Название | Varius |
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Автор произведения | Adina Wohlfarth |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991072430 |
Abteil 1 begrüßte mich mit einem trägen Plopp, als die Tür aufging und wir hindurchtraten. Vor mir tat sich ein Raum auf, der etwas größer war als der, in dem ich gefrühstückt hatte. An den Wänden standen kleine, silberne Tische, auf denen Spritzen lagen oder andere medizinische Utensilien verteilt waren, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Hinter einem Tisch in der Mitte des Raums saß Amber Notker und musterte mich aus ihren wachsamen roten Augen.
Und neben ihr stand Luan.
Seine dunkelblonden Haare wurden durch Gel zurückgehalten. Die breiten Schultern waren angespannt und seine Züge kühl, wie ich es von ihm nicht kannte. Und seine Augen … Die grell-gelben Streifen begannen zu glühen, als er mich sah, und hoben sich dadurch außergewöhnlich vom dunklen Blau ab, das sie umgab. Doch ihnen fehlte jeder Funke von Menschlichkeit oder Spott, wie ich es sonst gewohnt war. Ich suchte seinen starren Blick, doch als er es merkte, wandte er sich ab.
„Wie ich sehe, hast du die Laserstrahlen gut überstanden“, brach Amber Notker das unangenehme Schweigen. Ich drehte ihr den Kopf zu und sah sie an. „Die Creme von gestern, weißt du nicht mehr?“, fragte sie und kam um den Tisch herum auf mich zu.
Automatisch wich ich einen Schritt zurück und stieß gegen Dexters Brust. „Ja, ich erinnere mich.“
Sie lächelte breit. „Schön.“ Ein paar Augenblicke stand sie einfach da und musterte mich, dann klatschte sie in die Hände und ging zurück zum Tisch. „Wie du inzwischen bestimmt mitbekommen hast, befinden wir uns in Abteil 1, der Säuberung.“ Sie stützte sich an der Kante des Tisches ab und ihre roten Augen bekamen einen beunruhigenden Schimmer. „Die Säuberung bedeutet nichts weiter, als dass ich dich untersuchen werde und deinen Namen in eine Liste eintrage, in der alle Mutanten von A bis Z zu finden sind.“
Aha.
Amber Notker stieß sich mit den Handflächen ab und ging mit langen Schritten durch den Raum zu einem der Tische. Sie griff nach einem Blutdruckmessgerät und kam damit zu mir. Ein dünner Schweißfilm bildete sich auf meiner Stirn, als sie es mir mit kalten Händen umlegte. Angestrengt starrte sie auf meinen Oberarm, dann hellten sich ihre Züge auf. „Sehr schönes Ergebnis.“
Zufrieden ging sie wieder und kam mit einer Spritze zurück.
Mir schwand langsam endgültig die Kontrolle.
Die Rothaarige reinigte meine Armbeuge, doch bevor sie mir etwas unter die Haut schob, dem ich absolut nicht vertraute, zog ich meinen Arm zurück.
„Ich will das nicht“, sagte ich mit zittriger Stimme.
Amber Notker hob eine Braue. „Was du willst, zählt hier nicht.“
Sie sah mich mit gespieltem Mitleid an. Mein Blick schweifte zu Luan, der immer noch stur an mir vorbeistarrte, und ich wurde wütend. „Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Ich weiß nicht, was ihr von mir wollt. Außerdem sind meine Eltern verschwunden und ich habe erfahren, dass mein Vater gar nicht mein Vater ist und habe mich bisher über nichts beschwert. Aber so langsam finde ich, sollten mir mal einige Fragen beantwortet werden.“ Meine Stimme überschlug sich fast und jetzt endlich sah Luan mich an. Ich hatte selbst keine Ahnung, warum ich plötzlich so mutig war und meine Gedanken laut ausgesprochen hatte, doch sobald ich die Angst in seinen Augen entdeckte, bereute ich es.
Ein Stich in meinem Arm ließ mich zusammenzucken.
Amber Notker, sie hatte mir die Spritze mit so viel Wucht in die Haut gerammt, dass dunkelrotes Blut hervorquoll und meinen zitternden Arm hinablief. „Nur, damit du es noch einmal aus meinem Mund hörst“, sagte sie kühl, „wir legen nicht besonders viel Wert darauf, was unsere Tester wollen“. Schwungvoll drehte sie sich zu Luan um. „Oder, was meinst du?“
Sein Blick flackerte, als er sie ansah, seine Augen dann jedoch an meinem Arm hängenblieben, der inzwischen vollkommen rot war. Die Wunde brannte wie Hölle. Ich presste zwei Finger darauf, doch es half nichts.
„Wir legen gar keinen Wert darauf“, presste Luan hervor und wandte sich ab.
Amber Notker lächelte süßlich. „Fein.“
Wütend sah ich sie an, doch sie hatte bereits das Interesse an mir verloren.
„Dexter, bring sie zurück auf ihr Zimmer. Carter wird gleich mit David hier auftauchen und vorher muss erst das ganze Blut entfernt werden“, wies sie an und erst jetzt merkte ich, dass mein Blut bereits eine kleine Lache zwischen meinen Füßen gebildet hatte.
„Ach, und Nellanyh“, Amber Notker drehte sich schwungvoll zu mir um.
„Morgen früh erfährst du die Ergebnisse deiner Blutwerte und je nachdem, wie sie ausfallen, wirst du dann morgen schon oder erst übermorgen in Abteil 2 gebracht.“
Ich spürte Dexters schwere Hand auf meiner Schulter, als er mich zu sich umdrehte und aus dem Raum führte, ohne dass ich einen letzten Blick zu Luan werfen konnte. Mein Begleiter führte mich mit schnellen Schritten den Flur entlang, ich kam kaum hinterher. Seine breite Brust verbarg mich fast vollständig, trotzdem entging mir nicht, wie mich die Erwachsenen musterten, an denen wir vorbeikamen.
Als wir das Zimmer erreicht hatten und eingetreten waren, sprang Lou sofort vom Bett auf. Mit vor Schrecken geweiteten Augen kam sie zu mir und starrte auf meinen blutverschmierten Arm. „Was haben sie mit dir gemacht?“ Ihre Stimme zitterte. Dann hob sie den Kopf und schaute an mir vorbei zu Dexter. Ihr Blick wurde kalt. „Ihr seid solche –“
Die Tür wurde aufgerissen und ein Beamter in Uniform erschien. „Lauffeuer in Abteil 5! Der Verantwortliche hat die Kontrolle verloren!“, rief er dröhnend. Dexter reagierte sofort. Innerhalb von wenigen Sekunden hatte er Lou angewiesen, mich zu versorgen, und war ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer gerauscht, vergessen, abzuschließen hatte er jedoch nicht.
Überrumpelt sahen wir uns an, dann fing sie sich als Erste.
Hastig verschwand sie im Badezimmer und kam kurz darauf mit Klopapier wieder. „Was anderes gibt’s nicht“, murmelte sie, während sich das Papier mit meinem Blut vollsog.
Eine Weile standen wir schweigend so da, bis die Blutung endlich aufhörte und Lou die roten Fasern von meiner Wunde zog. Zu sehen war noch immer eine kleine Einstichstelle und es brannte unaufhörlich, doch wenigstens musste ich nicht mehr meine Finger darauf pressen und das Risiko, zu verbluten, ging damit wahrscheinlich auch unter.
Sie führte mich zum Bett und ich ließ mich erschöpft darauf nieder.
„Warum warst du heute früh schon weg, als ich abgeholt wurde?“, fragte ich schließlich. Lou versteifte. „Sie wollten mit mir über die Blutproben sprechen, die sie gestern genommen haben.“
Ich beugte mich vor. „Und?“
Sie drehte den Kopf und sah mich direkt an. Ihre grün-braunen Augen waren dunkel. „Es sieht nicht gut aus. Anscheinend hat die Lasercreme nicht gewirkt und ich habe zu viele Strahlen abbekommen. Ich muss heute Abend nochmal in den Behandlungsraum, damit Amber Notker mir irgend so ein Mittel spritzt, das mich von den Strahlungen befreien soll.“ Sie zuckte mit den Schultern.
Ich rutschte näher an sie heran. „Das wird schon“, versuchte ich sie etwas zu ermutigen, scheiterte aber kläglich.
Ein Klopfen an der Tür ließ mich zusammenzucken. Lou warf mir einen verwirrten Blick zu und ich erhob mich zögernd. Normalerweise kamen doch alle immer ohne Vorwarnung hereingepoltert … Mit einem kurzen Blick über die Schulter drückte ich die Klinke nach unten und wurde stocksteif.
Luan musterte mich aus besorgten Augen und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Wie geht’s dir?“, fragte er mit rauer Stimme und neigte den Kopf.
Meine Unterlippe begann zu zittern. „Was kümmerst du dich darum?“
Er hielt inne, dann ließ er die Hand sinken und schaute an mir vorbei in den Raum. Ich versuchte, ihm den Weg zu versperren, doch er schob mich einfach zur Seite und trat ein. Wütend stieß ich die Tür hinter ihm zu und stockte.