Die Bewohner von Plédos. Richard Oliver Skulai

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Название Die Bewohner von Plédos
Автор произведения Richard Oliver Skulai
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991312833



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      „I wo“, erwiderte Äffchen, „es ist ja nur halb so schlimm! Zwar riechen die Pessianischen Weltmeere nicht besonders gut und es empfiehlt sich auch nicht, an ihren Stränden zu baden, zumal der Sand dort aus winzigen Windrütchen besteht, die nur darauf warten, die Badegäste mit einem dicken Kokon zu überziehen, während sie sich sonnen. Und so ist es nicht wenigen unserer Vorfahren während ihres Sommerurlaubes auf Pessian ergangen. Das war zu einer Zeit, als es noch eine Wissenschaft von der Raumfahrt gegeben hat. Aber ich habe dir die Hauptsache, nämlich die wundersame Schönheit des Planetenmondes Pessian, noch gar nicht erzählt. Es muss ja wohl auch einen Grund gehabt haben, dass es dazumal so viele Feriengäste nach Pessian gezogen hat und dass sogar mein Vorfahr, der hundertvierundvierzigmal Urgroßaff, der als ein rechter Pingelfritze bekannt war, die klare, frische Luft auf Pessian in seiner Chronik lobend erwähnt. Tatsächlich soll dort im Allgemeinen das herrlichste Wetter herrschen und zu gewissen Jahreszeiten pflegen sich die Kontinente des Planeten mit den kunstreichsten, wunderbarsten und farbenprächtigsten Burgen und Türmchen zu überziehen, in denen sich vor Jahrtausenden zahllose Feriengäste während ihres Sommerurlaubes durchaus heimisch fühlen konnten. Sie sonnten sich inmitten von skurrilen Gebäuden, Kapellchen und beweglichen Kathedralen, die sich durch das Ineinanderflechten von Billionen jener windrutenartigen Gliedertierchen wie von selber bildeten. Es war das reinste Ferienparadies.“

      „Und die Pessianer haben den Wesen unserer Welt von Plédos nichts getan?“, fragte zögernd der kleine Idan, und sein Gesicht begann sich aufzuhellen.

      „Und ob sie denen was getan haben“, rief Äffchen, „und ob! Über sie hergefallen sind sie! Mit Haut und Haaren haben sie sie aufgefressen!“

      „Au weh!“, ließ sich da der kleine Idan vernehmen.

      „Der einzige Überlebende“, fuhr Äffchen fort, „war mein Vorfahr, der hundertvierundvierzigmal Urgroßaff, der später die uralte Chronik verfasst hat. Mit knapper Not gelang es ihm, über den Raumbruch – so nannte man damals die Methode der interplanetarischen Raumüberbrückung – nach Plédos zurückzukehren. Da er aber seine Pubertät schon hinter sich hatte und ein alter, dummer Aff geworden war, hat er die Reisetechnik vollständig vergessen und das Geheimnis der interplanetarischen Raumüberbrückung ist der Nachwelt nicht überliefert worden. Er war der Einzige, der das hätte tun können, denn sämtliche Wissenschaftler, die davon wussten, waren aus Neugier nach Pessian übergesiedelt, wo sie alle umgekommen sind. Und mein hundertvierundvierzigmal Urgroßaff war eben der letzte Überlebende dieser Wissenschaftler, deren Siedlung an jenem schicksalsschweren Sommernachmittag vor siebentausend Jahren von Pessianern überfallen wurde. Es war ein teuflisches, organisiertes Massaker, das allen Abkömmlingen unserer Welt auf Pessian den Garaus machen sollte. Nun waren ja die Plédo-Affen zumindest damals gewiss die klügsten Wesen auf unserer Welt, vorausgesetzt sie waren noch in jugendlichem Alter. Und mein hundertvierundvierzigmal Urgroßaff hatte das Pech, gerade die Geschlechtsreife erlangt zu haben. Das hat nämlich bei uns Affen mit besonderer Reife gar nichts zu tun, sondern ist die Ursache für allgemeine Verdummung. So war es wenigstens damals. Es ist in diesem Falle auch der Grund, warum seit siebentausend Jahren kein Bewohner unserer Welt mehr nach Pessian gelangt ist.

      Kurze Zeit vor diesem schrecklichen Ereignis war übrigens schon eine ganze Schar von Plédo-Affen auf der Suche nach dem verborgenen Schatz im Tal des Todes spurlos verschwunden, alles Verwandte meines hundertvierundvierzigmal Urgroßaff. Das muss dem armen Manne einen zusätzlichen Schlag versetzt haben. So brachte er es auch am Ende nur noch zu Gestammel und tatsächlich bricht er gegen Schluss der Chronik in wildes Gegacker aus. Man hat die größte Mühe, etwas zu verstehen, und am Ende kann man nicht einmal die Schrift mehr lesen, da muss er völlig den Verstand verloren haben.

      Mit dem Tal des Todes hat es nun etwas ganz Besonderes auf sich, wie aus der Chronik hervorgeht: Es liegt am Fuße des riesenhaften, finsteren Berges Krogull, der weit über die Atmosphäre des Planeten hinausreicht und alles ringsherum mit seinem tiefen, schwarzen Schatten ertränkt, und es ist gewiss der grauenvollste Ort auf Pessian. Da der Berg Krogull sich auf der Morgenseite des Tales befindet und so den Sonnenaufgang verdunkelt, kann man dort überhaupt nur am Nachmittag oder gegen Abend die Hand vor Augen sehen.

      Dies ist das Tal, das dir kein Name nennt,

      das finstre Tal, das keinen Morgen kennt!

      So schrieb der hundertvierundvierzigmal Urgroßaff in seiner Chronik, während er heftig mit der geistigen Umnachtung seiner Spätpubertät zu ringen hatte. Wehmütig blickte er dem drohenden Verlust seiner Denkkraft entgegen und erinnerte sich dabei an die Finsternis des schrecklichen Todestals. Und weiter heißt es in dem Gedicht:

      Doch wie der Abend auf den Morgen weist

      und Morgensonnenlicht den Abend speist,

      so leuchtet auch das Gute auf im Bösen

      das finstre Tal vom Tode zu erlösen.

      Das Böse muss aus gutem Grunde sein,

      denn alles mündet in das Gute ein.

      Es ist die Harmonie, die alles hält

      und stützt, was lebt und atmet in der Welt.

      Aus ihrer Wahrheit ist die Wirklichkeit,

      mit Tod vermischt entsprang aus ihr die Zeit.

      Das Böse stammt aus Falschem, ist nicht wahr,

      hör, wie aus gutem Grund es trotzdem sich gebar:

      Die Freiheit lag zugrunde allem Sein,

      in Freiheit schloss das Böse selbst sich ein,

      und hat, als drin der Urgrund ward entleert,

      in einen finstren Kerker sich verkehrt.

      Der Schatz des innern Grundes glüht im Tal,

      glüht in der Nacht und leuchtet ihr zur Qual.

      Das Tal des Todes muss er überwinden

      und sich in hehrer Eintracht wieder finden.

      Einst wird die Nacht aus diesem Tale schwinden,

      und in der Morgenröte wird sich finden,

      dass aller Welten Grund die Liebe heißt,

      im Sieg erst ihre Gnade sich erweist.“

      „Das verstehe ich nicht“, sagte der kleine Idan.

      „Ich auch nicht“, sagte Äffchen. „Weißt du, wenn die Affen noch ganz klein sind, dann liegt so etwas wie ein seltsames Leuchten in ihren Augen, das sich bald darauf verliert. Sie sehen aus, als stammten sie aus einer fernen, anderen Welt und seien gar nicht von Affen geboren. Später dann, in jugendlichem Alter, werden sie Erfinder, Wissenschaftler und Vielwisser, wie ich einer bin. Dann werden sie sentimentale Dichter, die Dinge schreiben, von denen wir Jungen kein Wort verstehen, dann denken sie nur noch ans Essen und Trinken und schließlich verblöden sie vollends. Weißt du, ich glaube, das hat nicht immer so sein müssen, ich meine, das mit dem Verblöden. Es muss etwas mit dem Tal des Todes zu tun haben. Hauptsache aber, dass in dem Gedicht vom Schatz des innersten Grundes die Rede ist. So wissen wir wenigstens, dass es ihn gibt und welche Kräfte er in sich trägt. Den wirren Rest der Dichtung kann man wohl vergessen. Es sind bestimmt die ersten Symptome der Geistesschwäche.“

      „Merkwürdig kommt es mir aber doch vor“, sagte der kleine Idan. „Dass aller Welten Grund die Liebe heißt, im Sieg erst ihre Gnade sich erweist? Was soll das bedeuten?“

      „Musst nicht alles so ernst nehmen, was der alte Wirrkopf aufgeschrieben hat“, meinte Äffchen. „Viel wichtiger ist, in welchem Verhältnis der Komponische Märchenwald zu diesem Tal des Todes auf Pessian steht. Als nämlich in Urzeiten unsere Welt sich spaltete und Pessian aus ihr herausgerissen wurde, da trennte sich auch der riesenhafte Berg Krogull von ihr ab und riss eine tiefe Wunde in unsere Welt. Diese planetarische Wunde aber ist keine andere als die tausend Kilometer tiefe Ganganjer-Schlucht vor unserem Wald. Und an derselben Stelle, wo auf Pessian das Tal des Todes liegt – zu Füßen des Berges Krogull – da entstand auf unserer Welt der Komponische Märchenwald. So ist Pessian tatsächlich