Название | Rafiki Beach Hotel |
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Автор произведения | Peter Höner |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783038551126 |
Der Fortschritt wird seinen Einzug halten.
Die hellbeleuchteten Baggerschiffe, die Tag und Nacht zwischen den Inseln wühlen, die vielen unnötigen Lichter, aber auch die Touristen, die, jedes Jahr mehr, die Inseln besuchen, sind für Hamischi nichts anderes als Zeichen für Lamus Untergang.
Nur mit Abscheu erinnert er sich an die Zeit vor rund zwanzig Jahren, als die ersten Horden langhaariger und schmuddeliger Jugendlicher aus Europa in Lamu ankamen, die, kaum vorstellbar, die Kinder der einstigen Kolonialherren sein wollten. Überall in der Stadt rollten sie ihre Schlafsäcke aus, lagen nackt am Strand, wälzten sich im Sand, schliefen miteinander und berührten sich vor seinen Augen, dass er, der damals wie heute, mit seinen Eseln Bausand aus der Bucht in die Stadt transportierte, sich für die Weissen schämte. Die Schamlosigkeit der Fremden verdirbt Lamus Jugend, vor allem die Männer, die die weissen Frauen umschwirren wie die Fliegen den Scheissdreck. Auch sein einziger Sohn hat nichts anderes im Kopf als eine der oft älteren Damen zu erobern, von der er sich Reichtümer dafür versprechen lässt, dass er mit ihr ins Bett geht. Widerlich, ein Mann, der sich an eine Frau verkauft. Welches anständige Mädchen wird seinen Sohn noch heiraten wollen? Er wird ohne Enkel bleiben. Ein Gedanke, der Hamischi das Herz schwer macht. Die Vorstellung, nicht als Grossvater zu sterben, erschreckt ihn fast noch mehr als die Vision einer von Autolärm und Gestank erfüllten Insel.
In seinem Zimmer des «Kwaheri Guesthouse» legt sich Mettler sofort ins Bett. Es geht ihm gar nicht gut. Trotz der Hitze fällt er in einen ungesunden, dumpfen Schlaf, aus dem er mitten in der Nacht mit dem dummen Gefühl, nicht mehr zu wissen, wo er ist, hochschreckt. Sein Zustand hat sich verschlechtert und, sich mühsam aus seinem Moskitonetz schälend, schwankt er im Dunkeln auf die Toilette und erbricht sich fürchterlich.
L A M U : Dienstag, den fünften April ...
Trotz einer leichten Brise ist es auf der Hotelterrasse des Strandhotels «Rafiki» in Shela morgens um acht schon so heiss, dass die Hotelgäste es vorziehen, im kühleren Innenhof des Hotels zu frühstücken, wenn sie nicht noch in ihren Betten liegen. Zwei Angestellte des Hotels sind damit beschäftigt, die leeren Bierkisten in ein Motorboot zu schleppen. Das Geschepper der leeren Flaschen in den Kästen stört die morgendliche Ruhe, so dass der Hotelmanager auf der Terrasse erscheint und seinen Angestellten mit einen kurzen Pfiff zu verstehen gibt, sie sollten bitte leiser sein.
Der junge Belgier ärgert sich. Er glaubt zu wissen, dass sie ein gutes Arbeitsklima haben, die Kompetenzen sind klar, ihre Löhne anständig. Umso weniger versteht er, warum solche Kleinigkeiten, die er den Leuten schon hundertmal gesagt hat, nicht befolgt werden. Vor allem da er und seine Frau sich bemühen, nicht die Unerreichbaren zu spielen. Im Gegenteil, sie pflegen mit den Angestellten ein geradezu kameradschaftliches Verhältnis. Aber das «Rafiki» ist ein Hotel. Die Gäste sind hier, um sich zu erholen. Seine Frau und er, aber auch seine Angestellten, haben sich nach den Wünschen der Kunden zu richten und nicht umgekehrt.
Der junge Mann, dessen Kleidung in keiner Weise den Direktor verrät, der mit seinem Kikoi um die Hüften wie einer seiner Gäste aussieht, will ins Hotel zurück, als sich von Lamu mit grosser Geschwindigkeit ein Boot nähert, das Polizeiboot, das direkt auf den Strand vor dem Hotel zuhält. Noch bevor es aufläuft, springt ein Mann heraus, das Boot wendet und schiesst mit laut aufheulendem Motor wieder ins offene Wasser. Der Polizeiassistent Mwasi eilt mit nassen Hosenstössen, die Schuhe in der Hand, auf den Hotelmanager zu, den er schon von weitem erkannt hat und streckt diesem eine amtliche Verfügung entgegen.
«Eine Routineangelegenheit. Eigentlich müssten wir das jedes Jahr machen, aber ... Es sind ja keine Klagen laut geworden, nur: Nach dem gestrigen Badeunfall, Sie verstehen. Man weiss nie, plötzlich steht einer von Nairobi da. Schliesslich ist die Tote eine Weisse, da ist immer alles anders.»
Der Hotelmanager, der Mwasi kennt, erinnert sich nur ungern an den übereifrigen Beamten. – Das letzte Mal, eine Diebstahlgeschichte, wurde er anschliessend gezwungen, am Strand alle hundert Meter ein Schild aufzustellen, das vor Stranddieben warnt.
«When swimming guard property against thieves.»
Eine Einrichtung, die dem Ruf des Hotels, das ohnehin nicht als Tugendburg gilt, sehr geschadet hat. Die Papiere, die Mwasi dem Hotelmanager überreicht, betreffen die Kontrolle von Vorschriften, die zur Geschichte des Hotels gehören.
Das Hotel wurde vor gut zwanzig Jahren gebaut. In den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit Kenias musste das Hotel immer wieder für längere Zeit geschlossen werden, weil keine Gäste kamen, die wenigen Gebäude zerfielen, und dem Hotel drohte dasselbe Schicksal wie der gesamten Insel. Die Inselstadt, bald einmal nur noch von Alten und Frauen bewohnt, zerfiel zur Geisterstadt. Der einstige Reichtum und die blühende Wirtschaft wurden zur Legende und das malerische Fischerdorf Shela, kaum noch bewohnt, schien ein Opfer der Sanddünen zu werden. In den späten Sechzigerjahren wurde Lamu dann von den Hippies entdeckt, die auf der Flucht vor ihren Vätern vom friedlichen Leben auf unberührten Inseln träumten. Zwar wehrten sich die Bewohner Lamus gegen die ungebetenen Gäste, die sich in den verlassenen Häusern der Stadt einquartierten, die die anfängliche Gastfreundschaft der Leute von Lamu ausnützten und sich über die Sitten und Moral ihrer Gastgeber hinwegsetzten. Doch erst eine Reihe von Verordnungen der Stadtverwaltung – das Schlafen in den besetzten Häusern, Nacktbaden und das Campieren am Strand sind verboten – vertrieb die Blumenkinder wieder. Trotzdem gilt Lamu bis heute als Geheimtipp für junge Leute, wo sich für wenig Geld Ferien machen lassen. Von dieser Entwicklung profitierte lange Zeit das einzige Hotel auf Lamu, das «Rafiki». Viele der ehemaligen Hippies kehren als arrivierte Leute nach Lamu zurück, und da es die damalige Hoteldirektion verstand, die Enttäuschung der Jugendlichen wenigstens teilweise aufzufangen, gehören Ferien im «Rafiki» für Ehemalige durchaus zum guten Ton.
Diesem, wenn auch geschäftlich verbrämten, Verständnis verdankt das Hotel die sogenannten Sicherheitsvorschriften, die Mwasi nun überprüfen soll. Es sind dies einerseits Bestimmungen, die allgemeinen Gesichtspunkten entsprechen, wie die Kontrolle eines Rettungsrings, die Sicherheit der Ufermauern und so weiter, anderseits erinnern sie an die Zeit vor zwanzig Jahren, wie zum Beispiel das Campingverbot auf dem Hotelareal. Mwasi, der sich wichtig an seine Untersuchungen macht, hat denn auch nichts zu bemängeln, obwohl er an allem herummäkelt und immer wieder ein bedenkliches Gesicht macht.
«Das Geländer rings um die Terrasse ist zu wackelig und zu niedrig. Es könnte jemand ins Meer fallen, das bei Flut an die Hotelmauer klatscht. Der Kasten, in dem der Rettungsring aufbewahrt wird, muss besser signalisiert werden. Und, bitte, schauen Sie sich den Bootssteg an. Kriminell!»
Ein Vorwurf, den der Manager nicht auf sich sitzen lassen kann: «Der Bootssteg ist nicht Eigentum des Hotels. Vor Jahren habe ich, als Direktor und Manager, die Distriktverwaltung gebeten, den Bootssteg zu reparieren. Bitte, kommen Sie mir nicht mit Dingen, die mit ihrem Papier nichts zu tun haben.»
«Der Bootssteg ist eine Gefahr für Ihre Gäste, für die Sie verantwortlich sind, nicht die Stadtverwaltung. Unsere Leute sind doch auf einen Bootssteg gar nicht angewiesen. Ihre Gäste bekommen nasse Schuhe, wir...» Mwasi lacht, zeigt seine nackten Beine. «Wir sind nasse Füsse gewohnt. – Aber seit gestern, seit wir eine Tote, eine Badetote, haben ...»
«Die Frau ist kein Gast des ‹Rafiki›. Was hat das mit dem Bootssteg zu tun?»
«Ist es etwa keine Weisse?»
Gegen die Logik eines kenianischen Polizisten kommt der Hotelmanager nicht an. Kopfschüttelnd gibt er zu verstehen, dass er Mwasis Argumentation begriffen habe, noch eh dieser seine Gedankenkette ausgebreitet hat.
Er ist froh, dass eines der schwerfälligen Motorboote, ein Busbetrieb zwischen den Inseln und dem Festland, um die Ecke biegt und auf die Überreste eines zu dreiviertel zerstörten, eben des von Mwasi kritisierten Bootsstegs zusteuert. Der einzige Passagier, ein älterer, rundlicher Herr mit Halbglatze, versucht auf alle Arten, aus dem Boot zu klettern, vorwärts, rückwärts, bis er schliesslich vom Kapitän in die Arme genommen und auf den Steg gesetzt wird. Der Hotelmanager und Mwasi amüsieren sich über die Ungeschicklichkeit des kleinen Dicken, bis sich