von Gewalt untersuchen, so weit so etwas überhaupt noch möglich war.»
«Und?»
«Nichts. Ertrinkungstod durch Erschöpfung.»
«Vielleicht wurde sie gehindert, an Land zu schwimmen?»
«Von ‹Jambo›? Das ergibt doch keinen Sinn?»
«Sie haben sich zerstritten. – Es heisst, sie wollte das ‹Rafiki› kaufen und er, das wird da draussen erzählt, er wollte damit nichts zu tun haben. – Warum? Ja, das konnte mir auch niemand sagen. – Aber ich weiss es, das heisst, ich vermute es: Er hatte, was er braucht, seine Dau und ein Haus. Was ihm fehlt ist eine Frau, eine Frau, die er liebt, denn die Frau, die Weisse, geht ihm auf die Nerven. – Stellen Sie sich vor: Ihre Geliebte kauft ein Hotel und Sie dürfen arbeiten, immer unter Kontrolle der älteren Dame, die Ihre Mutter sein könnte.»
Der Verdacht Mwasis, Gertrud Hornacker könnte eines nicht natürlichen Todes gestorben sein, ist Tetu gestern ebenfalls durch den Kopf gegangen, doch das Resultat der Untersuchungen des Arztes war so klar, dass er seine Theorie wieder fallen liess. Mwasis Entdeckung, dass Said und der Sohn des Eseltreibers Kamani verschwägert sind, verschiebt das Bild, das er sich über die Geschichte machte. Immerhin gibt es Leute, die am Tod der Frau ein Interesse haben. Mwasis Vermutungen allerdings hält er für ein Hirngespinst.
Shelas Badestrand beginnt hinter dem Hotel «Rafiki». Er schwingt sich um die Sanddünen, rund dreizehn Kilometer lang um die halbe Insel, ein wunderbarer, sauberer Sandstrand, dessen einziger Nachteil ist, dass er kaum Schatten bietet, es sei denn, man verkriecht sich hinter ein Palmengestrüpp in den Dünen, wo es aber um diese Jahreszeit, wenn die Winde vom Festland kommen, so heiss ist, dass man kaum in Versuchung kommt, sich dort für einen längeren Aufenthalt einzurichten. Mettler hockt sich gleich hinter dem «Rafiki» auf eine Steinbank. Der Strand besteht hier nur aus einem schmalen Sandband, und wer in die offene Bucht hinaus will, muss an der Bank vorbei.
Mettlers Zustand hat sich verschlechtert. Der kräftige Mann, in Tücher gewickelt und mit Sonnenhut, ein armer Tourist aus Europas Winter, Sonne und Hitze ausgeliefert, vom plötzlichen Klimawechsel überfordert, sieht elend aus. Die Leute, die, braungebrannt, an Mettler vorbeischlendern, können sich denn auch kaum ein mitleidiges Lächeln verkneifen, was Mettler, trotz seines miesen Zustands sehr wohl bemerkt und auf den Tod nicht leiden kann. Er ist nicht zu seinem Vergnügen da. Und schweissgebadet sitzt er frierend auf dem Posten.
Viel zu sehen gibt es nicht. Vor allem keine verliebte Gertrud Hornacker in Begleitung eines fröhlichen Schwarzen, die sich vor Mettlers Nase in den Wellen tummeln.
Vielleicht fünfzig Meter entfernt hat sich ein junges Ehepaar mit Kind niedergelassen. Mettler, der in den Leuten seine Tischnachbarn von gestern Abend zu erkennen glaubt, schaut dem Vater zu, der seine Tochter oder seinen Sohn bis zum Hals in den Sand eingräbt, was dem Kind zu gefallen scheint, wenn wahrscheinlich auch nur deshalb, weil es den Umstand geniesst, dass der Vater mit ihm spielt, wohingegen die Mutter die Aktivitäten des Vaters mit wachsender Besorgnis verfolgt. Als dann der idiotische Vater dem Kind auch noch einen, allerdings leeren, Sandeimer über den Kopf stülpt, geht das, nicht dem Kind, aber der Mutter, entschieden zu weit, und leicht hysterisch scheint sie ihren Mann anzuherrschen, mit seinem blödsinnigen Spiel aufzuhören, ein Misston, der auch das Kind verunsichert, so dass es jetzt, worauf Mettler schon lange gewartet hat, losbrüllt, den Vater ins Unrecht setzt und zur Mutter will.
Ein Pärchen kommt vom Strand zurück, eine Weisse mit ihrem schwarzen Freund, wobei nicht ganz klar ist, ob der Kenianer die Frau nicht eher belästigt. «Sombrero» mit seiner Eistasche geht an Mettler vorbei, ohne ihn zu bemerken, ein älteres Ehepaar mit einem Hund, der nach den anrollenden Wellen schnappt, sie anbellt, ein blödes Vieh, eine Gruppe Weisser, herausgeputzte Schönlinge um eine schwarze Puppe. Ein weiteres Pärchen, sie weiss, er schwarz, wieder nicht die Hornackersche aus Bassersdorf, er trägt ihre Badetasche, sie, viel Fett in einem zu knappen Badeanzug, balanciert auf einem angeschwemmten Holzstück, um sich kreischend in die Arme ihres Begleiters zu werfen. Eine Familie, alle krebsrot und mit verschwollenen Gesichtern, ein dicker Schwarzer mit Hut, «Jambo Kenia», ein Mann und vier Esel, noch ein Pärchen, zwei Weisse, eine alte Frau unter einem Regenschirm, eine Gruppe lärmiger Kinder, ein weiterer Hund ... aber keine Gertrud Hornacker.
Mettlers Zustand verschlechtert sich zusehends. Zur nicht mehr lokalisierbaren Übelkeit kommen Kopfschmerzen,