Название | Rafiki Beach Hotel |
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Автор произведения | Peter Höner |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783038551126 |
«Hallo! Ist Ihnen nicht gut? Fehlt Ihnen etwas?»
Mettler erkennt in dem Mann, der ihn aufweckt, den Schnauzbärtigen von gestern Abend aus dem «Baobab Inn». Auch der andere steht neben ihm, der Dicke, zwei deutsche Freunde, die ihre Ferien auf Lamu verbringen, zwei Schwule, ja, so sehen sie aus, natürlich, darauf hätte er auch schon gestern Abend kommen können.
«Sie sollten nicht in der Sonne schlafen.»
«Bin ich eingeschlafen?»
«Demnächst wären Sie von der Bank gefallen.»
«Oh, vielen Dank. Vielen Dank, dass Sie mich geweckt haben.»
«Keine Ursache, aber: ‹Die Sonne schien ihm aufs Gehirn, da nahm er seinen Sonnenschirm.› – Man sollte seinen Struwwelpeter nicht vergessen.»
Der Polizeiassistent Mwasi weiss, wann er den Eseltreiber Kamani zu Hause überraschen kann, und kurz vor drei, bevor die Stadt aus ihrem Mittagsschlaf erwacht, macht er sich auf den Weg zu Kamanis Hütte.
Er mag den Alten nicht. Er misstraut ihm. Kamani gehört zu denen, die glauben, dass ihre traditionellen Rechte berücksichtigt werden müssen, ihre Privilegien als Alte. Eitle Starrköpfe. Bremsklötze auf dem Weg in eine moderne Gesellschaft.
Die Hütte Kamanis ist verschlossen. Seine Esel wühlen, nicht weit vom Haus entfernt, in einem Abfallhaufen. Mwasi klopft an die Tür, niemand antwortet. Kamani und seine Frau, seine Mädchen – Kamani hat nur einen einzigen Sohn, aber Mädchen, wer weiss wie viele – sind nicht zu Haus.
«Merkwürdig.»
Mwasi wartet im Schatten eines Mangobaums fast eine Stunde auf die Rückkehr Kamanis und seiner Familie. Vergeblich. Die Vögel sind ausgeflogen. Mwasi notiert sich Zeit und Datum in seinem Notizblock.
Die Terrasse des Strandhotels «Rafiki» ist bereits am früheren Nachmittag bis auf den letzten Platz besetzt. Gegen vier Uhr scheinen sich hier alle Touristen zu treffen. Wer nicht Gast des «Rafiki» ist, wartet auf ein Motorboot, das ihn zurück nach Lamu bringt, man erholt sich bei Bier und Fruchtsäften von den Strapazen des Tages und geniesst es, zu den Hotelgästen des «Rafiki» zu gehören.
Mettler hat sich durch die vielen Stühle und Tische in eine Ecke der Terrasse durchgeschlagen. Er findet einen freien Stuhl, lässt sich erlöst in die federnde Plastikschale fallen, um – zu spät – festzustellen, dass er sozusagen in den Armen Di Polluzzis gelandet ist, seinem Tischnachbarn von gestern Abend, dessen Geschwätz er für seinen Zustand mitverantwortlich macht. Zu seinem Ärger erkennt ihn Di Polluzzi sofort. Er ist freudig überrascht und, ohne Gespür für Mettlers Verfassung, nimmt er den gestrigen Abend zum Vorwand, Mettler erneut mit seiner Suada zu überschütten. Er erzählt ihm, dass er seit heute Morgen Gast des «Rafiki» ist.
«Jaja, hier, im Hotel ‹Rafiki›. Eigentlich bin ich ja für diese Art Hotel ein bisschen zu alt, die vielen jungen Leute. Es ist viel Neugier, nicht wahr, sich ein bisschen ausprobieren, schwarz und weiss und weiss und schwarz. Der Hotelmanager hat mir erzählt...»
Und er senkt die Stimme, lehnt sich näher zu Mettler und gibt flüsternd ein Geheimnis preis, das er doch für sich zu behalten versprach.
«... Ja, der Manager und Direktor, ein noch sehr junger Mensch, aber gewitzt, er leitet das Hotel zusammen mit seiner Frau oder seiner Freundin. Ich habe mit ihm gesprochen. Dies und das, über Afrika, Tourismus. Schwierig. Die meisten Gäste. Alles muss wie in Europa sein, besser, schöner, nur nicht so teuer. Und so ein junger Mensch. Ich meine, die beiden machen das grossartig. Alles sauber, die Zimmer wunderbar, das Personal, nett, korrekt, das Essen ausgezeichnet, aber vielleicht wissen Sie ja, dass das ‹Rafiki›, nicht wahr, als Direktor muss er natürlich dafür sorgen, dass der gute Ruf des Hotels nicht verdorben wird...»
und Polluzzi rückt noch einmal ein Stückchen näher,
«Das ‹Rafiki› ist zum Verkauf ausgeschrieben. Stellen Sie sich das vor, so ein Zufall: Heute Morgen sagte ich zu mir: Raffaele, nun bist du bald einmal sechzig Jahre alt... – Ja in drei Jahren, aber ich fühle mich noch jung, sehr, wie sagt man, lebendig. – Und ich fragte mich: Was hast du gemacht? Aus deinem Leben? Deinem Reichtum? – Du bist in der Welt herumgereist, du hast Frauen gehabt, die schönsten Autos, in den besten Häusern gehst du ein und aus. Doch was wird bleiben? Wohin gehörst du? Quo vadis, Raffaele? – Und? Nichts. Heimatlos. Ja, das habe ich mir gesagt, heimatlos bist du. Heute Morgen. – Und nun, dieses Hotel! Meinen Sie nicht, Shela sei ein wunderbares Fleckchen Erde, endlich, eine Heimat, ein Zuhause? – Wissen Sie, ein Hotel zu besitzen, war schon immer mein Traum. – Und eines Tages eingehen in die Sanddünen der Insel, die ewige Heimat der Di Polluzzi, jaja, das sind Träume, nicht. Aber sind wir nicht auf dieser Welt, Fleisch geworden, um Träume zu verwirklichen. Die Wahrheit des Lebens: Sein, was wir träumen...»
Mettler fiebert. Di Polluzzis Geschwätz kann er nicht folgen, aber auch das Leben auf der Terrasse des «Rafiki» nimmt er kaum wahr. Bilder und Stimmen verschwimmen, mischen sich mit längst vergessen geglaubten Erinnerungen. Er erlebt seine Umwelt wie in Trance, und sein Versuch, Polluzzis Redeschwall zu stoppen, bleibt ein unverständliches Lallen, so dass Polluzzi, der Mettlers seltsames Verhalten nicht mehr übersehen kann und ihn für betrunken hält, ihm schliesslich rät, mit dem nächsten Motorboot nach Lamu zurückzufahren.
Der Chefarzt des alten Spitals hockt verbittert auf einem wackligen Stuhl im Vorraum des Operationssaals. Er hat die Nase voll, hier kann man nicht arbeiten. Das neue Spital ist seit Monaten bezugsbereit, aber ihm legt man eine Leiche in den Operationssaal, verlangt, dass er in Gegenwart einer Toten operiert, Leben rettet, oder gar, wie im Augenblick, der Frau des Eseltreibers Kamani mittels eines Kaiserschnitts zu einer erfolgreichen Entbindung verhilft.
Nein, er macht es nicht.
Vielleicht braucht es einen Todesfall, um die Distriktverwaltung auf die unhaltbaren Zustände im alten Spital aufmerksam zu machen, vielleicht hilft nur eine totale Arbeitsverweigerung, ein unmissverständlicher Protest, der die satten Herren dazu veranlasst, ihre faulen Ärsche zu heben und den Neubau endlich abzunehmen. Aber soll deswegen die Frau des Eseltreibers sterben oder das Kind in ihrem Bauch?
Die Hebamme hat ihm schon vor einer halben Stunde mitgeteilt, dass die Plazenta der Frau vor dem Gebärmutterausgang liege, dass die Möglichkeit einer Schwangerschaftstoxikose das Leben von Frau und Kind gefährde. Ein Kaiserschnitt sei unumgänglich. Die Frau liegt im Operationssaal, die Familie des Eseltreibers lagert im Schatten der grossen Mangobäume, wartet und, der Arzt weiss es, erwartet die frohe Nachricht, dass dem alten Kamani ein zweiter Sohn geboren worden ist. Er kann die Gebete des Alten und seiner Töchter hören, das Wimmern seiner Frau.
Die Operation verläuft ohne Zwischenfall und noch während der Arzt die Wunde versorgt, trägt die Hebamme das Neugeborene, ein gesundes Mädchen, zur wartenden Familie unter dem Mangobaum. Die Mädchen sind begeistert, Hamischi gerührt und enttäuscht. Seine Alte. Immer nur Mädchen. Es bräuchte doch nur so wenig, ein Zipfelchen, und das kleine Geschöpf würde alle seine Träume, seine Wünsche erfüllen. Aber Allah hat es nicht gewollt, Allah braucht Mädchen, weiss der Himmel wofür.
Die Motorboote, die am späteren Nachmittag zwischen Shela und Lamu verkehren, lassen sich mit einem Sammeltaxi auf dem Festland vergleichen. Die Boote fahren los, sobald sie voll sind. Kurz vor der Abfahrt rennt der Kapitän noch einmal auf die Terrasse des «Rafiki», schreit, dass