Melea. Alexandra Welbhoff

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Название Melea
Автор произведения Alexandra Welbhoff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903861749



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das Gesicht des Wesens sehen konnte. Und dessen amüsiertes Grinsen. Dies veranlasste Lea, erneut zuzuschlagen. Sie landete einen Treffer auf der Nase. Außer einem unwilligen Knurren und dem Erlöschen seines Grinsens erfolgte jedoch keine weitere Reaktion.

      Also holte Lea erneut aus, doch dieses Mal fing er ihre Hand ab. Sander rutschte ein Stück nach unten.

      Die Kreatur hielt Sanders und ihr Gewicht jetzt nur noch mit einem Arm.

      „Melea, lass endlich los“, brüllte ihr Vater wieder.

      Der Geflügelte löste ihre Hand, ergriff grob ihr Kinn und zwang sie, in sein Gesicht zu sehen.

      „Dich werde ich mitnehmen. Wir werden eine Menge Spaß miteinander haben, kleine Schönheit“, grollte er mit tiefer Stimme.

      „Ganz sicher nicht“, keuchte Lea.

      Er hob Sander und somit auch sie höher, und Leas Gedanken überschlugen sich. Angespannt suchte sie nach einer Lösung, doch Sander wimmerte in einem fort, und unter ihnen herrschte das reine Chaos. Alle schrien durcheinander. Jon brüllte nach seinem Sohn, und Geralt und Rion riefen nach ihr. Das alles bekam sie mit, während sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Doch dann verschwanden die Geräusche plötzlich, und sie vernahm das Pochen ihres Herzens. Es dröhnte fast schon in ihren Ohren, als sie beobachtete, wie der Geflügelte den Mund aufriss, seine kräftigen Eckzähne entblößte und diese in Sanders Nacken rammte. Ihr Herz setzte aus. Als sie Sanders Namen brüllte, vernahm sie wieder die normale Geräuschkulisse. Und das Schmatzen des Geflügelten, der genüsslich Sanders Blut trank. Dabei hielt er immer noch ihren Kiefer fest, und es schien ihm nicht im Geringsten etwas auszumachen, dass sie nach ihm schlug und sogar seinen Unterarm aufkratzte.

      „Hör auf, du Bestie!“, schrie sie.

      Seine kalten Augen, mit denen er sie die ganze Zeit anstarrte, funkelten amüsiert. Heiße Tränen liefen über ihr Gesicht, als sie zu Sander schielte, der leise stöhnte.

      „Bitte, lass ihn gehen“, presste sie mühsam hervor, da der Griff der Kreatur um ihr Kinn fester wurde.

      Es war zu spät. Sanders Kopf fiel haltlos nach vorn, und Lea sah entsetzt den zerfleischten Nacken. Der Geflügelte lachte, als Lea zu würgen begann.

      „Verzeih, wie unhöflich von mir! Willst du auch was?“

      Er ließ ihr Kinn los, packte stattdessen ihren Hinterkopf und drückte ihr Gesicht in die blutende Wunde. Lea schrie gedämpft und schlug auf ihn ein, was jedoch nichts brachte. Sie krallte ihre Finger in seine langen Haare und riss heftig daran. Endlich nahm er seine Pranke fort, aber dafür ließ er Sander los und legte seinen Arm um ihre Körpermitte.

      Lea stöhnte auf, hielt Sander aber noch mit ihren Beinen fest. Zornig sah sie zu dem Biest auf. In dem Moment spürte sie, dass jemand an ihrem Hosenbein zog. Das rückte jedoch in den Hintergrund, als der Geflügelte nach ihrem verletzten Oberarm griff. Er drückte unerbittlich zu, aber Lea tat ihm nicht den Gefallen, zu schreien. Sie presste die Kiefer so hart aufeinander, dass diese protestierend knirschten. Die Schmerzen nahmen zu, als er nun auch noch die Kralle seines Daumens in den Verband drückte.

      Lea kämpfte darum, nicht besinnungslos zu werden. Dabei half ihr der Geflügelte, denn er schürte ihre Wut, als er sagte: „Lass ihn los! Ich brauche Platz für die nächste Mahlzeit.“

      „Niemals, du elender Mistkerl“, giftete sie ihn unter Tränen an.

      Lea wusste, dass sie verloren wäre, sobald sie Sander losließ. Außerdem wollte sie nicht herausfinden, ob er sich sofort ein neues Opfer holen würde.

      Der Geflügelte lachte dunkel.

      „Mistkerl? Du kannst mich ruhig bei meinem Namen nennen. Man nennt mich Medon.“

      „Mistkerl passt besser zu dir“, keuchte Lea.

      „Hoffentlich fällt den anderen langsam mal was ein“, dachte sie gequält.

      Genüsslich leckte sich Medon mit seiner schwarzen Zunge über die Lippen.

      „Außer seinen Augen und den Zähnen ist alles schwarz an ihm“, dachte Lea.

      Er hielt ihren Arm noch immer fest gepackt. Seine Augen funkelten vergnügt, als er fragte: „Es hat dir gefallen, nicht wahr?“

      Jemand schlug mit einem Gegenstand gegen Leas Bein.

      „Na endlich“, dachte sie erleichtert.

      Um den Gegenstand greifen zu können, musste sie allerdings den Arm lösen, mit dem sie Sander am Hemdkragen festhielt. Und sie befürchtete, da ihre Beine heftig zitterten und die Muskeln mit jedem Lidschlag mehr verkrampften, dass sie ihn dann nicht mehr halten könnte. Aber es war ihre einzige Chance. Sie nahm alle Kraftreserven zusammen, als sie ihre Hand löste und ganz langsam den Arm ausstreckte. Sie ertastete etwas Heißes. Ein leiser Fluch folgte, und als sich der Geflügelte anspannte und über Leas Schulter nach unten schauen wollte, ließ sie ­Sander los. Dies veranlasste Medon zu einem hämischen Grinsen, doch bevor er Sanders Absturz kommentieren konnte, riss Lea ihren Arm hoch.

      „Mistkerl!“, schrie Lea und rammte ihm die brennende Fackel ins Gesicht. Medon brüllte gepeinigt, schlug mit beiden Händen nach der Fackel, und Lea stürzte wie ein Stein in die Tiefe. Der Sturz dauerte keinen Lidschlag. Sie wurde von jemandem aufgefangen, der mit ihr zu Boden ging.

      Hastig rollte sie sich zur Seite und erblickte in vier Metern Höhe Medon. Er brüllte schmerzerfüllt und wutentbrannt zugleich, schlug kraftvoll mit den Flügeln und verschwand aus ihrem Sichtfeld.

      Lea sah sich hektisch um und entdeckte Geralt, der wankend auf dem Geländer stand. Er hatte ihr wohl die Fackel gereicht. Matt, Adaric und Jon standen, mit Speeren und Fackeln bewaffnet, um das Steuerrad herum. Dann fiel ihr Blick auf ihren Vater, der neben ihr lag und sich soeben aufrappelte.

      „Er hat mich aufgefangen“, dachte sie noch, bevor er sie ungestüm umarmte.

      Er schob sie jedoch schnell wieder von sich. Seine Augen weiteten sich, bevor er entsetzt flüsterte: „Du bist verletzt!“

      Rion fuhr mit dem Daumen sanft über ihr Gesicht, und Lea bekam feuchte Augen, weil sie direkt an Sander denken musste.

      „Es ist nicht mein Blut.“

      Über ihnen erklang das Rauschen mächtiger Schwingen. Ein furchterregendes Brüllen ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. Rion sprang sofort auf und zog Lea auf die Füße.

      „Hebt die Fackeln, er kommt zurück“, rief er.

      Medon rauschte über die anderen Männer hinweg. Rion schob Lea direkt hinter sich, hob den Speer und stach blitzschnell zu. Just in dem Moment, als Medon vor ihm landete. Die Speerspitze drang tief in den Hals der Kreatur ein, und Rion riss sie direkt wieder heraus. Dann fiel er auf ein Knie, so dass Medons niedergehende Pranke knapp über seinen Kopf hinwegrauschte.

      Derweil stachen die anderen Männer auf Medons Rücken ein, aber die ausgebreiteten Flügel und das dichte Federkleid schützten ihn vor schwerwiegenden Verletzungen. Erst als Geralt sein Schwert zog, hervorsprang und die Klinge in die Wade des Geflügelten stieß, erhielten sie dessen Aufmerksamkeit. Unerwartet schnell drehte er sich, brachte Geralt mit einem Flügel zu Fall und entriss ihm das Schwert. Dabei schnitt er sich selbst die halbe Wade auf, was Medon jedoch kaum zu spüren schien. Er kam sofort wieder hoch und trat mit voller Wucht gegen Geralts Brustkorb. Der rutschte einige Meter über die Planken, bevor er unsanft vom Steuerrad gebremst wurde.

      Medon ließ das Schwert achtlos fallen, spreizte die Flügel und fegte Jon, Adaric und Matt von den Füßen, bevor er sich zu Rion und Lea umdrehte.

      Rion duckte sich unter einer niedergehenden Pranke hinweg und hob direkt den Speer, um auf Medons Kopf einzustechen. Dieses Mal fing der Geflügelte den Speer jedoch ab, zog kraftvoll daran und schickte Rion mit einem brutalen Schlag seiner Rückhand zu Boden.

      Lea fiel neben ihrem Vater auf die Knie, rüttelte an seiner Schulter, jedoch vergeblich. Ihr Vater war bewusstlos, und als Medon sich zu ihr beugte, sprang sie hastig auf