Drachenwispern. Christian D'hein

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Название Drachenwispern
Автор произведения Christian D'hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991075288



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beruhigten sich die angespannten Gemüter wieder, auch wenn man sich gegenseitig nicht völlig traute. Doch die vielen kleinen Siege gaben den Truppen Selbstvertrauen und sie fühlten sich stark genug, sich ihrer eigentlichen Aufgabe zuzuwenden. Denn natürlich war ihnen klar, dass die Übergriffe auf die Dörfer den Finsterlingen lediglich zum Zeitvertreib dienten und sie die Gefahr nicht bannen konnten, selbst wenn sie jeden einzelnen dieser Angriffe zurückschlugen. Daher entschieden sie sich, die Finsternis selbst herauszufordern. So zogen sie mit all ihren Verbündeten direkt zum Herzen der Ödlande, wo sie die Armee des Feindes erwartete. Diesmal kämpften sie gemeinsam in einer geordneten Schlachtreihe, vorneweg eine Phalanx der Zwerge mit ihren großen Schilden und ihrer unbändigen Kraft, direkt dahinter die Bataillone der Menschen, bewaffnet mit Speeren und Schwertern und zum Schluss noch eine nicht endende Reihe elfischer Bogenschützen, deren Pfeile wie ein wilder Hornissenschwarm durch die Luft segelten. Es war eine beeindruckende Truppe, die es wohl mit jeder Armee hätte aufnehmen können. Doch auf das, was sie erwartete, waren sie nicht vorbereitet. Denn ein Feind kann noch so schrecklich sein, wenn er blutet, kann man ihn besiegen. Aber die Angst blutet nicht. Und sie ist der schlimmste Feind eines Soldaten. Die tapferen Krieger waren auf jeden Anblick vorbereitet gewesen und hätten wohl auch der abstoßenden Fratze eines Ungeheuers furchtlos getrotzt, doch ihr Feind war für sie unsichtbar. Sie waren in ein Meer aus absoluter Finsternis eingetaucht und konnten weder ihre Gegner noch ihre Freunde sehen. Selbst der undurchdringliche Schildwall der Zwerge war hier nutzlos. Denn der Feind griff von allen Himmelsrichtungen an und sogar von oben. Lautlos kam er heran und lautlos verschwand er auch wieder, niemals aber ohne vorher einen blutigen Tribut zu fordern. Und er tötete seine Gegner nicht einfach. Die Krieger standen hilflos in der Dunkelheit, doch ihnen wurde nicht einfach die Kehle durchtrennt. Völlig unvorbereitet traf sie plötzlich ein schneidender Schmerz und sie spürten ihren eigenen Arm zu Boden fallen, nicht länger Teil ihres Körpers. Die Kameraden verfielen in Panik und lösten ihre Schlachtordnung auf. In wilder Flucht stießen und schoben sie sich gegenseitig in den Tod bei dem Versuch, der Dunkelheit zu entrinnen. Doch über ihnen lag der Schatten des Todes und nur wenige sahen jemals wieder Tageslicht. Diejenigen, die dieser Hölle entkamen, versteckten sich klamm in Höhlen und Wäldern und hofften, dass der namenlose Schrecken sie nicht einholen mochte. Sie waren zu selbstsicher gewesen und so wurden sie besiegt. Der Aufstand scheiterte. Die Dunkelheit obsiegte und knechtete die Welt. Für zehn lange Jahre sollte sie unangefochten weiterherrschen und die Welt mit Grauen und Schrecken überziehen. Das Licht der Hoffnung, welches so unvermittelt mit der Gründung der Aquain aufgeflammt war, fiel in sich zusammen und drohte vollends zu erlöschen. Aber auch verängstigt und besiegt trennten sich die Gefährten nicht, denn das Erlebte konnten sie nur geeint verkraften und so versteckten sie sich gemeinsam.

      18

      »Komm, setz dich mir gegenüber«, bat Lian, ihn, nachdem sie die Nachricht abgeschickt hatte.

      Neugierig kam Ardun der Aufforderung nach und kniete sich ihr gegenüber auf die Erde.

      »Die Ausbildung der anderen Novizen in Celion hat bereits vor Tagen begonnen«, eröffnete sie das Gespräch, »Und auch wenn ich hier natürlich nicht die gleichen Möglichkeiten habe wie die Lehrmeister in Celion und auch nicht deren Wissen, werden wir heute mit deiner Ausbildung zum Magier beginnen, damit der Abstand zu den anderen Novizen nicht zu groß wird. Dir muss aber bewusst sein, dass du trotzdem weit hinter den anderen zurückliegen wirst, wenn wir in Celion ankommen.«

      Das war Ardun selbstverständlich klar, aber er war begierig darauf zu lernen. Denn wenn ihm die Magie zu Beginn ihrer Reise noch Angst gemacht hatte und sie ihm, wenn er ehrlich zu sich war, auch immer noch nicht geheuer war, so wollte er sie doch zumindest besser verstehen, um sie nicht mehr fürchten zu müssen. Ob er dabei nun selbst zum Magier wurde oder nicht, war ihm im Grunde herzlich egal.

      »Sehr schön«, sagte Lian zufrieden, noch ehe er geantwortet hatte, und fuhr fort, »Erinnerst du dich noch an die verschiedenen Elemente, denen ein Magier angehören kann?«

      Er nickte und zählte sie gehorsam auf: »Wasser, Wind, Feuer, Erde und Geist.«

      »Genau. Bevor du ausgebildet werden kannst, müssen wir herausfinden, wo deine Begabung liegt, damit du dich spezialisieren kannst. Denn einem Feuermagier etwas über die Erde beizubringen, ist reine Zeitverschwendung, er wird es sowieso nicht anwenden können.«

      Ardun wiegte nachdenklich den Kopf. Er verstand, dass es sinnvoll war, sich auf seine Begabung zu konzentrieren, aber er fand dennoch nicht, dass es Zeitverschwendung war, sich auch mit den anderen Bereichen der Magie auszukennen. Aber er vermied es zu widersprechen, denn er hatte keine Lust auf ein Wortgefecht, nach dem die Elfe vielleicht keine Lust mehr hatte, die Ausbildung am selbigen Tag zu beginnen. Daher stellte er stattdessen eine andere Frage, welche ihm auf der Zunge lag.

      »Aber wie kann man feststellen, zu welchem Element ich gehöre?«

      Lian blickte ihn schelmisch an. Dann meinte sie mit einem amüsierten Lächeln, welches sie um Jahre verjüngt aussehen ließ: »Nun, wir können es auf die traditionelle Art machen und einfach warten, bis du in eine Notsituation gerätst und deine Kraft einsetzt. Aber das kann Jahre dauern und wird vielleicht niemals geschehen.«

      Sie machte eine kurze Pause und holte ein Gefäß mit einer dicken, gelben Flüssigkeit hervor, von dem sie den Deckel abschraubte und es offen vor Ardun hinstellte.

      »Oder wir benutzen einfach dieses Utensil. Es ist eine magische Substanz, die wiederum auf die Anwendung von Magie reagiert. Verfärbt sie sich blau, gehörst du zu Wasser, wird sie schlammig, zu Erde, bei durchsichtig zu Geist, wenn sie sich kräuselt, zu Wind und wenn sie verdampft, zu Feuer. Alles was du machen musst, ist deine Hand darüber auszustrecken und dich auf dein inneres Wesen zu besinnen.«

      Ardun tat wie geheißen und hielt seine offene Handfläche nah über die Oberfläche der Flüssigkeit. Obwohl er sie nicht direkt berührte, spürte er ein leichtes Kribbeln auf der Haut, welches von seiner Hand über den Arm fließend seinen gesamten Körper einhüllte. Er überlegte, was ein Magier wohl tun würde und sah vor seinem inneren Auge Szenen von Eisspeeren und Flammensäulen, die aus bloßen Fingern schossen. Also versuchte auch er, einen Kraftstoß gegen die Flüssigkeit zu richten. Aber zu seiner bitteren Enttäuschung passierte nichts. Zweifelnd blickte er zu Lian, doch die Elfe schien nichts anderes erwartet zu haben.

      »Du musst dir Zeit nehmen«, erklärte sie geduldig, »geh in dein Inneres und lass deinen Geist schweifen. Sei einfach du selbst, erkenne dich in deinem eigenen Herzen.«

      Er hatte keine Ahnung, was damit nun schon wieder gemeint war, aber er schloss folgsam die Augen und versuchte, an nichts zu denken. Das gestaltete sich jedoch sehr viel komplizierter, als er angenommen hatte, denn seine Gedanken blieben immer wieder an neuen Sachen hängen und wann immer er versuchte, seinen Geist zu leeren, kamen nur Bilder aus seiner Vergangenheit auf. Er wusste nicht, wie lange er still so dagesessen hatte, ob es Stunden, Tage oder auch nur Minuten gewesen waren, aber plötzlich verstärkte sich das Kribbeln auf seiner Handfläche. Ardun öffnete die Augen. Unter seiner Hand begann sich die Flüssigkeit zu verändern. Sie wurde immer dunkler, von orange bis hin zu schlammbraun, wie Lian es bei Erdmagiern beschrieben hatte. Aber damit endete es nicht. Die Farbe verdunkelte sich weiter, bis sie plötzlich tiefschwarz wurde, doch gleichzeitig blieb sie durchsichtig. Dann gab es ein leises Zischen und sie verschwand. Zurück blieb nur ein dunkler Bodensatz.

      Unsicher sah er zu Lian.

      »Ist sie verdampft?«, fragte er leise.

      Die Elfe sah ihn völlig fassungslos an, dann schüttelte sie kaum merklich den Kopf.

      »Das war anders«, stammelte sie, »ich habe so etwas noch nie gesehen. Aber eins steht fest. Du bist definitiv ein Magier. Doch wie es scheint keiner wie der Rest von uns. Dein Ergebnis dürfte eigentlich gar nicht existieren. Es sollte nicht existieren. Es könnte sehr gefährlich werden, wenn die falschen Personen davon erfahren. Aber da die Flüssigkeit durchsichtig geworden ist, beherrschst du in jedem Fall das Geistelement.«

      Ardun fühlte sich, als habe man ihm ins Gesicht geschlagen. War er ein Aussätziger? Eine Gefährdung, die besser weggesperrt gehörte? Wieso konnte er nicht sein