Название | Pine Ridge statt Pina Colada |
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Автор произведения | Katja Etzkorn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948878122 |
„Klar“, erwiderte sie grinsend. Er war schon auf der Veranda, als sie ein „Danke fürs Frühstück!“ hörte. Hoppla, da war doch nicht etwa ein Tröpfchen Tauwasser vom Eisberg gefallen? Oder gar zwei? Sannah grinste und betrachtete dann das Schlachtfeld in der Küche. Offenbar hatte Josh zum Ausgleich für die Eisschmelze eine neue Regel eingeführt: Einmal abwaschen, immer abwaschen.
Nachdem sie ihren Küchendienst geleistet hatte, ging Sannah vor die Tür. Josh hatte mit „einige“ fast alle Pferde gemeint. Er war immer noch damit beschäftigt, die Hufe zu schneiden, und etwa zehn Tiere warteten noch auf ihre Pediküre. Sie überschlug die Zeit, die es noch dauern würde, und beschloss, die Wartezeit bis zum Einkaufen zu verkürzen, indem sie den Stall ausmistete. Sie suchte sich eine Mistgabel und eine Schubkarre und fing mit den Boxen der Ausbildungspferde an. Karre um Karre füllte sich mit Mist und wurde auf dem Misthaufen ausgeleert. Da Sannah normalerweise unter sterilen Bedingungen in gekachelten Räumen mit Kunstlicht arbeitete, machte es ihr Spaß, zur Abwechslung mal im Dreck zu wühlen. Als sie mit den Boxen fertig war, machte sie im Laufstall weiter. Eine große Halle, in der sich die Tiere gemeinsam frei bewegen konnten. Sie war damit beschäftigt, Mist zu schaufeln, und merkte nicht, dass Josh sie beobachtete. Grinsend lehnte er am Türrahmen und kaute auf einem Strohhalm herum. Er kletterte auf ein paar aufgestapelte Strohballen, streckte die Beine aus und gönnte sich eine Pause.
‚Doch kein schlechter Tag‘, dachte er sich. Erst machte sie Frühstück und nun seine Arbeit. Daran könnte er sich gewöhnen. Sie erstaunte ihn schon wieder. Offenbar hatte sie nicht zum ersten Mal eine Mistgabel in der Hand, und sie scheute sich auch nicht, sich die Hände schmutzig zu machen. Die meisten Frauen, die er kennengelernt hatte, hätten den Stall nicht einmal betreten. Ausmisten? Undenkbar! Dabei könnte man sich die Fingernägel abbrechen. Blöde Weiber. Sannah hingegen schien auf so etwas wie Fingernägel keinen gesteigerten Wert zu legen. Auch auf die übliche Kriegsbemalung verzichtete sie. Der ganze Firlefanz, der Frauen normalerweise so wichtig war, fehlte bei ihr. Hatte sie auch nicht nötig. Sie war hübsch. Er legte den Kopf schief und nahm genauer Maß: sogar sehr viel mehr als nur hübsch. Josh lehnte sich zurück und genoss die „schöne Aussicht“.
Sannah wuchtete die schwere Schubkarre zum Ausgang. Als sie an den Strohballen vorbeikam, sprang Josh von seiner Aussichtsplattform und landete genau hinter ihr. Sie fuhr erschrocken zusammen.
„Oh, Gott!“, keuchte sie. „Mir ist fast das Herz stehengeblieben!“
Er nahm ihr die Schubkarre ab und raunte unheilvoll: „Ist eine gefährliche Gegend hier! Viele Indianer!“
Sie bewarf ihn mit Stroh. „Dann vergiss beim nächsten Mal dein Messer nicht!“, rief sie ihm lachend hinterher. „Vielleicht schreie ich dann hysterisch, das wirkt authentischer.“
Und Humor hatte sie auch, stellte er auf dem Weg zum Misthaufen fest – ein paar abgebrochene Eisschollen im Kielwasser.
Josh verfrachtete sie, so wie sie war, in seinen Truck.
„Ich bin dreckig und stinke!“, hatte Sannah protestiert, als sie auf dem Weg zum Supermarkt über die Zufahrt rumpelten.
„Stimmt!“, meinte er trocken. „Aber das stört da niemanden, außerdem wirkt das so authentischer“, äffte er sie nach. Insgeheim hatte er die Hoffnung, das die Gerüchte eine andere Richtung nehmen würden, wenn Sannah nach Arbeit aussah. Sie erreichten die Hauptstraße, und das Rumpeln hörte auf.
In einiger Entfernung entdeckte Sannah auf einer Anhöhe ein paar Tipis.
„Lebt da jemand?“, fragte sie ungläubig.
Josh nickte. „Ein paar Waschítschu vom Stamm der City Slicker.“
„Was sind Waschítschu?“, wollte sie wissen. Dieses Wort stand nicht in ihrem Sprachführer.
„Weiße“, erklärte er. Irgendwie wurde ihm nicht bewusst, dass Sannah auch eine Waschítschu war. „Für siebzig Dollar pro Nacht bekommen die Wannabes, die Möchtegern-Indianer, echtes Wild West Feeling geboten. Inklusive Frühstück, Taranteln und kalter Füße“, spottete Josh.
„Halber Büffel auf Toast?“, scherzte sie.
„So ungefähr“, erläuterte er feixend. „Aber dann kommst du mit siebzig Dollar nicht mehr aus. Büffelfleisch ist scheißteuer.“
Er bog auf den Parkplatz vor dem kleinen Supermarkt ab. Direkt neben Joshs Truck standen ein paar von den Tipi-Bewohnern und machten Erinnerungsfotos. Auf einer Bank neben dem Eingang saßen einige Einheimische und hielten ein Schwätzchen. ‚Moccasin Telegraph vollständig anwesend‘, dachte Josh genervt. Die weiblichen City Slicker starrten ihn mit offenem Mund an.
Sannah grinste, er war ganz offenbar nicht nur Annes Typ. Sannah indes wurde die volle Aufmerksamkeit der Truppe auf der Bank zuteil. Man musterte sie überaus gründlich.
Josh grüßte mit einem Kopfnicken und beeilte sich, sie samt Einkaufskorb möglichst schnell durch die Tür zu schieben, um dem üblichen Palaver zu entgehen. Drinnen war es allerdings auch nicht besser. Er grüßte wieder und ignorierte die neugierigen Blicke. Nach und nach füllte sich der Einkaufskorb.
Als Josh einige Fertiggerichte aus der Tiefkühltheke nehmen wollte, meinte Sannah: „Ich könnte doch was Frisches kochen. Wenn du einverstanden bist“, fügte sie noch hinzu, als sie seine finstere Miene sah. Seit dem Parkplatz spielte Joshs Laune wieder Verstecken im Keller, und sie wusste nicht, warum.
„Wenn du willst“, brummte er.
Sie zogen weiter durch die Gänge. Josh schmiss ein Paket Kaffee in den Korb, Sannah legte ihren heißgeliebten Tee dazu.
Er verzog angewidert das Gesicht.
„Den gibt es doch wohl hoffentlich nicht zum Frühstück?“, fragte er entsetzt und stellte bei der Gelegenheit gleich klar, wer in den nächsten Wochen für den Küchendienst zuständig war.
Sannah setzte ein beleidigtes Gesicht auf. „Nein, mein Tee ist nur für nette Leute!“ Sie ließ ihn stehen und verschwand im nächsten Gang.
‚Aber hallo! Die Kleine kann ja doch klappern‘, dachte Josh und grinste in sich hinein. „Ich bin nett!“, versicherte er ihr, als er sie eingeholt hatte.
„Aber nur, wenn gerade keiner hinsieht“, gab sie zurück und legte Seife und Shampoo in den Korb. Duschgel gab es nicht. Er griff nach einer Dose Rasierschaum, Marke Moschus brutal, matt schwarz, die Schrift in Blau metallic, mit futuristisch designtem Sprühkopf.
‚Typisch Mann‘, dachte Sannah, selbst Rasierschaum kam nicht ohne Heckspoiler und Alufelgen aus. Er wollte gerade etwas erwidern, als sie mit einem kleinen boshaften Lächeln eine Packung Tampons genau daneben legte und damit den Kampf der Geschlechter im Einkaufskorb eröffnete. Josh war das sichtlich peinlich. Nicht nur, dass er jetzt vor aller Augen mit Tampons durch den Supermarkt lief, ihm ging auch für den Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf, wo die Dinger landen würden. Er schluckte seinen Kommentar runter und maulte nun hauptamtlich vor sich hin. An der Kasse wurde Josh von der Kassiererin mit einem strahlenden Lächeln begrüßt. Die ältere Dame unterhielt sich mit ihm auf Lakota, während er seine Sachen auspackte. Sannah verstand kein Wort, aber der weiche, kehlige Singsang dieser Sprache gefiel ihr. Als Sannah an die Reihe kam und ihre Einkäufe auf den Tisch legte, schenkte die Kassiererin ihr ein wohlwollendes Lächeln. Sannah überließ es Josh, auch ihre Einkäufe einzupacken, und lächelte zurück. Als sie zahlte, sagte die ältere Dame: „Anpétu washté yuhá pe.“ – Habt einen schönen Tag. Sannah strahlte, das hatte sie, Sprachführer sei Dank, verstanden.
„Pilámaya ye, Tóksha aké“ – Danke, tschüss, bis bald, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen.
Josh knallte der Unterkiefer aufs Brustbein. Sie nahm eine der Tüten und ging Richtung Ausgang, er folgte ihr verblüfft mit dem Rest. Draußen wartete der Moccasin Telegraph schon auf die Neuigkeiten der Kassiererin. Persönliche Fragen zu stellen wäre unhöflich gewesen, und so blieben Josh und Sannah unbehelligt. Man begnügte sich damit, beide wieder