Название | Pine Ridge statt Pina Colada |
---|---|
Автор произведения | Katja Etzkorn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948878122 |
„McSweety und ich sind einer Meinung“, bestätigte Annegret.
„Was willst du da? Dort laufen lauter Hinterwäldler mit Waffen herum und schießen auf alles, was sich bewegt“, gab sie mit besorgter Miene zu bedenken.
„Ich werde in der Pine Ridge Reservation eine Fotodokumentation machen. Kann, mit ein bisschen Glück, ab und zu mal reiten und mir die Gegend ansehen, und wenn ich zurück bin, halte ich einen Vortrag für den Spendenverein“, erklärte Sannah sachlich.
„Mein Gott, Sannah, redest du etwa von einem Indianer-Reservat?“, rief Annegret entsetzt. „Weißt du überhaupt, was für katastrophale Zustände dort herrschen?“
„Natürlich weiß ich das“, erwiderte Sannah ruhig. „Die Arbeitslosenquote liegt bei rund achtzig Prozent, mehr als drei Viertel der Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze. Sie kämpfen mit Alkohol- und Drogenproblemen und leiden, bedingt durch billige und schlechte Nahrung, an Diabetes. Die Selbstmordrate ist viermal höher als der normale Durchschnitt, die Lebenserwartung liegt bei etwa fünfzig Jahren und die Säuglingssterblichkeit ist ebenfalls deutlich höher als normal. Von den teilweise menschenunwürdigen Wohnbedingungen ganz zu schweigen. Immer wieder erfrieren in den harten Wintern einige Menschen, weil sie nicht genug Geld für das nötige Gas zum Heizen aufbringen können. Das ist nicht nur katastrophal, das ist auch beschämend für ein Land, das so arrogant ist, sich selbst die Nummer eins zu nennen“, ereiferte sie sich. „Ich würde nie in den USA einfach nur Urlaub machen wollen, aber dort in Pine Ridge kann ich meinen Beitrag leisten und etwas Sinnvolles tun.“
Annegret schwieg betroffen. Sannah wusste offensichtlich nur zu gut, worauf sie sich eingelassen hatte.
„Ist das dieses Horsemanship-Projekt, von dem du mal erzählt hast?“, brach Jonas das Schweigen.
Sannah nickte.
„Finde ich super! Ist genau dein Ding!“, meinte er.
Sannah lächelte ihn dankbar an.
Nach dem hitzigen Gespräch verabschiedete sich Jonas und rief sich ein Taxi.
„Jetzt schon?“, maulte Annegret enttäuscht.
Er nickte. „Ich habe Wochenenddienst. Wenn man seine Patienten wohlbehalten schlafen legen will, sollte man selbst ausgeschlafen sein.“ Er gab Sannah einen Kuss auf die Wange. „Danke für den schönen Abend, wir sehen uns am Montag.“ Dann gab er auch Annegret einen Kuss. „Hat mich sehr gefreut dich kennenzulernen. Wir sehen uns, wenn wir die junge Dame in ihren Flieger setzten.“ Jonas griff noch mal beherzt in die Schokoladenschüssel. „Wegzehrung!“ Er grinste und verschwand.
Nachdem Jonas gegangen war, machten es sich die Frauen gemütlich. Sie lümmelten vor dem Kamin und reduzierten die Bestände an Knabberkram und Wein. Ganz wie in alten Studentenzeiten. „Jetzt mal ehrlich“, bohrte Anne neugierig nach. „Da läuft wirklich nichts zwischen dir und ihm?“
Sannah warf ein paar Erdnüsse ein und schüttelte den Kopf. „Nein, da läuft gar nichts. Ich weiß, was du jetzt sagen willst, er ist lieb und süß, er sieht gut aus, hat Charme und Humor. Aber es funkt nicht bei mir. Ich bekomme keine weichen Knie. Er ist einfach nicht mein Typ.“
„Du hast doch überhaupt keinen Typ. Jedenfalls keinen klar erkennbaren“, stichelte Annegret.
Sannah schmiss ihr zur Strafe ein Kissen an den Kopf. „Dafür ist dein Typ umso klarer erkennbar. Eine Kreuzung aus Antonio Banderas und Schwarzenegger. Gern auch mit gut gefüllter Badehose und Brusthaar-Toupet mit eingewebtem Goldkettchen“, frotzelte Sannah lachend zurück.
„Besser als nichts!“, stellte Anne kichernd fest. „Du würdest deinen Ritter in glänzender Rüstung ja nicht mal erkennen, wenn er dir laut scheppernd vor die Füße fällt!“
Schlangen und Fohlen
Zur gleichen Zeit saß Joshua White Cloud auf seiner Veranda und trank Kaffee. Er hatte die Füße auf den Tisch gelegt und starrte missmutig auf seine Stiefel. Nachdem er die Post durchgesehen hatte, näherte sich seine Laune dem Gefrierpunkt. Sie würden eine Frau schicken. Ausgerechnet. Bald würde eine Susannah Sowieso auf der Ranch auftauchen und seinen Frieden stören. Insgeheim hatte er gehofft, dass niemand im vielbeschäftigten Deutschland Zeit und Mühe investieren würde, um hierher zu kommen. Doch da hatte Josh sich offenbar getäuscht. Susannah. Er assoziierte diesen Namen automatisch mit einer biederen Hausfrau Mitte fünfzig, blond und im doppelten Sinne blauäugig. Sie würde den ganzen Tag, mit Kamera bewaffnet und in ungeeigneten Schuhen, hinter ihm herrennen und ihn mit diesem schrecklichen Akzent nerven. Tolle Aussichten. Mal abgesehen davon, dass Frauen ohnehin nur Ärger mit sich brachten.
Josh klassifizierte Frauen in zwei Kategorien: in die rötlichen Kornnattern, die zwar harmlos waren, aber eine echte Plage werden konnten, und die zwar unauffälligeren, aber dafür umso gefährlicheren Klapperschlangen. Letztere schlugen erst gewaltigen Krach und bissen dann zu, wenn man dumm genug war, ihnen nicht aus dem Weg zu gehen. Ihr Gift verursachte unerträgliche Schmerzen und bleibende Narben. Beide Arten wollte er nicht im Haus haben. Am liebsten hätte er die ganze Sache abgeblasen, aber den Kindern zuliebe tat er es nicht. Er wollte die Spender nicht verärgern. Das Projekt, das er im Bereich Manderson White Horse Creek betreute, war auf die Spenden angewiesen. Er bot für die Horsemanship kostenlosen Reitunterricht an. Leider hatte er keine Reithalle, sodass dies nur in den schneefreien Monaten möglich war. Es gab mehrere solcher Zentren über die ganze Reservation verteilt. Im Winter bastelte er mit den Kindern oder lehrte sie die alten Traditionen seines Volkes. Er arbeitete gern mit den Kids, nicht nur weil er hoffte, sie damit von den Drogen fernhalten zu können, sondern auch, weil er etwas weitergeben wollte, das für seine Vorfahren selbstverständlich gewesen war: die Liebe zu Pferden. Früher waren Pferde aus dem traditionellen Leben der Lakota nicht wegzudenken gewesen. Sein Volk hatte sie als Packtier, für die Jagd und für den Krieg genutzt. Ein Krieger hatte eine enge Bindung zu seinem Pferd, es war ein Teil seiner Familie. Er musste sich in jeder Situation auf sein Pferd verlassen können, oder er war tot. Diese Bindung entstand durch jahrelange geduldige Arbeit. Nur so bildeten sich gegenseitiges Vertrauen und Respekt. Ein solches Pferd war kostbar. Heutzutage nannte man es Horsemanship. Viele wollten es lernen, doch nur sehr wenige beherrschten diese Kunst. Josh hatte sich über die Grenzen des Reservates hinweg einen Namen gemacht. Etliche Kunden von außerhalb brachten ihm ihre Tiere zur Ausbildung und nahmen nicht selten selbst Unterricht. Davon konnte er ganz gut leben und sich seinen Traum von der eigenen Pferdezucht erfüllen. Diese Tiere waren sein Leben, seine Arbeit und seine Familie. Mehr brauchte er nicht. Sein Blick wanderte von den Stiefeln hinüber zur Weide, wo die ersten Fohlen des Jahres zwischen ihren Müttern herumtollten. Sein Ärger verflog, und er lächelte.
Reisefieber
Die letzten drei Wochen vor Sannahs Abreise vergingen wie im Flug. Sie brauchte dringend noch neue Stiefel zum Reiten, ihre alten fielen fast auseinander. In ihrem Schlafzimmer stapelten sich die Sachen für den Koffer. Die Auswahl würde schwierig werden, sie durfte ja nur zwanzig Kilo mitnehmen. Sannah beschloss, auf alles zu verzichten, was sie auch vor Ort kaufen konnte. Im Internet hatte sie einen Sprachführer für Lakota entdeckt und bestellt. Sie bildete sich nicht ein, diese Sprache in so kurzer Zeit lernen zu können, aber für ein paar Höflichkeitsfloskeln würde es schon reichen. Praktischerweise enthielt das Buch auch ein paar Benimmregeln. Jonas würde sich am Vorabend einquartieren, damit sie ihm noch einige Dinge erklären konnte. Mit jedem Tag steigerte sich ihre Vorfreude, und sie konnte es gar nicht abwarten endlich aufzubrechen.
Als Jonas schließlich mit Sack und Pack vor der Tür stand, flatterte sie herum wie ein aufgescheuchtes Huhn. Er sah sich dieses Schauspiel eine Weile lang an, dann drückte er sie in ihren Sessel.
„Jetzt komm mal wieder runter, du benimmst dich ja schlimmer als meine Schwester vor ihrer Hochzeit“, mahnte er.
Sannah grinste schief. „Wenn das