Drachenwispern. Christian D'hein

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Название Drachenwispern
Автор произведения Christian D'hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991075288



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eins ist gewiss, man sollte sie niemals unterschätzen. Und dieses hier stand in deiner Schuld. Merke dir die Worte, aber halte sie geheim.«

      Das war nicht die Antwort, die er sich erhofft hatte, aber Ardun nickte ergeben und ließ das Thema fallen. Derweil zog Lian einen grünlich glimmenden Edelstein aus ihrer Tasche. Sie begann, damit ihm unbekannte Runen in den Staub zu schreiben.

      »Das ist ein magischer Kristall«, erklärte sie auf seinen fragenden Blick hin, »er ermöglicht es mir, auch über lange Strecken hinweg eine Nachricht nach Celion zu senden. Allerdings kann er nur einmal verwendet werden, bevor er zu einem nutzlosen Stein wird, daher darf man ihn nur in einem Notfall benutzen. Aber ich befürchte, dass es unumgänglich ist. Denn unter Tage verliert man sein Gefühl für die Zeit und ich vermute, dass wir mindestens eine Woche in dem Wald verbracht haben, auch wenn es dir kürzer vorkommen mag. Wir werden Celion nicht mehr rechtzeitig erreichen, damit du mit den anderen beginnen kannst. Und Nachzügler sind besonders gefährdet, auf ihrem Weg angegriffen zu werden, daher muss ich Hilfe aus der militärischen Abteilung erbitten und ihnen unseren Aufenthaltsort nennen.«

      15

      »In Position!«, bellte der grobschlächtige Trainer den Befehl.

      Gehorsam ging Elynia leicht in die Knie und nahm ihre Kampfhaltung ein, während sie das Holzschwert leicht schräg vor sich hielt. Seit über einer Woche war sie nun schon in Celion, doch keiner der anderen Rekruten wechselte häufiger ein Wort mit ihr als nötig. Man tat vielmehr so, als wäre sie gar nicht existent. Denn es war genauso, wie sie erwartet hatte. Sie alle waren Krieger. Und ein Krieger respektierte nur andere, die entsprechende Taten vollbrachten. Zunächst hatte sie geglaubt, mit ihren Kampffertigkeiten das Wohlwollen der anderen erringen zu können, doch dann war ihr als einzige kein Novize der magischen Sektion zugeteilt worden. Nach dieser öffentlichen Herabwürdigung ihrer Soldatenehre war für die anderen klar gewesen, dass sie keine Kämpferin war, die Respekt verdiente und nichts, was sie tat, konnte diese Meinung ändern. Das Training in Celion war härter, als sie erwartet hatte. Es bestand aus stundenlangen Übungen, bei denen sie den Umgang mit Schwert, Dolch, dem Bogen und Äxten perfektionierten, unzähligen Unterweisungen im unbewaffneten Kampf und zahlreichen Geländeübungen. Doch Elynia durfte nur vor der Mittagsstunde an der Ausbildung teilnehmen, weil die Zeit danach dem gemeinsamen Reifeprozess der anderen Krieger mit ihren Partnern diente. Die anderen ließen sie ihre Häme bei jeder Gelegenheit spüren und der hünenhafte Mensch, Sain, sprach offen davon, dass sie wahrscheinlich nur als Kanonenfutter gedacht war. Die Rekruten verbrachten so viel Zeit wie möglich mit ihren Novizen und so blieb Elynia nichts anderes übrig, als alleine in ihrem Zimmer zu lesen oder weiter zu üben. Aber jetzt stand eine helle Morgensonne am Himmel und alle Rekruten hatten sich um den kleinen Kampfplatz im dritten Innenhof ihrer Kaserne, wie sie ihren Ausbildungsort nach militärischer Gewohnheit nannten, obwohl er sich nicht vom Rest Celions unterschied, versammelt, da sie heute paarweise Übungskämpfe absolvieren sollten, um ihren aktuellen Kenntnisstand zu testen.

      »Beginnt!«

      Elynia und ihr Widersacher begannen sich langsam zu umkreisen. Ihr Gegner war einer der Zwerge, dessen Namen sie sich nicht hatte merken können. Aber er stach unter seinen Artgenossen heraus, weil sein Bart nicht schwarz war, wie bei den anderen, sondern eine feuerrote Färbung hatte. Sie beobachtete seine Bewegungen genau. Weil man ihnen eine freie Waffenwahl überlassen hatte, war der Zwerg nicht mit einem schlanken Holzschwert ausgestattet, so wie sie, sondern mit der massiven Nachbildung einer Streitaxt. Auch ansonsten unterschied sich sein Kampfstil völlig von dem ihren. Elynia hatte sich über Jahre eine unglaubliche Geschmeidigkeit angeeignet und bewegte sich schnell und lautlos wie eine Katze. Der Zwerg hingegen ließ bei jedem Schritt Staub aufwirbeln und seine Bewegungen wirkten grob und eckig. Elynia hatte ihn bereits bei Übungen gesehen und wusste, dass seine Stärke allein in der Kraft lag. Und offensichtlich nicht in der Geduld, denn kaum dass sie eine Vierteldrehung vollführt hatten, schien ihm das Umkreisen zu langweilig zu werden und mit einem wilden Schrei ließ er die Axt einmal um den Kopf kreisen, bevor er sie auf Elynia hinabsausen ließ. Sie war darauf vorbereitet und wehrte den Schlag mit Leichtigkeit ab, obwohl die Wucht sie leicht in die Knie gehen ließ. Sie hätte der Attacke auch problemlos ausweichen können, doch die Wucht des Schlages hätte den Zwerg wohl mit sich zu Boden gerissen und diese Schmach wollte sie ihm ersparen, da er zwar auch nicht mit ihr redete, jedoch als Einziger ab und zu ein herzliches Lächeln für sie übrig hatte. Daher ließ sie ihn ein paar Mal zuschlagen, ohne selbst einen Gegenangriff zu starten, und parierte nur seine Schläge. Allerdings durfte sie dieses Spiel nicht zu weit treiben, denn der Zwerg war stärker als sie, und es kostete Elynia eine nicht unerhebliche Menge Kraft, zu parieren, und es würde den Augen des Trainers nicht entgehen, wenn sie sich zurückhielt. Außerdem war dies ihre einzige Möglichkeit, sich bei den anderen etwas Respekt zu verschaffen, weshalb sie schon kurz darauf in die Offensive überging, auch wenn sie es bereute, dass ausgerechnet dieser Rekrut ihr Opfer war. Sie wartete seine nächste Attacke ab, ließ die Axt an ihrem Holzschwert abgleiten, sodass sie sich in den Boden bohrte und sprang direkt vor den Zwerg. Mit einer raschen Drehung um die eigene Achse gelangte sie hinter ihn und legt ihm ihr Schwert an die Kehle.

      »Tot!«

      Unter den Umstehenden brach leises Gemurmel nach dieser Machtdemonstration aus und der Trainer erklärte den Kampf für beendet. Die Kontrahenten verließen den Ring und machten somit Platz für das nächste Paar. Elynia stellte sich etwas abseits zu den anderen. Aber anders als sonst blieb sie nicht allein, denn der Zwerg gesellte sich mit einem warmen Lächeln auf den Lippen zu ihr.

      »Das war ein guter Kampf«, donnerte er anerkennend, ehe er sich tief verbeugte und fortfuhr, »Stiglitz Steinarm, stets zu Diensten. Mir ist es egal, was die anderen sagen oder dass man euch keinen Novizen zugeteilt hat. Denn es ist ein ungeschriebenes Gesetz im Kjarzgebirge, aus dem ich stamme: Wer im Kampf besiegt wurde, schuldet seinem Gegner Respekt und wenn dieser es verlangt, so muss er sich den Bart stutzen und fortan in Schande leben. Außerdem sagte ich doch bereits im Speisesaal, dass ich gerne einmal auf einen Humpen Met bei dir vorbeikomme.« Elynia lachte herzlich, teils aus Überraschung darüber, dass er so freimütig mit ihr sprach, aber hauptsächlich aus unendlicher Dankbarkeit darüber, von ihm nicht wie eine Aussätzige behandelt zu werden.

      »Behaltet euren Bart, Meister Stiglitz, denn ohne ihn würdet ihr lächerlich aussehen! Außerdem wäre es nicht klug, sich einen zum Feind zu machen, der eine Axt mit solcher Wucht führen kann«, beruhigte sie ihn munter. Die gute Stimmung des Zwerges hatte sie angesteckt und sie genoss es, die Feinheiten der Fehler der anderen während des laufenden Kampfes mit ihm detailliert zu erörtern und die einzelnen Manöver zu bewerten. Das erste Mal, seit sie sich zurückerinnern konnte, hatte sie wirklich das Gefühl, erwünscht zu sein. Es dauerte bis zum frühen Nachmittag, ehe alle Kämpfe beendet waren und so hatte sie lange Zeit, sich mit Stiglitz zu unterhalten, doch dann kehrte die Zeit der Einsamkeit zurück, als die anderen sich wieder zu ihren Novizen begaben und Elynia alleine zurückblieb. Sie beschloss, zunächst zum großen Saal zu gehen, um sich etwas zu essen zu besorgen. Auf ihrem Weg wurde sie von einer Elfe abgefangen. Elynia sah in die grünen Augen, die sie abschätzig musterten und wartete darauf, dass die Elfe ihr sagte, was sie wollte.

      »Rekrutin Elynia?«, fragte die Elfe in gelangweiltem Ton, der verriet, dass es sich nicht wirklich um eine Frage handelte.

      Sie nickte.

      »Der Kommandant möchte dich sprechen, komm mit!« Neugierig folgte sie der Elfe, die rasch vorauslief, ein wehendes Bündel schwarzer Haare hinter sich herziehend. Sie hatte die Elfe noch nie zuvor gesehen, aber das Abzeichen auf ihrer Kleidung besagte, dass sie wohl schon länger in Celion weilte als Elynia. Sie wurde durch einige wenige Gänge geführt, bis zu einer massiven kleinen Holztür. Die Elfe klopfte dreimal kräftig gegen das Holz.

      »Bring sie herein«, ertönte von drinnen eine mürrische Stimme.

      Die Elfe öffnete die Tür und bedeutete Elynia einzutreten. Als diese durch den Türspalt getreten war, fiel die Tür wieder hinter ihr ins Schloss und sie war alleine mit Kommandant Olk, der auf einem Stuhl hinter einem Schreibtisch saß, der völlig überladen war mit Briefen, Karten und anderen Dokumenten. Ansonsten bestand der Raum nur aus Regalen, die bis zur Decke