Drachenwispern. Christian D'hein

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Название Drachenwispern
Автор произведения Christian D'hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991075288



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für sich und Lian, die ihm in einem Kampf in ihrem tranceartigen Zustand kaum eine Hilfe sein würde. Und ein Kampf wäre unvermeidbar, denn Goblins ernährten sich ausschließlich von Fleisch und sahen in anderen Lebewesen nichts anderes als eine schmackhafte Nahrungsquelle. Keuchend erhöhte er seine Laufanstrengungen und holte den Goblin nach zwei Biegungen ein, als dieser gerade um die nächste Ecke verschwinden wollte. Mit einem gewagten Hechtsprung bekam Ardun die dünnen Beine zu packen und sie kugelten gemeinsam um die Biegung, ehe er es schaffte, sich auf das Wesen zu wälzen und es mit den Knien zu Boden zu drücken, während er es mit den Fäusten bearbeitete. Doch sein ursprünglicher Plan, den Goblin mit einem Schlag gegen die Schläfe auszuschalten, schlug fehl, da die ledrige Haut zu hart war und ihm nur die Haut an den Knöcheln aufplatzte, während der Goblin keinen Schmerz zu fühlen schien und zappelnd versuchte, sich zu befreien. Ardun hatte keine Wahl. Er zog seinen neuen Dolch und rammte die Klinge dem Goblin in die Kehle. Ein dunkler Blutschwall schoss ihm entgegen, während der Goblin in seinem aussichtslosen Todeskampf röchelnd zappelte. Dann endlich erschlaffte sein Körper und er richtete sich erleichtert auf. Doch seine Freude verflog augenblicklich, als er sah, wo er gelandet war. Der Stollen hatte sich in eine flache, aber breite Höhle geöffnet, aus der Ardun zwei Dutzend gelber Augenpaare entgegenleuchteten. Und ausgerechnet jetzt trat auch noch Lian hinter ihm aus dem Stollen. Die Irrlichter waren verschwunden. Ardun hielt den Dolch drohend vor sich, in der Hoffnung, den Goblins, welche ihm nur bis zur Brust reichten, Angst einzuflößen, doch er hatte seine Rechnung ohne die Kaltblütigkeit der Ungetüme gemacht. Mit wildem Grunzen stürzten sie sich auf die Eindringlinge. Sein Dolch schoss nach links und rechts, sauste auf Schädel und Gliedmaßen nieder und schnitt durch Sehnen, Knochen und Fleisch wie durch Butter, doch wann immer ein Goblin quiekend zu Boden ging, sprangen zwei weitere an seiner Stelle nach. Und Ardun war nach wie vor ein unerfahrener Kämpfer, das hatte sich mit den wenigen Stunden bei Lian nicht geändert, und er zuckte jedes Mal zusammen, wenn die kleinen Klauen ihm eine weitere Kratzwunde an Armen und Beinen zufügten. Gepeinigt schrie er auf, als sich ein Goblin in seiner Wade festbiss. Dann traf ein Schlag seinen verletzten rechten Arm und er ging zu Boden, während sich die Goblins auf ihn stürzten. Ardun schlug und trat um sich, aber seine erbitterte Gegenwehr wirkte unbedeutend gegen die animalische Wildheit der Goblins. Etliche Klauen packten ihn und trugen ihn in eine Ecke zu einem Käfig aus alten Knochen, in den er grob geworfen wurde. Mit der Elfe wurde nicht anders verfahren, obwohl diese nicht einmal den Versuch einer Gegenwehr unternahm. Er presste stöhnend den Arm an seine Seite.

      13

      An diesem Morgen hatte Elynia sich viel Respekt errungen. Und neue erbitterte Feinde gewonnen. Denn schon in den frühen Tagesstunden hatten die Rekruten antreten müssen, für ihre erste Prüfung. Sie dachte mit einem Gemisch aus Stolz und Bitterkeit daran zurück. Ein wie üblich schlecht gelaunter Zwerg hatte sich vor ihnen aufgebaut, seinen breiten Brustkorb aufgeplustert und sie angeschrien: »Ihr hattet inzwischen mehr als genug Zeit, euch in Celion einzugewöhnen. Ich hoffe doch, ihr genießt den Luxus der geräumigen Zimmer und eurer eigenen Domizile.« Seine Stimme hatte nur so vor Sarkasmus getrieft und er hatte sich ein süffisantes Lächeln gestattet, »Ihr seid weich geworden! Soldaten sollen nicht in weichen Betten schlafen, sondern auf Matratzenlagern in einer Kaserne. Allerdings ist dieser pathetische Magierrat, der hier in Celion leider das Sagen hat, der Meinung, ihr müsstet auf dieselbe Art und Weise verhätschelt werden wie ihre weinerlichen Zauberlehrlinge. Daher sehen wir uns genötigt, selbst Maßnahmen zu ergreifen. Aber wir sind keine Monster. Wir wollen euch eure Habe nicht einfach entreißen. Im Gegenteil. Euch wird die Möglichkeit gegeben, euch selbst zu beweisen und somit die Erlaubnis zu erringen, euren Besitz zu behalten. Gleichzeitig ist dies eure erste Prüfung. Derjenige, der mir das Kopftuch von Quwen«, er deutete auf ein kleines, untersetztes Geschöpf, einen Gnom, welcher wohl sein persönlicher Diener war, »bringt, darf seinen Besitz behalten. Das Tuch wurde gestern Abend entwendet und irgendwo im Wald versteckt. Viel Glück … ihr werdet es brauchen.«

      »Das ist einfach!«, tönte der kleinere der beiden menschlichen Rekruten, »Ich war früher Waldführer, ihr anderen braucht es also gar nicht erst versuchen.«

      Sein Kumpel klopfte ihm johlend auf die Schulter.

      »Gibt es Regeln?«, rief einer der Zwerge laut. Der Kommandant schüttelte den Kopf.

      »Ihr müsst mir nur das Tuch bringen, egal wie ihr es erlangt.«

      Der Fragesteller lächelte zufrieden und zog demonstrativ und für alle gut hörbar einen Schleifstein über die Klinge seiner Axt.

      »Los geht’s!«

      Schon in den ersten Sekunden erkannte Elynia, welche der Anwärter überhaupt eine Chance hatten und wer von Anfang an ausgeschieden war. Nämlich all jene, die sogleich in den Wald sprinteten und auf gut Glück mit ihrer Suche begannen. Nur fünf gingen die Suche langsamer an. Elynia schlüpfte geschmeidig hinter die erste Baumreihe und beobachtete die übrigen. Der grobschlächtige Zwerg setzte sich gemütlich pfeifend auf einen Stein und begann, seine Waffe zu schärfen. Die anderen beiden seiner Art sahen unentschlossen und faul aus und schienen nicht so recht zu wissen, was sie tun sollten. Sie befand sie alle für uninteressant. Die beiden Männer hingegen blieben auch in dieser Prüfung unzertrennlich. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich angeregt, aber so leise, dass Elynia nicht verstehen konnte, was gesprochen wurde. Dann stapfte der kleinere von den beiden, der ehemalige Waldführer, zu dem Gnom, der immer noch in einer Ecke kauerte.

      »He, du Wicht«, blaffte er den Diener an, »her mit dir!« Gleichzeitig schnappte er blitzschnell nach dem kleinen Wesen, welches ängstlich den Kopf zwischen den dünnen Schultern einzog. Die Finger des groben Mannes konnten die Fußknöchel des Gnoms mühelos umfassen und kurz darauf baumelte Quwen kopfüber etwas unterhalb des Gesichts seines Peinigers. Dieser betrachtete sich eingehend die Fußsohlen des Gnoms und untersuchte auch genau die Spuren, welche das Geschöpf im Sand hinterlassen hatten. Obwohl Elynia diesen Mann nicht leiden mochte, musste sie doch eingestehen, dass diese Vorbereitung professionell wirkte. Wenn irgendjemand eine Chance hatte, den Spuren des Gnoms im Dickicht zu folgen, dann dieser Mann. Daher beschloss sie, sich an seine Fersen zu heften und auf einen geeigneten Moment zu warten, um ihm das Tuch zu entreißen. Allerdings befürchtete sie, dass sich dieses Unterfangen schwieriger als erhofft gestalten könnte, denn der Waldführer war nicht nur von seinem ständigen Begleiter, seinem riesenhaften Kumpanen und Bodyguard, umgeben, sondern schien auch ein gewiefter Kerl zu sein, denn trotz der Aussage des Kommandanten, dass ein Unbekannter das Kopftuch entwendet hatte, hatte dieser Mensch einzig die Füße des Gnoms begutachtet. Das hieß, er war wohl zu derselben Idee wie Elynia gelangt: Es war höchst unwahrscheinlich, dass ausgerechnet zum Zeitpunkt der ersten Prüfung der Rekruten jemand in das Gemach des Zwergenkommandanten eingedrungen war und so etwas Unwichtiges wie das Schmuckstück des Dieners entwendet hatte. Viel wahrscheinlicher schien es, dass all dies den Gedanken des Kommandanten entsprungen war und er den Gnom persönlich angewiesen hatte, das Tuch irgendwo im Wald zu deponieren. Elynia musste also äußerst vorsichtig bei ihrer Verfolgung vorgehen und ein Schatten werden, ständig da und doch unbemerkt. Hinter ihrem Baum verborgen wartete sie darauf, dass die beiden die Fährte aufnahmen. Dann kam ihr eine Idee. Sie musste verhindern, dass die Männer neben den gesuchten Spuren des Gnoms auch solche von ihr fanden. Aber ihre Suche beschränkte sich mit Sicherheit auf den Waldboden. Sie wären blind für das, was über ihnen war. Deshalb machte sie sich kurzerhand an das Erklimmen des Baumes, unter dem sie stand. Die Bäume standen sehr dicht und hatten ausladende Kronen, sie würde sich also problemlos fortbewegen können. Elynia hatte gerade die oberen Äste der Eiche erreicht, als sie sich erneut nach den Männern umdrehte. Schockiert musste sie feststellen, dass der Platz völlig verlassen und leer war. Fluchend suchte sie mit ihrem Blick die Umgebung ab. Die Männer waren verschwunden. Zornig wegen ihres Pechs kletterte Elynia von Baumwipfel zu Baumwipfel. Sie wollte die Hoffnung schon aufgeben, da ertönte plötzlich eine selbstzufriedene Stimme etwas links unter ihr.

      »Ha! Siehst du, genau wie ich es mir gedacht habe.« Erleichtert bewegte sie sich in die Richtung des Sprechers und erblickte sogleich den dunklen Haarschopf des größeren Mannes direkt unter sich in den Büschen. Den kleineren entdeckte sie erst, als sie die Äste etwas auseinanderschob und sich zwischen den Blättern vorbeugte, denn er hockte am Boden, dicht