Drachenwispern. Christian D'hein

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Название Drachenwispern
Автор произведения Christian D'hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991075288



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nicht erkennen konnte. Sie stand stramm und wartete. Erst nach einer beträchtlichen Zeit sah der Kommandant auf und bedachte sie mit nachdenklichem Blick.

      »Ich will ehrlich mit dir sein, Rekrut. Deine Kampffertigkeiten stehen außer Frage und du bist eine gefährliche Kämpferin, aber ich glaube trotzdem nicht, dass du hier richtig bist«, erklärte er ernst, »Allerdings hat sich eine neue Möglichkeit ergeben, wie du dich beweisen kannst. Tatsächlich scheint es, als wäre noch ein letzter Rekrut unterwegs nach Celion. Allerdings ist er wohl in einige Schwierigkeiten geraten und die Meisterin, welche ihn eskortieren soll, hat um Hilfe vom Militär gebeten. Um unsere Hilfe. Deshalb habe ich einen Vorschlag. Du reitest noch heute los und spürst den Novizen und Meisterin Lian auf, dann geleitest du sie sicher hierher. Das wird nicht einfach werden, denn der Weg, den er nehmen muss, ist äußerst schwierig und gefahrenreich und allein mit Kampfesmut wirst du scheitern. Wenn du dich als würdig erweisen und Erfolg haben willst, musst du Schläue beweisen. Du musst spontan auf neue Situationen reagieren und darfst nicht so rücksichtslos kämpfen, wie du es alleine tun würdest. Denn sonst wird der Novize sterben. Wenn du aber all die Hindernisse überwindest und ihn sicher hierhergeleitest, werde ich meine Einwände gegen dich vergessen und du wirst seine Partnerin.«

      Elynia konnte nicht anders, als zu lächeln, so sehr freute sie sich darüber, endlich eine Aufgabe zu haben. Endlich war ihr ein Weg eröffnet, der sie wirklich zu einer der anderen machen würde. Daher verbeugte sie sich tief und sagte mit fester Stimme: »Vielen Dank, Sir! Ich werde Euch bestimmt nicht enttäuschen.«

      Der Kommandant nickte zufrieden und entließ sie mit den Worten: »Pack alles ein, was du für richtig hältst, aber mach rasch. Ich erwarte, dass du dich in weniger als einer Stunde in den Ställen meldest. Ich werde eine Nachricht an Stallmeister Bitz schicken, damit er dir ein geeignetes Tier für die Reise heraussucht. Und denke immer daran, wenn du versagst, wirst du keine zweite Chance bekommen und darfst nicht nach Celion zurückkehren.«

      Elynia nickte zackig. Dann wandte sie sich zur Tür, um zu gehen. Als sie diese gerade öffnen wollte, ertönte noch einmal die Stimme des Kommandanten hinter ihr: »Eins noch, Rekrut. Stirb nicht.«

      Als sie vor die Tür trat, stand immer noch die andere Elfe da, die sie mit neuem Interesse musterte. Rasch wandte sich Elynia ab und ging den Gang hinunter.

      16

      Laut kratzte die Feder über das Pergament, während sie die Zeilen Zeichen um Zeichen erweiterte. Schließlich setzte sie einen Schlusspunkt und legte die Feder zur Seite. Dann las sie den Brief noch einmal durch.

      »Verehrter Meister,

      leider konnte ich seit meinem letzten Bericht keine weiteren Informationen über die Kampfkraft oder Führungspositionen der Aquiron erlangen. Daher wäre es zum jetzigen Zeitpunkt unverantwortlich, bereits eine Aussage über ihre Stärke zu treffen. Dennoch ereignete sich jüngst etwas, was eines Berichtes wert ist. So habe ich erst kürzlich erfahren, dass entgegen unserer Annahme noch nicht alle Novizen und Rekruten Celion erreicht haben, sondern ein Novize noch auf seinem Weg hierher ist. Schon häufig hörte ich die Lehrmeister über diesen Novizen munkeln, doch sie geben sich äußerst verschlossen und sprechen nie aus, was sie wirklich denken. So viel jedoch ist sicher, etwas an ihm ist besonders. Es scheint daher durchaus ratsam, ihn für unsere Sache zu gewinnen oder ihn, falls er nicht die Wahrheit und Gerechtigkeit unserer Sache erkennt, zu beseitigen, um ein Risiko auszuschließen. Ich werde weiterhin alle Informationen und Gerüchte über ihn sammeln und Euch auf dem Laufenden halten, doch zunächst das wenige, was ich bereit in Erfahrung brachte: Es handelt sich um einen Menschenknaben, der wie die meisten Novizen im jungen Mannesalter ist. Und er reist alleine mit einer Schmiedemeisterin aus Celion. Allerdings baten die beiden um Unterstützung durch die Streitkräfte von Celion und es wurde erst heute ein Soldat ausgesandt, wenn auch nur eine junge Elfe. Glücklicherweise gelang es mir, einen Blick auf die geschickte Botschaft zu werfen, weshalb mir der Aufenthaltsort des Novizen bekannt ist. Er befindet sich im Moment an der Grenze des Murùn in der Nähe des Dorfes Aciqu. Leider kenne ich mich in diesem Gebiet nur wenig aus und kann nichts darüber sagen, wo ein Angriff am erfolgversprechendsten sein dürfte.

      In der Hoffnung, dass Ihr wohlauf seid Eure treuergebene Schülerin.«

      Sie rollte den Brief zufrieden zusammen und verstaute ihn sorgfältig in einer abschließbaren Schublade, um ihn noch am späten Abend losschicken zu können, ihn aber bis dahin vor neugierigen Augen zu schützen. Dabei fiel ihr Blick auf die Schriftrollen, die ihr Meister ihr mitgegeben hatte und die ebenfalls in dieser Schublade lagerten. Sie hatte schon lange nicht mehr darin gelesen. Nun streckte sie zögerlich die Hand danach auch. In diesem Moment ertönte ein Klopfen an der Tür. Beinahe erleichtert schob sie hastig die Schublade zu und verschloss sie sorgfältig. Dann begab sie sich zur Tür.

      17

      9. Zyklus des Sumonjahres

      2. Die erste Schlacht

      Sie alle waren frohen Mutes und brannten nur so vor Tatendrang, daher dachte kaum einer daran, einen ausgefeilten Plan zu entwerfen. Stattdessen schulterten sie ihre Waffen, um sich in den Kampf zu stürzen. Der Gedanke dahinter war denkbar einfach. Denn solange jeder auf die Weise kämpfte, die er seit jeher gewohnt war, war er auch am besten eingesetzt. Man zog also den Geschöpfen der Dunkelheit entgegen, ohne einander wirklich zu kennen. Nur kurze Zeit später erblickten sie am Horizont vor sich dichte Rauchschwaden, die von einem Dorf aufstiegen. Keiner von ihnen kannte die Ortschaft oder wusste, welche Art von Lebewesen dort hausten, doch ihnen allen war klar, dass solche Rauchschwaden nur entstanden, wenn ein Dorf niedergebrannt wurde. Und obwohl sie alle schon bei Kriegszügen selbst geplündert und gebrandschatzt hatten, verurteilten sie die Tat, hinter der sie die Truppen der Finsternis vermuteten, verwünschten ihre Gegner und verfielen regelrecht in Rage. Die Menschen preschten zuerst auf ihren Pferden vorweg in die Hüttenansammlung, dicht gefolgt von den Elfen, die beinahe so schnell zu rennen vermochten wie die Pferde der Menschen. Die Zwerge hingegen waren keine geübten Sprinter und trafen als letzte ein, während der Kampf schon in vollem Gange war. Man kämpfte erbittert gegen die Kreaturen der Finsternis, die hier nicht genauer beschrieben werden sollen, da selbst das Wissen um ihre Existenz ein schwaches Herz in den Wahnsinn treiben kann. Viele der Kreaturen fielen, doch ebenso viele Menschen verloren ihr Leben und so konnte keine Seite die Oberhand gewinnen. Die Wendung brachten erst die Äxte der Zwerge, deren Kampfeslust ebenso heiß wie die Essen ihrer Schmieden brannte und die ihre Kriegswerkzeuge mit todbringender Gewalt zu führen vermochten. Alsbald waren die Finsterlinge, wie sie ihre Gegner tauften, um ihre Namen nicht nennen zu müssen, aufgerieben und wurden bis auf das letzte Geschöpf erschlagen. Unter großem Jubel wurden sie wie Helden von den Dorfbewohnern gefeiert, die sich als Unholde herausstellten. Nur die Menschen zogen sich schon früh zurück, um ihre Toten zu betrauern.

      Als der Abend hereinbrach, kippte die gute Stimmung. Der Hass der Zwerge gegen die Unholde obsiegte selbst gegen den Siegestaumel und sie beschworen die anderen, dass die Unholde zur Gefahr würden, wenn man sie am Leben lasse und sie erinnerten an geschändete Frauen und ermordete Kinder aus der Vergangenheit. Ein erneuter Streit erschütterte das junge Bündnis, in dem sich schnell zwei verhärtete Fronten bildeten, bestehend aus jenen, die die Vergangenheit hinter sich lassen wollten und die Finsterlinge als einzigen Feind sahen, und jenen, die auch an den Fehden der Vergangenheit festhalten wollten. Die Gegner einer Blutfehde mit den Unholden verließen alsbald das Dorf, da sie sich unter keinen Umständen mit Waffengewalt gegen die anderen stellen konnten. Die meisten der Zwerge jedoch blieben und auch einige Menschen und Elfen, die die Wichtigkeit ihres Bündnisses über das Leben einiger Unholde stellten oder die selbst noch eine Rechnung mit diesen zu begleichen hatten. Niemand schlief in dieser Nacht, denn sie war erfüllt von den Schreien der Unschuldigen, die kaltblütig niedergemetzelt wurden. Weder vor Frauen noch vor Kindern machte man Halt, Alt und Jung wurden gleichermaßen erschlagen. Es war ein Massaker. Und mit dem Blut der Unschuldigen, das die Erde tränkte, tat sich eine Kluft in der Gemeinschaft auf, die nicht mehr verheilen sollte.

      36. Zyklus des Sumonjahres

      3. Die Niederlage

      Etliche Geplänkel hatte man inzwischen gewonnen