Название | Pine Ridge statt Pina Colada |
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Автор произведения | Katja Etzkorn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948878122 |
Sannah schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank. Ich platze gleich“, versicherte sie stöhnend.
Josh füllte sich den Rest auf seinen Teller und aß weiter. Als er fertig war, schob er seinen Teller beiseite und stand auf. „Kein Wunder, dass du so klein und schmal bist, wenn du die Hälfte stehen lässt.“
„Ich bin ein Mädchen, ich darf das“, protestierte sie.
Josh musterte sie von oben bis unten mit diesem seltsamen Blick aus Verwunderung und Misstrauen. „Ist mir auch schon aufgefallen“, bemerkte er mit einem gefährlichen Unterton. Da war es wieder: das Raubtier.
Sannah schluckte trocken. Er verschwand nach oben. Einige Augenblicke später hörte sie die Dusche rauschen. Da sie sich nicht recht nach oben traute, beschloss sie, den Abwasch zu machen und die Küche aufzuräumen. Nach einiger Zeit kam er mit nassen Haaren und in Jogginghose und Shirt wieder runter, setzte sich auf das alte Sofa mit einem etwas fadenscheinigen Bezug und schaltete den Fernseher an. Da er keinerlei Anstalten machte, sich mit ihr zu unterhalten, fragte Sannah nur: „Wann fängst du morgens an?“
„Um sechs“, brummte er zurück.
„Ich gehe schlafen, gute Nacht“, sagte sie, erhielt aber keine Antwort. Als sie wenig später im Bett lag, schwor sie sich, niemals mit diesem mürrischen Eisberg zu kollidieren.
Tauwetter
Am nächsten Morgen war Sannah, Jetlag sei Dank, um halb fünf wach. Hellwach. Da sie, um Gewicht zu sparen, keine Bücher dabei hatte, mit Ausnahme des Sprachführers, fiel Lesen aus. Wieder einschlafen klappte auch nicht. Also zog sie sich an, nahm ihre neuen Stiefel in die Hand und schlich die Treppe hinunter, um Josh nicht zu wecken. In der Küche suchte sie Kaffee und Filtertüten und schmiss die Kaffeemaschine an. Kurze Zeit später saß sie auf der Veranda und schlürfte genüsslich die erste Tasse Kaffee. Draußen herrschte eine himmlische Ruhe. Ein paar Vögel, die mit ihrem Gesang den anbrechenden Tag begrüßten, waren zu hören, ab und an schnaubte eines der Pferde drüben auf der Koppel und der ewige Wind der Great Plains raschelte in den Bäumen, sonst nichts. Kein menschliches Geräusch war zu vernehmen. Man konnte den Eindruck gewinnen, der einzige Mensch auf Erden zu sein. Zuhause fuhr immer irgendein Auto, oder man hörte die Sirenen von Polizei- oder Rettungswagen. Manchmal trug der Wind die Motorengeräusche der Schiffe auf der Elbe bis in ihren Garten. Es war nie wirklich still. Hier konnte man die Stille fast körperlich spüren. Sie liebte diese frühen Morgenstunden, wenn die Natur die Oberhand hatte und die hektische Welt da draußen noch schlief.
Heute wollte sie Josh fragen, wann die Kinder kommen würden. Beim Gedanken an Josh bekam sie wieder ein flaues Gefühl im Magen. Sie bewunderte seine Art, mit Pferden umzugehen, und seinen offenkundigen Sachverstand. Er war bestimmt auch ein guter Lehrer, sonst würden die Kinder nicht kommen. Aber seine deutliche Abneigung ihr gegenüber konnte sie sich nicht erklären. Sie kam sich vor wie ein Eindringling. Genau genommen war sie das ja auch. Er lebte hier draußen wie ein Eremit, kein Nachbar weit und breit. Er war bestimmt so alt wie sie selbst, hatte aber weder Frau noch Kinder. Sannah ging plötzlich auf, dass sie nicht viel anders lebte. Seit der Scheidung hatte sie sich zurückgezogen. Annegret und Jonas waren von dem ursprünglich großen Freundeskreis übrig geblieben. Das reichte ihr völlig. Vielleicht ging es Josh ja ähnlich? Sie beschloss, seine übellaunige Art nicht so ernst zu nehmen. Sie wollte hier eine ruhige und friedliche Zeit verbringen, also würde sie sich freundlich und höflich verhalten, wie es sich für einen Gast gehörte, und ihm ansonsten aus dem Weg gehen. Langsam, aber sicher knurrte ihr Magen. Sie ging in die Küche und durchforstete den Kühlschrank.
Schinken, Toastbrot, Majonäse, Eier, Milch und Cola. Ganz hinten in der Ecke fristeten ein paar Tomaten ein einsames Dasein. Im Küchenschrank entdeckte sie noch die obligatorische Packung Cornflakes. Den Bäcker um die Ecke würde sie hier wohl vergeblich suchen, und so überlegte sie, was Amerikaner, oder speziell amerikanische Ureinwohner, wohl zum Frühstück aßen. Halber Büffel auf Toast, schoss es ihr durch den Kopf und sie grinste. In Anbetracht der Lasagne-Berge vom Vorabend kam das mengenmäßig schon mal hin. In Ermangelung eines Büffels entschied sie sich dann doch für Eier mit Schinken, dazu Toast und Kaffee. Vielleicht würde ein Frühstück den Griesgram da oben etwas freundlicher stimmen.
Der Griesgram wälzte sich stöhnend in seinem Bett herum und schlug auf den wehrlosen Wecker ein. Josh war eine Nachteule, früh aufstehen gehörte nicht zu seinen bevorzugten Tätigkeiten. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, denn die Tiere mussten versorgt werden. Völlig verschlafen quälte er sich aus dem Bett und rieb mit den Händen über sein Gesicht. Noch schlaftrunken tappte er gewohnheitsmäßig die Treppe runter und blieb wie erstarrt in der Küche stehen. Er hatte Sintéchla tschik‘ala völlig vergessen. Sie stand am Herd und wendete ein Omelette, hatte den Tisch gedeckt und Kaffee gekocht.
Als sie ihn auf der Treppe hörte, sagte sie ohne vom Herd aufzusehen: „Guten Morgen, Frühstück ist …“, sie drehte sich zu ihm um, „ … fertig.“
Ihr Lächeln machte eine Vollbremsung und kippte vornüber. Josh hatte nicht nur die kleine Klapperschlange vergessen, sondern auch sich anzuziehen. Und so stand er, nur mit Unterhose bekleidet, in der Küche. Er drehte auf dem nicht vorhandenen Absatz um und ging zurück in sein Schlafzimmer.
‚Ups‘, dachte Sannah und rief sich selbst zur Ordnung. Sein Anblick in Shorts, mit Sixpack und offenen Haaren, die ihm bis auf die breite Brust fielen, hatte ihr limbisches System abrupt aus dem Winterschlaf gerissen. Es räkelte sich nun genüsslich auf der Satin-Bettwäsche in ihrem Oberstübchen und zückte Puderdose und Lippenstift.
„Das ist jetzt nicht dein Ernst!“, schimpfte sie mit sich selbst. Die Rottenmeier konnte ihr da nur beipflichten und klopfte hektisch auf die Anzeige des Thermostaten, der jetzt mollige siebenunddreißig Grad anzeigte.
Einige Augenblicke später erschien Josh angezogen und mit Zopf wieder in der Küche. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte es ihm gründlich die Petersilie verhagelt. Notorischer Morgenmuffel, lautete Sannahs fachmännische Diagnose. Sie ließ sich nichts anmerken und stellte ihm wortlos das Omelette mit knusprigem Schinken vor die Nase und goss ihm frischen Kaffee ein. Er nahm einen Schluck Kaffee und fing an zu essen.
„Warum bist du schon auf?“, wollte er wissen. Josh konnte nicht verstehen, warum jemand freiwillig so früh aufstand.
„Jetlag“, erklärte sie. „Bei mir zu Hause ist es schon zwei Uhr Nachmittags.“
Er nickte nur, an die Zeitverschiebung hatte er nicht gedacht. Aber immerhin hatte er diesem Umstand ein gutes Frühstück zu verdanken, und das versöhnte ihn ein wenig mit der Szene in Unterhosen. Josh konnte sich nicht daran erinnern, wann ihm zuletzt jemand Frühstück gemacht hatte. War verdammt lang her. Der ungewohnt starke Kaffee ließ ihn langsam wach werden.
„Ich will gleich bei einigen Pferden die Hufe schneiden, danach den Stall ausmisten, und heute Nachmittag muss ich einkaufen. Du kannst ja solange deine Fotos machen.“
Er erläuterte ihr seine Pläne nur, weil er hoffte, dann für den Rest des Tages seine Ruhe vor ihr zu haben. Doch Josh machte seine Rechnung ohne die Wirtin.
„Nimmst du mich mit zum Einkaufen?“, fragte Sannah. „Ich brauche Duschgel und ein paar andere Sachen. Dann kenne ich auch den Weg, fürs nächste Mal“, fügte sie noch schnell hinzu, als sie sah, wie sich seine Miene verfinsterte.
Böse Falle! Der Supermarkt war im nächsten Ort und praktisch der Hauptumschlagplatz für Neuigkeiten, Klatsch und Tratsch. Der Moccasin Telegraph sorgte dafür, dass jeder auf der Rez bestens über alles und jeden informiert war. Wenn er mit Sannah im Schlepptau dort auftauchte, würde am nächsten Tag ganz Pine Ridge darüber Bescheid wissen, und so wie sie aussah, würde ihm niemand glauben, dass sie aus Deutschland kam, um Fotos zu machen. Man würde ihm wissende Blicke zuwerfen und die wildesten Spekulationen anstellen. Monatelang. Ganz böse Falle! Er stöhnte im Geiste. Auf der anderen Seite würden am Mittwoch die Kinder kommen und spätestens dann dafür sorgen,