Название | Pine Ridge statt Pina Colada |
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Автор произведения | Katja Etzkorn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948878122 |
Eisberg voraus
Josh saß im Schatten seiner Veranda und beobachtete irritiert die junge Frau, die aus dem Wagen stieg. Das konnte unmöglich der angekündigte Besuch aus Deutschland sein. Aus der näheren Umgebung kam sie aber auch nicht. Er kannte hier jeden und hatte sie noch nie gesehen. Weil sich am Haus nichts rührte, ging die Frau erst einmal zu den Stallgebäuden.
„Mr. White Cloud?“, rief sie fragend. Kein Akzent. Josh konnte nun nicht länger in seiner dunklen Ecke sitzen bleiben und ging widerwillig auf sie zu.
Sannah hörte seine Schritte auf der Veranda und drehte sich um. Der Mann, der auf sie zukam, war gut und gern eins neunzig groß. Er trug Jeans, Stiefel und ein schmutziges Unterhemd. Die langen schwarzen Haare waren zum Zopf zusammengebunden, ein paar Strähnen wehten in sein schmales, kantiges Gesicht. Er bewegte sich mit der Eleganz einer Raubkatze auf sie zu und fixierte sie mit seinen schwarzen Augen. Sein Gesichtsausdruck war finster, und Sannah verspürte das Bedürfnis wegzulaufen. ‚Angriff ist die beste Verteidigung‘, dachte sie und lächelte, als er vor ihr stehen blieb.
„Mr. White Cloud? Ich bin Sannah Hammeken.“ Die Worte blieben ihr fast im Halse stecken. Offensichtlich war sie diesem Eisberg nicht willkommen.
Josh musterte die Fremde skeptisch. Sie hatten ihm keine blonde Kornnatter geschickt, sondern eine dunkle Klapperschlange. Noch schlimmer. Nur mit den Schuhen hatte er recht behalten, stellte er fest, als sein Blick auf ihre weißen Turnschuhe fiel. „Josh“, sagte er knapp und drückte ebenso kurz, aber fest ihre Hand.
Beim Anblick seiner Oberarme musste Sannah unweigerlich an Anne denken. Er war groß, dunkel und muskelbepackt bis zu den Ohren. Brusthaartoupet und Goldkettchen fehlten, aber das gab schlimmstenfalls Abzüge in der B-Note. Annes limbisches System würde Tango tanzen, Hormon-Cocktails mixen und einen spontanen Eisprung auslösen. Annes Ritter in glänzender Rüstung war ihr soeben, laut scheppernd, vor die Füße geknallt – nur halt im schmuddeligen Feinripp.
Sie verkniff sich ein Grinsen. Bevor das Schweigen peinlich wurde, deutete Josh mit vorgeschobener Unterlippe und Kinn auf das Wohnhaus. ‚Duckface‘, dachte sie, als sie seine merkwürdige Art, auf etwas zu zeigen, bemerkte.
„Dein Zimmer ist die Treppe hoch rechts. Ich muss jetzt die Pferde von der Weide holen“, stellte er fest, um einen Grund zu haben, ihr aus dem Weg zu gehen.
„Darf ich mit?“, bat sie mit großen Augen.
Er zögerte sichtlich. „Wenn du willst“, brummte er mürrisch. Dann und wann verirrten sich Touristen für eine Reitstunde auf seinen Hof und stellten meist die gleiche Frage. Die wenigsten schafften es überhaupt auf ein ungesatteltes Pferd und wenn doch, waren sie nach den ersten Galoppsprüngen wieder unten. Josh lief wortlos an ihr vorbei und verschwand im Stall. Als er wieder herauskam, drückte er ihr Zaumzeug in die Hand und deutete, wieder mit der Unterlippe, auf eine braune Stute, die auf der kleinen Weide direkt neben dem Stall stand.
Sannahs Enttäuschung über den eisigen Empfang wich der Vorfreude auf einen Ausritt. Sie kletterte unter dem Zaun durch und kraulte der Stute den Hals. Das Zaumzeug hielt sie locker mit zwei Fingern über den Kopf des Pferdes und wartete geduldig, bis die Stute freiwillig das metallene Mundstück ins Maul nahm. Danach streifte sie sanft das Kopfstück über die Ohren, legte die Zügel um den Hals und führte es zum Paddock.
Josh beobachtete sie dabei, und ihm gefiel, was er sah. Er schwang sich auf sein Pferd und fragte von oben herab: „Schaffst du es allein rauf?“
Sannah ärgerte sich über seine überhebliche Art. Sie hatte jahrelang auf diese Weise ihr eigenes Pferd von der Weide geholt und würde sich jetzt sicher keine Blöße geben. Sie antwortete ihm nicht, nahm Schwung und saß oben, nicht so elegant wie Josh, aber immerhin.
Josh wendete sein Pferd und jagte im Galopp davon. Die Weide war riesig, und die Herde stand am anderen Ende; als Josh in Sichtweite kam, stoppte er sein Pferd und drehte sich um. Er hatte nicht erwartet, Sannah hinter sich zu sehen, aber sie hatte aufgeholt und kam kurz hinter ihm zum Stehen. Sie war ganz offensichtlich in ihrem Element. Der Wind hatte ihr Haar zerzaust, die Wangen waren gerötet von dem scharfen Ritt, ihre großen Augen leuchteten und sie strahlte über das ganze Gesicht. Ihr Anblick raubte Josh den Atem, und er sammelte sich für einen Moment. „Reite ruhig an die Herde heran“, erklärte er ihr. „Passe dich ihrem Tempo an, und flankiere sie nur. Wenn du hektisch wirst, werden sie es auch, und wir bekommen heute kein Pferd in den Paddock.“
Sannah nickte wortlos. Josh ritt langsam durch die Herde auf die andere Seite. Gemächlich setzten sich die Tiere in Bewegung. Zurück ging es nun deutlich langsamer. Sannah genoss das Bild, das sich ihr bot. Etwa zwanzig Pferde trotteten über einen Ozean aus Gras, der sich grenzenlos bis an den Horizont zu erstrecken schien. Der ewige Wind strich über die Plains, die Sonne stand schon tief und warf lange Schatten, die auf dem wogenden Gras ein Eigenleben entwickelten. Postkartenkitsch. Sannah seufzte glücklich. Genau dafür war sie hergekommen. Sie sah hinüber zu Josh, der sie nicht weiter beachtete. Er saß völlig entspannt auf seinem Pferd und ließ die Beine baumeln. Seine Aufmerksamkeit galt den Pferden. Nach einer Weile erreichten sie den Paddock. Sannah ließ sich vom Pferd rutschen und klopfte der kleinen Stute den Hals.
„Wie heißt sie?“, wollte sie wissen.
„Kimimila“ – Schmetterling, kam es knapp zurück.
‚Wie redselig‘, dachte Sannah. Und zum Lachen geht er bestimmt in den Keller! Sie brachte Kimimila zurück auf die kleine Weide. Als sie das Zaumzeug in den Stall bringen wollte, nahm Josh es ihr ab und drückte ihr einen Schlauch in die Hand. Er deutete auf die Tränke, vor der sich die Pferde versammelt hatten.
„Sie haben Durst“, brummte er, und für einen Moment huschte die Andeutung eines Lächelns über sein Gesicht, als Sannah etwas entgeistert mit dem Schlauch zur Tränke stapfte. Josh hatte beschlossen, die kleine Klapperschlange ein bisschen zu ärgern. Während sie die Tränke füllte, kümmerte er sich um seine Pferde. Josh bewegte sich mit schlafwandlerischer Sicherheit zwischen den großen Tieren und sprach mit dunkler, sanfter Stimme zu ihnen. Es war fast, als würden sie ihm andächtig lauschen, während er die Hufe kontrollierte, ihnen die Augen sauberwischte und nach kleinen Blessuren sah. Jedes Pferd wartete geduldig, bis es an die Reihe kam, begrüßte ihn freudig und schnaubte zufrieden. Über allem lag eine unglaubliche Ruhe und Harmonie. Josh strahlte diese Ruhe aus.
Völlig gebannt starrte Sannah auf die Szene, die sich vor ihr abspielte. Sie begriff, dass dieser Mann vielleicht keine Menschen mochte, aber seine Tiere liebte er dafür umso mehr. Sannah füllte unaufgefordert auch die Tränke auf der kleinen Weide, brachte den Schlauch zurück und drehte das Wasser ab. Etwas unschlüssig, was nun zu tun sei, blieb sie am Stall stehen. Josh klopfte sich notdürftig den Dreck von der Hose und lief,