Название | Rafiki Beach Hotel |
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Автор произведения | Peter Höner |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783038551126 |
«Nur nicht kotzen, nur nicht kotzen».
In Lamu helfen ihm freundliche Hände an Land und Mettler, ohne wirklich zu wissen, welchen Weg er einzuschlagen hat, versucht, den Weg ins «Kwaheri Guesthouse» zu finden. In der Hauptgasse und sich auch in die richtige Richtung vorwärts tastend, wird er, kurz vor dem Ziel, vom Zug des Wahlsiegers überrascht, der auch diesen Abend mit Gefolge und Trara durch die Stadt zieht. Der ungebändigte Umzug drängt Mettler zurück, zwängt ihn ein und lässt ihn hin und her taumeln, schwemmt ihn mit sich fort. Im Gewoge der tanzenden und verschwitzten Leiber, wie ein Ertrinkender verzweifelt um sich greifend, spürt Mettler wie seine Kräfte nachlassen. Eine schwarze Welle wehender Buibuis rollt drohend auf ihn zu, und er stolpert, fällt in Arme, gleitet zu Boden, lässt die Woge über sich zusammenschlagen.
Wie Mettler in sein Zimmer gekommen ist, weiss er nicht. Jetzt liegt er, ausgezogen und in eine warme Decke eingewickelt, unter dem Moskitonetz in seinem Lamubett, ein kühlendes, nasses Tuch auf der Stirn. Die Sonne ist untergegangen. Auf das Tischchen zwischen den beiden Betten hat jemand etwas zu trinken hingestellt, ein paar Bananen liegen dort, aber, obwohl Mettler Appetit hat, was er mit einer gewissen Freude registriert, bleibt er liegen, rührt sich nicht, schläft sogar wieder ein und erwacht, bestimmt ein paar Stunden später – der Mond ist längst aufgegangen – weil jemand im Dunkeln unter seiner Dusche steht und duscht. Erstaunt richtet er sich auf und macht sich mit einem leisen «Hallo?» bemerkbar, das aber vom Duschenden nicht gehört wird, so dass Mettler annimmt, jemand habe das Zimmer verwechselt, oder Simon der Hausbursche habe seinen Rettern das falsche Zimmer gezeigt. Vielleicht täuscht er sich auch, die Dusche ist nicht seine, sondern die von nebenan, oder wo auch immer, irgendwo, und um den Gast unter der Dusche nicht zu erschrecken, auch von einer Hoffnung durchzuckt, die er nicht sofort wieder zerstören möchte, bleibt er einfach liegen und wartet, bis der fremde Besuch seine Dusche beendet hat und sich das Missverständnis von selbst aufklärt. Endlich wird der Duschvorhang vorsichtig zur Seite geschoben und im Mondlicht erkennt Mettler die Gestalt einer Frau, die, in ein Tuch gewickelt, mit den Füssen nach ihren Schuhen angelt.
Die nächtliche Besucherin glaubt, Mettler schlafe. Sie nähert sich ihm und setzt sich auf das freie Bett ihm gegenüber, um den Mann zu betrachten, den sie längst vergessen hat. Er scheint sich kaum verändert zu haben. Sie hatte ihn immer als grossen, schweren Mann in Erinnerung, verglichen mit den Männern der Insel ohnehin, die klein und schmächtig sind. Mettlers kurzer Haarschnitt, der sie, die Mettler nur mit langen Locken kannte, erst daran zweifeln liess, ob dieser Mann wirklich Mettler sei, gefällt ihr besser als die damalige Löwenmähne und die markanten Gesichtszüge, die sein Gesicht heute dominieren, ihm etwas Hartes geben, was sie nur natürlich dünkt, ist er doch älter geworden, imponieren ihr, strahlen die reiferen Züge doch mehr Verbindlichkeit und Verlass aus als die knabenhaften vor gut zwanzig Jahren.
Mettler schaut auf die Frau, die er im Mondschatten, eine dunkle Silhouette vor dem hellen Nachthimmel, nur erahnen kann und ergänzt die dunkle Gestalt, die voller und weiblicher ist, als das schlanke, grosse Mädchen, das er kannte, mit den Zügen seiner Erinnerung, was ihm aber nicht recht glücken will, so dass er versucht ist, Licht zu machen, eine Idee, die er aber wieder verwirft, genauso wie er es nicht wagt, die Frau anzusprechen, weil er Angst hat, er könnte sich täuschen und alles sei eben doch nur ein Traum, die Folge eines Sonnenstichs, der Bilder von Vergangenem in die Gegenwart hinüberzerrt. Im besten Fall liegt er in einem Krankenzimmer oder am Ende gar zu Hause, ist noch nicht in Lamu, sondern in einen langen, mühsamen Traum verstrickt, aus dem er, mondempfindlich wie er ist, langsam erwacht.
Er liegt da und schweigt, bemüht sich kaum, die Fäden seiner Erinnerung zu entwirren. Er schaut auf die Frau und wartet, wartet, dass sie etwas sage oder sich erhebe, vielleicht hinausgehe, was er, ohne zu wissen warum, bedauern würde, denn die Ruhe, die sich in ihm ausbreitet, schreibt er der Gegenwart dieser Frau zu, wer immer sie auch ist.
Die Frau hat den Mann nicht zurück erwartet. Sie hat sich ihr Leben längst ohne ihn eingerichtet und jetzt, nachdem ein Zufall ihr denselben Mann ein zweites Mal in die Hände spielt, weiss sie nicht, ob sie sich darüber freuen soll.
Als sie den Mann auf der Strasse erkannte, er ihr sozusagen in die Arme fiel, sie ihn mit Hilfe von ein paar Freunden in sein Gasthaus brachte, übernahm sie, ohne lange zu überlegen, seine Pflege. Aber jetzt? Sie sitzt ihm gegenüber, und während sie in seinen Zügen nach Altvertrautem forscht, überfallen sie Erinnerungen an ihre kurze Bekanntschaft, die so entscheidend für ihr weiteres Leben wurde. Und, quasi als Rechtfertigung, weshalb sie hier sitzt, zählt sie in Gedanken die Stationen ihrer Geschichte auf.
Sie sieht sich als junges Mädchen, wie sie, trotz dem Verbot der Eltern, sich mit den Fremden einlässt, sie fast täglich unter dem Vorwand, ihre Verwandten in Shela zu besuchen, mit ein paar anderen Mädchen zu den Weissen in die Dünen läuft. Sie erinnert sich an den Moment, wo sie mit ihm zum ersten Mal allein ist. An seine schüchterne Zärtlichkeit. Ihre kindischen Spiele und ernsthaften Versuche, einen gemeinsamen Weg zu finden. – Mit welcher Pedanterie bestand er darauf, dass sie seine Sprache lernt. – Und doch war alles immer wieder nur Vorwand, um sich zu berühren, anzufassen, zu drücken und an sich zu ziehen. Sie, die Ähnliches noch nie erfahren hatte, überliess sich ihm immer hemmungsloser. Ein Rausch, der sie herausriss aus ihrer Armut und in einen Gabentempel setzte, dessen paradiesischen Ausmasse ohne Ende schienen.
«Meine Alice im Wunderland» hatte er sie genannt, bis er eines morgens nicht mehr da war.
Dass sie schwanger war, konnte er nicht wissen, vermuten allerdings schon, doch da alle ihre Briefe unbeantwortet blieben, sie nichts mehr von ihm hörte, liess ihr Stolz es nicht zu, dass sie ihm die Geburt eines Sohnes mitteilte, obwohl ihre Freude damals nicht gross war, im Gegenteil, sie in Schwierigkeiten geriet, die sie kaum bewältigen konnte. Für die Männer Lamus kam sie als Ehefrau nicht mehr in Frage. Ihre Familie schämte sich. Sie und ihr Kind wurden ins Haus gesperrt und totgeschwiegen.
Sie floh nach Malindi, dem nächsten, grösseren Touristenort. Sie hoffte, Arbeit zu finden, ein Auskommen für sich und ihren Sohn, kannte eine entfernte Verwandte, die ihr vielleicht helfen würde. Dass die Frau als Tänzerin in einem Nachtclub arbeitete, wusste sie, was dies für die Frau bedeutete, nicht. Immerhin verhalfen ihr die wenigen Sprachbrocken, die er ihr beigebracht hatte, zu einer Sonderstellung unter den Mädchen, und tatsächlich genügten die wenigen Floskeln für ein Geschäft, bei dem ohnehin nicht viel gesprochen wird. Vor ein paar Jahren kehrte sie nach Lamu zurück.
Nein, sie hat keinen Grund, sich über das plötzliche Auftauchen Mettlers zu freuen.
Alice weiss nicht, wie lange sie schon dem Mann gegenüber sitzt, der sie anzuschauen scheint, ohne sie zu sehen. Entschlossen in den nächsten Minuten zu gehen, bricht sie ihr Schweigen und sagt: «Du weisst, wer ich bin?»
Mettler, den die leise Frage aus seinen Träumen reisst, antwortet nicht sofort, sondern murmelt, eher fragend und mehr für sich als an die Frau gerichtet: «Alice aus dem Wunderland?»
Alice steht auf, geht zum Stuhl, auf dem ihre Kleider liegen, lässt das Badetuch fallen und zieht ohne Hast ihre Kleider an.
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