Название | Melea |
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Автор произведения | Alexandra Welbhoff |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783903861749 |
„Ahnen, nicht Geister! Und nein, es war ihnen nicht möglich“, antwortete Mo, wobei er sie ärgerlich ansah.
Respa hob abwehrend die Hände.
„Anstatt gleich aus der Haut zu fahren, könntest du mal langsam zum Ende kommen.“
„Ich wäre schon längst fertig, wenn du mich nicht ständig …“
„Ach was, erzähl endlich weiter.“
Mo schloss seine Augen und atmete tief durch, bevor er weitersprach.
„Ich brach zusammen, als die Seelen etwas in meinem tiefsten Inneren berührten. Dann verlor ich den Halt zur realen Welt.“
„Wie meinst du das?“
„Na ja, wenn mir die Ahnen etwas mitteilen wollen, bemächtigen sie sich meines Geistes. Auf diese Weise können sie mich mitnehmen und lassen mich die Antworten sehen. An jenem Abend war das allerdings anders. Ich hatte keine Fragen gestellt, und dennoch zeigten mir die Ahnen unglaubliche Dinge, teils aus der Vergangenheit und Gegenwart. Aber vor allem die Zukunft spielte eine Rolle.
In meiner ersten Vision offenbarten sie mir ein magisches Tor, das sich am Grund des Meeres öffnete. Es war riesig und flimmerte in verschiedenen Grüntönen. Zunächst war ich überwältigt und fasziniert von diesem Anblick, was sich aber schnell änderte. Denn kurz darauf strömten unzählige Wesen aus dem Portal. Es waren so unglaublich viele, und sie wirkten irgendwie missgebildet. Aber meine Sicht verschwamm, und ich sah Ruls in der Morgendämmerung. Der Sturm war vorbei, und die aufgehende Sonne tauchte die Strände in blutiges Rot. Das Licht passte zu den Kreaturen, die sich an die Ufer zogen.
Zuerst dachte ich, sie würden sterben, denn sie krümmten und wanden sich kreischend im Sand, aber das täuschte.“
„Inwiefern?“
„Bei diesen Kreaturen handelte es sich um Mischwesen. Ihre Oberkörper muteten fast menschlich an, doch anstelle der Beine besaßen sie Schwanzflossen, wie die von Nixen oder Wassermännern. Dies änderte sich, sobald sie vollständig am Ufer waren. Denn bereits nach kurzer Zeit zerfielen die Flossen, und darunter kamen Beine zum Vorschein. Dies ging recht schnell vonstatten, und schon bald standen sie auf ihren Füßen und marschierten in mein Dorf.
Ihre Köpfe erinnerten an verschiedene Meeresbewohner, überwiegend Haie. Ich sah aber auch Wesen mit Fangarmen, wie die eines Kraken. Oder welche, die über lange Stachelschwänze verfügten. Äußerlich unterschieden sie sich völlig, aber eines hatten sie alle gemein – es waren blutrünstige Bestien.
Jeder, der sich wehrte, wurde unerbittlich getötet, zerfleischt und zum Teil auch gefressen. Die anderen, die meisten von ihnen waren Frauen und Kinder, und ein paar Stammeskrieger wurden auf dem Dorfplatz zusammengetrieben. Dort erwartete sie ein Wesen, das die Fischköpfigen völlig in den Schatten stellte. Anderthalbmal so groß wie Geralt, kohlrabenschwarze Haut, muskelbepackt, eisige graue Augen, lange schneeweiße Haare und riesige schwarze Flügel. Er begutachtete jeden einzelnen Dorfbewohner, und bis auf drei wurden alle anderen fortgebracht.
Die Ahnen brachen dort die Verbindung zu mir ab, und ich wurde wohl bewusstlos. Als ich erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel, und ich war nicht mehr auf Ruls. Ich brauchte eine Weile, um herauszufinden, dass ich mich auf einer Nachbarinsel befand. Und bis heute ist mir schleierhaft, wie ich dorthin gelangen konnte. Aber da meine Heimatinsel nicht allzu weit entfernt war, baute ich mir ein schlichtes Floß und setzte über. Abgesehen von Kampfspuren und trockenem Blut fand ich nichts.
Fast einen Mond lang irrte ich über die Insel, in der Hoffnung, noch jemanden aus meinem Volk zu finden, aber ich war allein. Letztlich führte ich Totenrituale durch, auch wenn es an Leichen fehlte, und baute mir ein besseres Floß. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wieso ich dies tat. Wo sollte ich auch hin? Trotzdem sammelte ich einiges an Vorräten, füllte etliche Wasserbeutel und verstaute alles auf dem Floß. Ich tat diese Dinge wie in Trance, und heute denke ich, es waren die Ahnen, die mein Tun lenkten. Wie dem auch sei, in meiner letzten Nacht auf der Insel erwachte ich am Fuße des Feuerberges. Wieder einmal hatte ich keine Ahnung, wie ich dort hingekommen war, was mir in dem Moment auch zweitrangig erschien. Denn der Erdboden bebte, und der Berg spie plötzlich Rauch und flüssiges Feuer. Und mit den Feuerströmen kamen dann auch die Feuerfresser.“
„Feuerfresser? Was soll das sein?“
„Dazu komme ich gleich“, sagte Mo, wobei er ziemlich genervt klang.
Da Respa ausnahmsweise nichts dazu sagte, erzählte er weiter.
„Im Berg gab es einige tiefe Spalten und ein paar Höhlen, aus denen etliche dieser furchteinflößenden Kreaturen kamen. Starr vor Angst beobachtete ich, wie sie in den Magmaströmen badeten und die glühende Schlacke soffen. Und zu spät bemerkte ich das Ross, das wenige Schritte hinter mir stand.“
„Ross?“
Mo ignorierte die Frage.
„Ich spürte seinen kochend heißen Atem im Nacken und fuhr erschrocken herum, woraufhin sich das Magmaross direkt aufbäumte. Seine unglaubliche Hitze trieb mich zurück, aber es sprang mir sofort hinterher, und seine flammende Mähne streifte meine Schulter.“
Mo schob sein Hemd ein wenig zur Seite, um Respa die Brandnarben zu zeigen, die Schulter und Oberarm verunstalteten.
„Ich ging zu Boden und beobachtete entsetzt, wie es mit seinen Vorderbeinen aufstampfte. Ich konnte armdicke Muskelstränge sehen, die unter der schwarz-roten Haut hervortraten, und blickte nach oben in seine glimmenden Augen. Diese beobachteten mich tückisch, während ich auf dem Hintern von ihm wegrutschte. Ich schloss bereits mit meinem Leben ab. Aber es kam anders.
In mir regte sich etwas, und es fühlte sich an, als ob ich innerlich zerrissen würde. Ich weiß noch, dass ich den Mund aufriss, allerdings war es kein Schrei, den ich von mir gab. Die Ahnen des Wassers quollen aus mir heraus und sprangen sofort das Magmaross an. Dieses wieherte und schrie gequält, seine Haut dampfte, und als es ein paar Wasserelementaren gelang, in sein Maul einzudringen, wurde es stetig kleiner.“
„Es schrumpfte?“
„Ja, und nicht nur das. Es wurde zu einer kleinen Figur aus Lavastein, und nachdem dies geschehen war, kamen die Ahnen zu mir zurück. Sie waren sichtlich geschwächt und besaßen gerade einmal ein Zehntel ihrer vorherigen Größe. Doch darüber konnte ich mir keine weiteren Gedanken machen, denn der Berg bebte so heftig, dass ein Teil des Kraters einbrach. Mit einem ohrenbetäubenden Knall wurden unvorstellbare Massen an Lava und glühenden Gesteinsbrocken gen Himmel katapultiert.
Dies rüttelte mich aus meinem Schockzustand. Ich schnappte mir die Figur und rannte los. Wie oft ich wegen der bebenden Erde stürzte, vermag ich heute nicht mehr zu sagen, aber ich schaffte es irgendwie zum Strand.
Völlig erschöpft und zerschunden zerrte ich mein Floß ins Wasser und ruderte einige hundert Meter aufs offene Meer hinaus. Und von dort beobachtete ich, wie meine Heimat vom Feuer verschlungen wurde. Irgendwann schlief ich ein, und die Ahnen zeigten mir Visionen von der Zukunft. Ich sah eine Insel vor meinem geistigen Auge und eine junge Frau, der ich eines Tages zur Seite stehen sollte.“
Als er dies sagte, blickte er Respa vielsagend an.
„Hast du die Figur des Feuerwesens noch?“
„Ich hätte von dir so ziemlich jede Frage erwartet nach dem, was ich dir soeben erzählt habe, aber gewiss nicht diese. Um sie dir zu beantworten: Dies war auch Meleas erste Frage, nachdem ich Geralt, Rion und ihr meine Geschichte erzählt hatte. Und da sie völlig von dem Magmaross fasziniert schien, schenkte ich ihr die Figur. Aber nicht nur deswegen. Die Feuerahnen ließen mich damals schon wissen, wem sie diese Figur zugedacht hatten.“
„Nicht das einzige Geschenk, das du ihr heute gemacht hast, nicht wahr?“
„Wieso fragst du?“
„Ich sah in einer meiner Vision einen Meerstein, den sie um den Hals trug. Und ich fragte mich, von wem sie diesen