Название | Kurzgeschichten, wie sie das Leben so schreibt |
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Автор произведения | Susanne Uenal |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991077114 |
Wie ein Häufchen Elend saß Manuela da. Sollte sie weinen oder lachen? Die Hitze machte ihr zu schaffen, dann der Flug, später die lange Abfertigung und Busfahrt – das war einfach zu viel. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf. Doch nur ein paar Sekunden lang. Ein heftiges Poltern und Fluchen sorgte dafür, dass Manuela ruckartig vom Bett aufsprang. Eine wütende Stimme befahl ihr, sie gefälligst aus dem Schrank zu befreien. „Ja, sag’ mal, Fränzi, wo steckst du denn überhaupt? Und was machst du im Schrank?“ „Frag’ doch nicht so blöd, du siehst doch, was passiert ist. Die Schranktür hat geklemmt. Darum bin ich in den Schrank gegangen und wollte von innen die Tür reparieren. Dabei sind mir die Tablare auf den Kopf gefallen. Und die Türe ist auch zu. Also hilf mir gefälligst wieder hinaus!“ Manuela kam der Aufforderung nach und öffnete die Tür. Doch als sie ihre Cousine verschwitzt und wütend am Boden sitzen sah, konnte sie nicht mehr. Sie lachte schallend los. Sie konnte sich einfach nicht mehr beruhigen. Fränzi schaute zuerst perplex, aber dann stimmte sie in das Lachen ein. „Na, das kann ja heiter werden!“ Fränzi rappelte sich wieder auf, und während sie die Tablare wieder installierte und ihre Kleider einordnete, putzte Manuela zuerst einmal ihr geliebtes Beauty-Case. Die kaputten Sachen warf sie fort. Aber schon nahte das nächste Unglück.
Fränzi stürmte aus dem Badezimmer. „Diese Türken haben nicht einmal Wasser! Das glaubt mir einfach keiner! Nicht mal duschen kann ich. Hör’ auf, Cousinchen, du musst gar nicht lachen. Hast du nicht vorhin gesagt, du müsstest dringend aufs WC? Ha, kannst du vergessen. Das WC funktioniert auch nicht!“ Beide standen mitten im Zimmer und schauten sich an. Lachen oder weinen? „Tja, Fränzi, du wolltest ja unbedingt in die Türkei!“ Sie entschieden sich fürs Lachen. Kurz entschlossen verließen sie ihr Zimmer Richtung Rezeption. Dort wurden sie beruhigt mit den Worten, dass sie gleich jemanden raufschicken würden für die Reparatur. Sie sollten sich doch in der Zwischenzeit die Hotelanlage anschauen und danach etwas trinken. Das taten sie dann auch. Zuerst aber begaben sie sich an den Strand. Der war wirklich herrlich und entschädigte sie für beinahe alles. Sie machten ein paar traumhafte Fotos.
Wieder beim Hotel, sahen sie sich die verschiedenen hoteleigenen Läden an. Vor einer Boutique standen zwei Türken, die sie grinsend von oben bis unten betrachteten. „Hallo! Einen schönen Tag wünschen wir!“ In fast perfektem Deutsch wurden sie angesprochen. Während Manuela nur kurz angebunden den Gruß erwiderte und schnell weitergehen wollte, blieb Fränzi prompt stehen und grüßte die beiden mit einem gekonnten Augenaufschlag. Das ist doch nicht zu fassen, flirtet die doch tatsächlich schon wieder, dachte Manuela und zerrte erbost am T-Shirt ihrer Cousine. „Denk’ an unsere Abmachung“, zischte sie ihr ins Ohr. Doch diese grinste nur; sie war definitiv wieder in ihrem Element.
Langsam schlenderten sie zurück in ihr Zimmer. Alles funktionierte nun tadellos. Nach dem Duschen fühlten sich die beiden schon erheblich wohler. Sie machten sich hübsch und begaben sich dann in das Restaurant fürs Nachtessen. Es wurde draußen serviert, d. h. einen Teil des Essens konnte man sich selber vom Buffet holen. Auf einer Bühne gab es eine Tanzvorstellung mit türkischer Musik. Manuela wurde vom Chef de Service auf Türkisch begrüßt. Das war wieder mal typisch. Selbst in der Schweiz passierte es ihr immer wieder, dass sie auf Italienisch angesprochen wurde, weil sie offenbar ein etwas südländisches Aussehen hatte. Und nun hielt man sie sogar für eine Türkin! Sie klärte den Irrtum auf. Der Chef de Service, der perfekt deutsch sprach, lächelte und begrüßte sie fortan, wann immer sie auftauchte, demonstrativ mit „Hello, turkish girl!“
Sie genossen ihr Essen, den netten Service und die Musik, dazu den Sternenhimmel und den lauen Nachtwind. Später wechselten sie hinüber zur Bar, wo sie sich einen kleinen Drink genehmigten, während sie einem Animateur, genannt Patric, zuhörten. Er imitierte perfekt Elvis Presley. Manuela und Fränzi, die ausgesprochene Rock’n’-roll-Musik-Fans waren, hielten es auf ihren Sitzen nicht mehr aus. Sie sprangen auf, klatschten in die Hände, tanzten und sangen begeistert mit. Bald taten es ihnen die anderen Gäste nach. Plötzlich entdeckte Manuela einen der beiden Türken, die sie bei der Ankunft begrüßt hatten. Es war der Größere der beiden. Manuela musste zugeben, dass er gar nicht schlecht aussah.
Trotzdem wollte sie nichts von ihm wissen. Vom Flirten hatte sie noch nie was gehalten, geschweige denn von Ferienflirts. Deshalb drehte sie ihm demonstrativ den Rücken zu, als sich dieser ihr näherte. Anscheinend respektierte der junge Mann diese Geste. Er blieb aber in ihrer Nähe stehen und klatschte und sang fleißig mit. Es gefiel ihr, dass er nicht aufdringlich wurde. Trotzdem wartete sie ab, bis er mal kurz verschwand. Sie schrieb nämlich leidenschaftlich gerne Ansichtskarten an ihre Freunde, wenn sie in den Ferien war. „Ja, geh’ nur und besorg dir die Karten. Ich hole dann morgen ein paar.“ Fränzi hatte glänzende Äuglein und klatschte fleißig weiter, während sich Manuela schnell in die Boutique begab und ein Dutzend Karten aussuchte. Sie schaute um sich. Nein, der große Türke war nicht in Sicht. Gott sei Dank. Ihm allein gegenüberstehen zu müssen, wäre ihr gar nicht recht gewesen.
Schnell hastete sie zur Kasse, streckte die Karte dem Verkäufer unter die Nase – und schaute direkt in ein paar dunkle Augen, die sie anstrahlten. Ihr Gesicht lief dunkelrot an, und in ihrer Verlegenheit wusste sie gar nicht, was tun. „Hallo! Schön, dich wiederzusehen. Ich habe dich beobachtet, wie du zur Boutique, wo ich arbeite, gegangen bist. Deshalb bin ich schnell auch hierhin gekommen.“ Ohne etwas zu antworten, wollte ihm Manuela das Geld in die Hand geben und wieder weggehen. Aber so schnell ließ der Türke nun nicht mehr locker. „Ich würde mich freuen, wenn du morgen Abend mit mir in den Ausgang gehen würdest!“ Auch das noch!
Manuela schwirrte der Kopf. Sie war völlig ungeübt im Flirten und wusste einfach nicht, was tun. Wenn ich Nein sage, wird er bestimmt wütend, dachte sie verzweifelt. Türken werden doch immer schnell wütend. Wer weiß, was dann passiert. Warum musste auch ausgerechnet ihr das passieren? Sonst liefen die Männer doch immer nur ihrer Cousine nach. Ihre Gedanken liefen auf Hochtouren. Na komm schon, forderte sie sich selber auf. Sag’ etwas Neutrales. Der junge Mann schaute sie immer noch lächelnd an. Irgendwie wirkte er wie ein liebenswerter kleiner Lausbub. Sie brachte es einfach nicht übers Herz, Nein zu sagen. So hauchte sie schnell ein „Vielleicht“ und begab sich umgehend wieder zu Fränzi.
Atemlos erzählte sie ihr, dass sie bereits eine Einladung erhalten hätte. „Ich auch“, lautete lakonisch die Antwort von Fränzi. „Der Barkeeper hat mich gefragt.“ „Und was hast du geantwortet?“ Manuela wartete gespannt auf ihre Antwort. „Vielleicht. Und du?“ „Auch vielleicht.“ Spontan fielen sie in ein Gelächter. Beide hatten aber nicht vor, die jeweilige Einladung anzunehmen. Sie amüsierten sich noch eine Weile. Danach begaben sie sich ins Zimmer. Während Manuela noch schnell ihre Karten schrieb, fiel Fränzi todmüde ins Bett.
Gutgelaunt und ausgeruht standen sie am nächsten Morgen auf. Schon beim Frühstück auf der Terrasse glühte die Sonne auf ihre Köpfe hinab. Da bot es sich geradezu an, den Tag am Pool zu verbringen. Sie packten ihr Badezeug zusammen und begaben sich zum Pool. Mit einem Mineralwasser in der einen Hand und einem Liebesroman in der anderen machten sie es sich auf einem Liegestuhl gemütlich.
Fränzi döste schnell wieder ein. Dabei fiel ihr das Glas mit dem Mineralwasser aus der Hand und fiel zu Boden. Schon war ein aufmerksamer Kellner an ihrer Seite und brachte ihr ein neues Glas. Fränzi lugte unter ihrer Sonnenbrille hervor und war begeistert vom Service. „Ich muss schon sagen, es gefällt mir immer besser hier. Die Türken sind sehr aufmerksam, höflich und sehen noch gut aus!“ Anerkennend schaute sie dem Kellner nach. „Hast du denn immer nur Männer im Kopf?“ Manuela schüttelte liebevoll mit dem Kopf. Ihre Cousine war schon eine Marke für sich. Doch was war das? Hatten sie soeben richtig gehört?
Beide schauten sich verblüfft an, dann drehten sie den Kopf Richtung Pool. Mitten im Wasser stand der Animateur von gestern. Diesmal sang er nicht Elvis-Presley–Songs, sondern animierte die Leute für die Wassergymnastik. Wortwörtlich hatte Patric lautstark „Wer