Melea. Alexandra Welbhoff

Читать онлайн.
Название Melea
Автор произведения Alexandra Welbhoff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903861749



Скачать книгу

verharrte seine klauenbeschwerte Hand über Rions Kopf, bis Lea erneut brüllte.

      „Verschwinde, du widerliches Scheusal!“

      Sofort richtete er sich auf. Lea schaute entsetzt zu Geralt, der sich an Medon vorbeischieben wollte, doch dieser schickte ihn erneut zu Boden, indem er nur kurz den Flügel hob.

      Lea hatte inzwischen das Geländer erreicht und wollte sich daran entlang schieben, was Medon direkt mit seinen Flügeln unterband. Auch die andere Seite versperrte er. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um in sein Gesicht zu sehen. Dieses lag im Schatten, dennoch fiel ihr erst jetzt auf, wie groß er war. Er maß gute drei Meter, und mit ausgebreiteten Schwingen nahm er den gesamten Aufbau des Schiffes ein. Außerdem fiel Lea auf, dass er nun alles andere als amüsiert war. Sein furchteinflößendes Knurren ging ihr durch und durch, als er sich vorbeugte und ihre Oberarme packte. Dieses Mal vermochte sie es nicht, einen Schrei zu unterdrücken, da er zielgenau zwei Krallen in ihre Wunde presste und immer tiefer hineindrückte. Dabei hob er sie empor. Lea vergaß den Schmerz, als sie sein Gesicht erblickte. Die linke Hälfte war eine blutige Masse, wahrscheinlich, weil er sich die Brandblasen aufgekratzt hatte. Das Auge war als solches nicht mehr zu erkennen.

      „Das wollte ich nicht“, flüsterte Lea schockiert.

      Medon erwiderte nichts darauf, schloss allerdings seine Pranke noch fester um ihre Wunde, sodass die Krallen ihren Arm vollständig durchbohrten.

      Lea wurde schwarz vor Augen. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Kopf auf seine Schulter fiel. Aber sie schaffte es irgendwie, bei Bewusstsein zu bleiben und sogar ihre Augen zu öffnen. Sie sah dabei direkt in Geralts Augen, der voller Sorge zu ihr hochschaute. Matt und er waren dabei, den Inhalt zweier Öllampen auf Medons Schwingen zu gießen, was sie entsetzt zur Kenntnis nahm.

      „Nein“, keuchte sie.

      Medon riss ihren Kopf an den Haaren zurück und presste sie mit einem Arm an sich.

      „Siehst du meine Gedanken?“, fragte er knurrend.

      „Was? Wie meinst du das?“

      „Ist jetzt egal! Ich habe mich entschieden, dir dein Leben zu nehmen. Und niemand wird mich davon abhalten.“

      Lea stemmte eine Hand gegen sein Kinn und nahm die zweite zur Hilfe, um seinen Kopf wegzudrücken, was Medon jedoch ziemlich unbeeindruckt ließ. Er entblößte seine Zähne. Diese näherten sich unaufhaltsam ihrem Hals.

      „Verabschiede dich von deinen jämmerlichen Freunden. Obwohl, das ist gar nicht nötig. Sie werden dir in Kürze folgen.“

      „Das bezweifle ich. Und ich hoffe, du kannst schwimmen, denn fliegen wirst du ganz sicher nicht mehr.“

      Er gab einen verwunderten Laut von sich und legte sogar den Kopf etwas schief. Doch dann sog er witternd die Luft ein und knurrte aufgebracht, als er den Ölgeruch wahrnahm. Ruckartig drehte er sich um, jedoch zu spät.

      Jon hatte die brennende Fackel bereits geworfen, und die schwarzen Federn seiner Schwingen standen bald lichterloh in Flammen.

      Alle Männer warfen sich auf den Boden, als sich der Geflügelte im Kreis drehte. Dabei brüllte er aus Leibeskräften und schleuderte Lea gegen das Steuerrad, an dem sie benommen liegenblieb. Allerdings sah sie noch, wie er sich abstieß, ein paar Meter an Höhe gewann und dann wie ein Stein ins Meer stürzte.

      Geralt fiel vor Lea auf die Knie und zog sie in seine Arme.

      „Ich bin fast gestorben vor Angst. Ich dachte, ich würde dich verlieren“, keuchte er.

      Sie spürte sein rasendes Herz, aber noch viel mehr die Prellungen an ihrem Rücken. Sie schob ihn ein Stück zurück.

      „Hilfst du mir bitte hoch?“

      Mit Geralts Hilfe kam sie auf die Füße. Kaum dass sie stand, fiel ihr Blick auf ihren Vater.

      Der lag immer noch am Boden, und Geralt konnte nicht so schnell reagieren wie Lea loslief. Es waren nur wenige Schritte, bei denen sie heftig schwankte. Es war wohl eher nicht beabsichtigt, dass sie neben Rion hart auf die Knie stürzte. Doch sie gab keinen Schmerzlaut von sich und legte eine Hand auf Rions Wange, der daraufhin hochschreckte.

      „Das Meer hat den Bastard einbehalten.“

      Geralt drehte den Kopf zu Adaric, der ihm dies mitgeteilt hatte, und sah dann kurz zum Geländer, an dem Matt stand. Mit einer Fackel, die er an einem langen Speer befestigt hatte, leuchtete er das Wasser ab.

      „Allerdings konnten wir einen Schwarm von den Biestern sehen. Sie bewegten sich knapp unter der Oberfläche, und so wie es aussieht, ziehen sie Kreise um dein Schiff. Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen, sie warten nur auf den Befehl zum Angriff.“

      „Wird höchste Zeit zu verschwinden“, sagte Geralt, als plötzlich jemand aufschluchzte.

      Alle sahen zu Jon, der über der Leiche seines Sohnes kauerte und bittere Tränen vergoss.

      Tränen rannen auch über Leas Wangen, als sie hinter Jon zum Stehen kam und zögerlich eine Hand auf seine Schulter legte.

      „Es tut mir so schrecklich leid“, flüsterte sie.

      Unwirsch schüttelte Jon ihre Hand ab, sprang auf die Füße und schrie Lea an.

      „Das ist alles deine Schuld!“

      Sie wich erschrocken vor ihm zurück, doch er folgte ihr und hob sogar einen Speer auf. Adaric errang als erster die Fassung zurück und hielt Jon am Arm fest. Geralt baute sich schützend vor Lea auf.

      „Verfluchte Hexe! Nur ihretwegen ist er jetzt tot!“, brüllte Jon zornig.

      Rion führte Lea ein Stück weg.

      „Er meint es nicht so. Die Trauer trübt seinen Verstand.“

      „Jon meint es genau so, wie er es sagt“, sagte sie unter Tränen.

      Aus dem Augenwinkel bemerkte sie hinter dem Handgemenge zwischen Geralt und Jon eine Bewegung. Als sie dort hinsah, keuchte Lea entsetzt auf.

      „Das kann nicht sein“, flüsterte sie.

      „Was ist los?“, fragte Rion und folgte ihrem Blick.

      Hastig zog er sie ein paar Schritte fort.

      „Das ist unmöglich“, sagte er schockiert.

      2

      Geralt und Adaric ließen Jon entgeistert los und wichen ebenfalls zurück.

      „Aus welchem Grund schreist du so, Vater?“

      Jon drehte sich langsam um, starrte seinen Sohn an und sackte zusammen. Geralt ging neben Jon in die Hocke, wobei er Sander im Auge behielt. Der kam langsam näher, schaute in die Runde und dann auf seinen Vater herab, der bereits wieder zu sich kam.

      „Stimmt etwas nicht? Ihr seht aus, als hättet ihr einen Geist gesehen“, fragte Sander verunsichert.

      Lea ging auf Sander zu, wobei sie ihren Vater ignorierte, der ihr zuraunte:„Nicht, Lea!“

      Er wollte sie festhalten, doch Lea ließ sich nicht beirren und schüttelte seine Hand ab. Währenddessen half Geralt Jon auf die Füße, der sich nun auch ein Herz fasste und seinen Sohn ungestüm umarmte.

      „Du lebst! Den Göttern sei Dank, du lebst!“

      Lea blieb zwei Schritte vor Sander stehen und schaute ihn aus schmalen Augen an. Auch er sah sie über Jons Schulter hinweg an und schob seinen Vater von sich, bevor er fragte: „Kannst du mir sagen, was geschehen ist? Ich verstehe das alles nicht. Ich fühle mich so seltsam.“

      Lea räusperte sich und schluckte schwer.

      „Erinnerst du dich an die geflügelte Kreatur? Sie hat dich angegriffen.“

      Er legte den Kopf schief und schien nachzudenken, bis sich Jon vor ihm aufbaute. Mit seinem Zeigefinger fuchtelte er vor Leas Nase herum und sah sie bitterböse an.

      „Du wirst