Melea. Alexandra Welbhoff

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Название Melea
Автор произведения Alexandra Welbhoff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903861749



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      „Was ist es?“, fragte Lea.

      Niemand kam zu einer Antwort, denn in diesem Moment schoss etwas unter einem Sack hervor und auf Lea zu. Sie reagierte, indem sie den Dolch niederfahren ließ. Durch einen glücklichen Treffer nagelte sie es am Boden fest. Es wand sich zischend um den Dolch, und Mo, der neben Lea in die Hocke ging, meinte: „Es hat Ähnlichkeit mit einem Aal.“

      Das Tier war gut einen Meter lang und so dick wie Leas Oberarm. Die graue Haut sonderte Unmengen von Schleim ab, aber da hörte die Ähnlichkeit mit einem Aal auch schon auf. Wo normalerweise der Kopf sein sollte, befand sich ein rundes Maul mit hunderten von nadelspitzen Zähnen, die in mehreren Reihen bis in den Rachen hinein reichten.

      Mo bückte sich und begutachtete das seltsame Tier genauer.

      „Es scheint keine Augen zu haben“, stellte er fest.

      Lea stand auf und stellte einen Fuß einige Zoll unterhalb des vor Zähnen starrenden Mauls auf das Wesen. Dann zog sie den Dolch heraus und setzte diesen unmittelbar hinter dem vermeintlichen Kopf an, da, wo sie den Nacken vermutete. Die scharfe Klinge durchtrennte problemlos die ledrige Haut und das Fleisch, doch Lea wartete vergeblich auf den Widerstand der Wirbelsäule.

      „Seltsam, das Vieh hat anscheinend keine Knochen im Körper“, meinte sie irritiert.

      Der kopflose Körper zuckte und schlängelte sich wild hin und her, als Lea ihren Fuß wegnahm, doch der Kopf lag still. Mit dem Dolch drehte sie diesen auf die andere Seite, und sie sahen in ein großes blaues Auge.

      „Es hat ein Auge, um genau zu sein“, sagte Lea und blickte Mo an.

      „Gib mir mal einen leeren Sack.“

      Mo reichte ihr einen, und Lea warf mit Hilfe des Dolches die Überreste des Wesens hinein und verknotete den Sack.

      „Ich teile den Männern mit, wie sie die Viecher töten können“, sagte Lea und sah zu den Frauen, die wieder an der Wand kauerten.

      Getica, Livilia und Susan wichen furchtsam ihren Blicken aus. Lea wandte sich Mo zu, der sofort ihre feuchten Augen bemerkte.

      „Würdest du hier unten aufpassen?“

      „Natürlich, Lea!“

      Er beobachtete, wie Lea zur Treppe eilte und sah dann entgeistert zu den Frauen. Als das Geräusch der zufallenden Luke ertönte, schnaufte er verärgert.

      „Das kann doch wohl nicht euer Ernst sein. Nur weil sie eine besondere Gabe besitzt, lasst ihr sie jetzt im Stich? Weil sie anders ist? Sie hat euch soeben vor diesem Biest beschützt.“

      Er wandte sich Getica zu und herrschte sie erbost an: „Und gerade du! Lea hat vorhin ihr Leben für dich riskiert. Obwohl du sie derart hintergangen hast.“

      Die Frau ließ betrübt den Kopf hängen, und er blickte nochmal jede einzelne an.

      „Ich muss schon sagen, bei solchen Freunden braucht es keine Feinde mehr. Überlegt mal, was ihr der Kleinen damit antut. Ihr seid wie eine Familie für sie.“

      Mo drehte sich zornig um und rannte Respa fast um, die im Türrahmen stand. Sie bedachte ihn mit einem anerkennenden Blick und wollte ihm folgen, als er in Geralts Kajüte verschwand. Respa hielt inne und sagte: „Melea ist etwas ganz Besonderes und hat es nicht verdient, so von euch behandelt zu werden.“

      Leas Kleidung triefte vor Blut und Schleim, noch bevor sie einem der Männer begegnete. Sie bewegte sich an der Reling entlang, und sobald sich eines der Biester darüber schlängeln wollte, hackte sie den Kopf ab. So arbeitete sie sich immer weiter vor und traf unterwegs auf Sander, der mit einer Fackel hantierte. Auch er stand an der Reling und verbrannte gerade eines der Wesen, das zischend ins Meer zurückfiel. Als er sie erblickte, grinste er übers ganze Gesicht, da sie gerade einem Wesen den Kopf abschlug.

      Lea nickte Sander lächelnd zu und ging weiter, bis sie Matt und Jon entdeckte. Die beiden standen Rücken an Rücken und stachen mit Kurzspeeren auf die Kreaturen ein, was aber wenig Erfolg brachte. Lea rief ihnen zu: „Ihr müsst ihnen die Köpfe abschlagen, oder sie mit Feuer bekämpfen.“

      Sie selbst schlug noch einige Köpfe ab, bis sie schließlich bei Geralt, Adaric und Rion ankam. Auch ihnen teilte sie mit, wie die Wesen am besten zu bekämpfen waren und eilte wieder an die Reling.

      „Sander ist in der Mitte des Schiffes allein, und im Heck steht niemand“, rief sie über die Schulter hinweg.

      „Ich werde Sander helfen“, sagte Adaric sofort und lief los.

      Geralt unterließ es, die Biester mit seinem Schwert in mehrere Teile zu zerhacken und hieb jetzt nur noch auf die Köpfe ein. Rion schnappte sich eine Fackel, ließ den Speer fallen und zog sein Messer.

      „Ich geh zum Heck“, rief Lea, woraufhin er direkt zu ihr kam.

      Eigentlich rechnete sie damit, dass er sie wieder unter Deck schicken würde und war entsprechend überrascht, als er meinte: „Nicht ohne mich!“

      Am Heck des Schiffes hatten die beiden noch einmal viel zu tun, bevor die Invasion endlich nachließ und schließlich ganz verebbte. Erschöpft lehnte Lea am Segelmast und blickte zu ihrem Vater auf, der sich mit verschränkten Armen vor ihr aufgebaut hatte.

      „Sag mal, solltest du vorhin nicht nach unten gehen?“

      „Da war ich, und dort habe ich dem ersten Biest den Kopf abgeschlagen“, sagte sie grinsend.

      Rion schüttelte seufzend den Kopf. Matt lachte laut auf.

      „Sie ist halt ganz der Vater, ebenso dickköpfig“, sagte er.

      Rion drehte sich um und erblickte neben Matt auch die anderen Männer. Abgesehen von Jon grinsten alle breit, zumindest bis Geralt vortrat und Aufgaben verteilte.

      „Wir haben noch etwa eine Stunde bis zur Dämmerung. Wir sollten die Zeit nutzen und das Deck säubern. Dort draußen toben hohe Wellen, und die Planken sind glatt von Schleim und Blut. Ich will nicht, dass jemand über Bord geht.“

      Jon und Adaric kamen an seine Seite.

      „Wir sollten einige Tiere mit aufs Festland nehmen, sozusagen als Beweis.“

      Geralt nickte.

      „Das ist eine gute Idee. Nehmt euch eine Kiste und sammelt ein paar ein. Und die anderen schnappen sich Eimer und Schrubber.“

      Geralt und Rion besahen sich kurz darauf eines der Tiere genauer. Rion begutachtete das runde Maul mit den wulstigen Lippen.

      „Sieht aus wie die Kreatur, die sich an den Klippen hochgezogen hat.“

      „Es könnten Jungtiere sein“, meinte Geralt.

      „Wäre möglich, aber dann durchlaufen sie gerade mal das Larvenstadium. Denk mal an die monströse Größe der Kreatur, die wir gesehen haben“, sagte Rion und drehte das Wesen um.

      „Wo kommen diese Biester nur her? Ich habe noch nie ein Tier mit nur einem Auge gesehen, und die Farbe ist unglaublich. Außerdem ist es riesig, es würde bequem meine Handfläche ausfüllen“, stellte Geralt verblüfft fest.

      Kopfschüttelnd richtete er sich auf.

      „Ich werde den anderen helfen.“

      Die Männer hatten sich auf dem Schiff verteilt und säuberten das Deck. Auch Lea nahm einen Eimer und warf diesen an einem Seil ins Wasser. Während sie ihn wieder einholte, durchfuhr ein heftiger Schmerz ihren Oberarm. Zischend zog sie die Luft zwischen den Zähnen ein und ließ das Seil fahren, denn an ihrem Arm zappelte eines der Tiere. Hastig griff sie danach, da es sich um die eigene Achse drehen wollte, um ihr das Fleisch von den Knochen zu reißen. Mit einem unterdrückten Schrei zog sie an dem Tier, welches aber ihren Fingern entglitt. Sofort bäumte es sich erneut auf, um sich zu drehen. Der Schmerz war heftig. Lea schrie auf. Daraufhin kam Geralt angelaufen und starrte schockiert auf ihren Arm.

      „Es ist zu glitschig, ich kann es nicht packen“, stöhnte Lea beim nächsten Versuch, das Biest festzuhalten.