Rafiki Beach Hotel. Peter Höner

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Название Rafiki Beach Hotel
Автор произведения Peter Höner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038551126



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zu haben, ihn von der Brücke zu stürzen, vielleicht auch nur zu verscheuchen, denn offenbar halten sie ihn für einen gefährlichen Eindringling, der entweder ihren Brutplatz gefährdet oder ihnen eine Beute streitig macht. Zu seinem Unglück erkennt er, dass die Brücke nirgends hinführt, sondern im freien Himmel plötzlich abbricht, auch schrumpft, zum schmalen Seil wird. Einer der Vögel, der im Sturzflug und laut schreiend auf ihn einstürmt, bringt ihn aus dem Gleichgewicht, so dass er ins Leere tritt und fällt.

      Mettler fährt hoch, schweissgebadet und mit dröhnendem Kopf. Der Luftzug des Ventilators, der sich auf seinem Sockel hin und her dreht, bläst in seinen Aktenstoss, den er sich, mehr aus Pflichtbewusstsein, denn aus Interesse, aufs Bett gelegt hat. Irgendwo in der Stadt scheinen sich Leute zu versammeln. Eine Trommel wird geschlagen. Ein Esel schreit. Vor dem Fenster lärmen ein paar Kinder.

      Als der Polizeiassistent Mwasi nach fast zwei Stunden über die Dünen an den Badestrand zurückkehrt, weiss er mehr. Das Haus Lady Gertruds fand er verschlossen, als ob die Weisse abgereist wäre, obwohl niemand etwas von einer Abreise gewusst zu haben schien. Nicht weit vom Fundort der Ertrunkenen findet er in einem Palmengebüsch ein Badetuch mit den Initialen G.H. und eine Sisaltasche, die ausser einem farbigen Baumwolltuch, einer Kanga, und einer angebrochenen Packung Zigaretten leer ist. Die Badeutensilien der Ertrunkenen?

      Unten, in der Gasse, braucht Mettler nur dem rasch wachsenden Menschenstrom zu folgen, der dem Lärm entgegen drängt und ihn, der es durchaus nicht eilig hat, mit sich zieht, so dass er, viel schneller als erwartet, auf dem Plätzchen ankommt, wo sich die Leute zu einer Art Kundgebung versammeln. Bereits drängen sich über hundert Menschen, vor allem Frauen, die Mettler in ihren schwarzen Buibuis an Vögel erinnern, um einen tanzenden Kreis junger Männer, der sich in der Mitte des Platzes um einen Mann in einer Sänfte gebildet hat. Zu den Schlägen einer grossen Trommel, sich gegenseitig mit einander über die Schultern gelegten Armen haltend, stampfen die Burschen den Trommelrhythmus in den Sand. Viele Frauen rauchen, ziehen ungeschickt an offensichtlich grosszügig verteilten Gratiszigaretten oder feuern die halbnackten Tänzer zu immer wilderen und geradezu obszönen Bewegungen an.

      Einige Leute strecken ein Plakat mit dem Portrait des Mannes in die Luft, der in der Sänfte sitzt, woraus Mettler schliesst, dass es sich bei der Kundgebung um eine Wahlveranstaltung handelt, oder bereits um den Wahlsieg, denn es ist offensichtlich, dass sich der Mann in der Sänfte feiern lässt. Unter den Transparenten fällt ihm die symbolische Erschiessung eines weissen Elefanten auf, der einmal im Wasser steht und, nach seinem Exitus durch eine Frau mit einem Kindergewehr, auf dem Rücken liegt. Ein Protest gegen die reichen Weissen, die sich in Lamu einquartieren? Vielleicht ist es aber auch nur die simple Bitte, die Elefanten, die durchs flache Meer auf die Nachbarinsel waten, zu vertreiben.

      Mettler, der sich an eine Hauswand lehnt, schaut dem Geschehen neugierig zu. Er geniesst das Aufblitzen der Augen aus den Schlitzen der Buibuis, das ihm gilt, wenn auch nicht dem Mann, so doch dem Fremden, und das in gewisser Weise mit ein Grund dafür war, weshalb er den Lamu-Auftrag angenommen hat.

      Mit Lamu, das er als Jugendlicher besuchte, damals sowohl einem Hippiekult verfallen, den er mittlerweile über Bord geworfen hat, als auch die Privilegien geniessend, die ihm seine Herkunft aus einer begüterten Familie boten, verbindet ihn nicht nur das sorglose halbe Jahr, das er hier mehr oder weniger vertrödelte, sondern auch eine erste grosse Liebe, von der er später nie wieder etwas gehört hat, an die er sich aber sehr wohl und gern erinnert.

      Das Tanzen, Klatschen, Schreien, Singen nähert sich immer mehr einem ekstatischen Höhepunkt. Staub wirbelt in die Luft, eine sonnendurchflutete Glocke über den schweissglänzenden Menschen. Plötzlich, ohne dass jemand der Menge ein Zeichen gegeben hätte, beginnt sich diese, stadteinwärts zu drängen und zieht gleich einem Spuk an Mettler vorbei, der versucht, dem Druck der erhitzten Körper, den trampelnden Füssen auszuweichen, indem er sich an die Hauswand presst. Teils erheitert, teils sich vor dem stechenden Schweissgeruch ekelnd, lässt er den schwarzen Umzug der Vogelfrauen vorübergleiten, der einem nächsten Platz entgegeneilt, von wo bereits wieder das Krächzen der Trompete und der mächtige Trommelschlag herüberdringen, bis er allein auf dem Plätzchen übrigbleibt und sich verwundert seine Augen reibt.

      Zu seiner Freude entdeckt er ein Gartenrestaurant mit dem etwas dümmlichen Namen «Coconut Inn». Mit seinen Palmen, Bananenstauden und Bougainvillien ohne Zweifel für Touristen gebaut, lädt es dazu ein, hier, bevor sich die Hauptgasse in der Enge der niederen Häuser verliert und das Flanieren weisser Gäste als Provokation verstanden werden könnte, einen Saft zu trinken, um nachher, in der Meinung, Lamu sei mit diesem Lokal zu Ende, wieder umzukehren.

      Im Büro des Chefs der Kriminalpolizei liefert Mwasi seine Fundgegenstände ab und berichtet, was er in der kurzen Zeit herausgefunden hat:

      «Bei der Toten, die ertrunken ist, handelt es sich um eine Schweizerin, eine reiche Witwe, Gertrud Hornacker, was die Initialen ...»

      wichtig zieht er das Badetuch aus der Sisaltasche,

      «… hier: G.H. des gefundenen Tuchs beweisen. Auch haben verschiedene Leute in der Toten eben diese Frau erkannt. Dies musste schliesslich auch eine zweite Gruppe von Männern bestätigen, die anfänglich einen Gast des Hotels ‹Rafiki› in der Toten vermutete. Ein hinfälliger Verdacht. Die betreffende Frau hat sehr lebendig auf der Terrasse des Hotels gesessen.»

      Mwasis Witzchen wird mit einem Grinsen quittiert, was ihn zu einer genüsslichen Kunstpause verführt, dann fährt er fort:

      «Das Haus von Lady Gertrud, wie sie in Shela allgemein genannt wird, war leer und verschlossen, so dass ich folgende Theorie aufstellte, der ich auch sofort nachging und die sich ja dann auch durch den Fund der Badeutensilien bewahrheitet hat. Lady Gertrud, über die mir erzählt wurde, dass sie es liebte, jeden Abend über die Dünen in die Bucht zu wandern, um dort zu baden, nackt, was verboten ist, allerdings immer zu einer Zeit, da der Strand von gewöhnlichen Touristen längst geräumt und verlassen ist, muss auch gestern Abend zum Strand gegangen sein. Sie wird sich im Schutz des Palmengebüschs ausgezogen haben, um von dort zum Wasser zu laufen und ins offene Meer hinauszuschwimmen. Ebenfalls eine ihrer Gewohnheiten, von der sie sich, trotz der Warnungen der Leute nicht abbringen liess. Sie muss gewusst haben, dass die Strömungen, bedingt durch die weitläufigen Meeresarme des Archipels und die grossen Unterschiede zwischen Ebbe und Flut, gefährlich sind. Immerhin liess sie sich meistens von ‹Captain Jambo›, ihrem Liebhaber, begleiten.»

      Mwasi räuspert sich.

      «Nicht so gestern Abend. – Ihr Freund wollte mit einer Touristengruppe mit dem Einsetzen der Ebbe, kurz vor Mitternacht, zu einem Segeltrip nach Malindi aufbrechen und war um diese Zeit schon in Lamu-Stadt. – Ich habe das überprüfen lassen und bereits mehrere Zeugen gefunden, die gestern mit ‹Jambo› zusammen gewesen sein wollen. – Was nun genau auf dem Meer geschehen ist, weiss ich nicht, es wird wohl nie in Erfahrung zu bringen sein. – Ich vermute, die Frau, die dazu neigte, sich zu überschätzen, ist ertrunken.»

      Der Chef der Kriminalpolizei Tetu, seinen massigen Körper hinter seinen Schreibtisch gequetscht, als könnte er nur so das Auseinanderfliessen seines Leibes noch aufhalten, schwitzend und scheinbar ausschliesslich damit beschäftigt, einen untauglichen Tischventilator so zu regulieren, dass ein schwaches Lüftchen ihm vielleicht doch noch eine kleine Abkühlung verschafft, hört dem aufgeblähten Bericht seines Assistenten Mwasi missmutig und kommentarlos zu, denn, obwohl er auf Anhieb keine Schwachstellen in Mwasis Darstellung der Ereignisse sieht, gefällt ihm die Geschichte nicht. Die ganze Sache gefällt ihm nicht. Vor allem wenn er an den Papierkram denkt, die Schwierigkeiten, die sich kaum verhindern lassen. Die Schweizer Botschaft muss benachrichtigt werden. Angehörige werden sich einschalten. Und zu guter Letzt wird er, was er auch immer unternimmt, alles falsch gemacht haben. Wenigstens in den Augen der Weissen. Soweit er sich erinnern kann, hat er diese als Besserwisser erfahren. Lehrer, Priester, Kolonialherren, Entwicklungshelfer... Und darum sagt er auch jetzt noch nichts, nachdem Mwasi seinen Bericht abgeschlossen hat, sondern grübelt mit einem abgerissenen Streichholz den Dreck aus seinen Fingernägeln, um endlich, nach einem Blick auf die Uhr, etwas wie: «Damit lasst uns morgen weiterfahren», zu brummen, «für heute haben wir genug getan».

      Natürlich gibt es kein Bier. Doch der Tamarind-Juice,