Eine Tote im Fluss. Wolfgang Breuer

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Название Eine Tote im Fluss
Автор произведения Wolfgang Breuer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961360635



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sah, verfinsterte sich seine Miene. „Wem gehört die?“, fragte er scharf, bevor überhaupt ein anderes Wort gesprochen worden war.

      „Ihm“, antwortete Klinkert und drehte ein wenig an der Armschraube.

      „Warum haben Sie eine Waffe dabei?“, wollte der Beamte wissen. „Lassen Sie ihn bitte mal los. Der haut uns nicht ab“, bat er beiläufig.

      „Warum, warum …“, äffte der Einbrecher nach. „Warum hat man eine Kanone? Zum Selbstschutz natürlich. Hätte ich vorhin gut gebrauchen können. Der Typ hier hat auf mich geschossen.“

      „Ist das wahr?“

      „Blödsinn! Ich habe nicht auf ihn geschossen. Der Schuss hat sich gelöst, als ich ihm die Waffe abringen wollte. Niemand wurde getroffen. Das Geschoss steckt draußen im Rasen.“

      „Abringen. Interessant“, meinte Höver, während der mit spitzen Fingern den Revolver aufnahm und an der Mündung schnupperte. „Wie lief das denn ab? Oder warten Sie“, wehrte er mit erhobenen Händen ab. „Das wird alles später kommen. Jetzt prüfen wir erst einmal Ihrer aller Identität. Können wir mal Ihre Personalausweise oder Reisepässe sehen?“

      Desiree holte ihren und den Pass ihres Mannes aus dem kleinen Büro. Die beiden Eindringlinge konnten oder wollten mit derlei nicht aufwarten.

      „Wie, keine Personalpapiere dabei?“, fragte Sarah Renner, immer noch sehr freundlich. Schulterzucken bei den Angesprochenen.

      „Vielleicht sollten Sie mal nach deren Klamotten schauen. Die liegen, glaube ich, noch immer draußen hinter der Thuja-Hecke“, meinte Frau Klinkert. „Da haben wir die beiden auch entdeckt, als wir aus Italien zurückkamen.“

      „Ja, ich hol‘ sie Ihnen“, rief ‚Tarzan light‘ und wollte schon nach draußen enteilen. Aber da hatte er die Rechnung ohne Sarah Renner gemacht. Die stellte sich kurzerhand in dessen Laufweg und brachte blitzschnell seine rechte Hand in eine außergewöhnlich schmerzhafte Haltung für deren Besitzer. „Wenn, dann gehen wir gemeinsam“, sagte sie. Und das duldete keinen Widerspruch.

      „Lass mich doch in Ruhe, Du dumme Fo…!“ Sarah Renner wurde ernst.

      „Wie bitte?“, brüllte ihr Kollege den Typen an. „Wir wollen doch hier höflich bleiben. Klar!? Sie hätten zumindest allen Grund dazu.“

      „Was willst Du Arschloch denn? Du kannst uns gar nix.“

      „Na, schon allein das A-Wort reicht für eine Beamtenbeleidigung. Und Ihr aggressives Verhalten gefällt mir überhaupt nicht.“ Mit einem Griff auf den Rücken hatte er Handschellen von seinem Gürtel geholt und zunächst an dem Arm festgemacht, den die Kollegin so sehr unter Spannung gehalten hatte. Dann kam der nächste dran. „Fertig. Setzen“, befahl Höver.

      „Wir haben nix gemacht. Außer ‘nem kleinen Nümmerchen da draußen im Garten.“

      „Jetzt nehmen Sie sich mal zusammen! Hier sind schließlich drei Frauen mit im Raum“, motzte der Polizist.

      „Wieso? Meinste, die wüssten nicht, was ‘n Nümmerchen ist. Ohne die Weiber ginge das alles ja gar nicht“, griente der Typ, der trotz der Klemme, in der er saß, seine große Klappe einfach nicht halten konnte.

      „Setzen!“, wiederholte der Beamte.

      Und endlich folgte das Großmaul. Mit den Händen auf dem Rücken. Höver setzte sich daneben, um Notizen machen zu können. Reinhard stellte allen ein Glas Mineralwasser hin.

      Auch den ungebetenen Gästen. Derweil war Sarah Renner mit Desiree Klinkert zusammen nach draußen gegangen, um nach den Sachen der Eindringlinge zu sehen.

      „Dort vorne habe ich sie entdeckt. Sie hatten Sex. Und ich dachte zunächst, das sei Hanna, unsere Tochter. Wollte natürlich nicht stören und bin gemeinsam mit meinem Mann wieder ins Haus gegangen.“

      „Das ist ja nicht zu fassen“, war die Polizistin baff. „Ist das wirklich wahr? Die machen einfach auf fremdem Gelände miteinander rum, wo sie nicht hingehören und wo sie niemand reingelassen hat?“

      „Genau so ist es. Die sind ganz offensichtlich durch die Terrassentür rein, die Hanna nur leicht zugezogen hatte, als sie fortging. Ich hab‘ ihr tausendmal gesagt, dass das nicht geht. Aber für sie war‘s praktisch und sie meinte immer, dass hier in dem ‚Kaff‘ sowieso keiner einbrechen würde.“

      „Aber wie sollen sie denn an die Adresse rangekommen sein?“

      „Angeblich haben sie die an der Badestelle unserer Tochter an der Eder gefunden. Behaupten sie zumindest. Da hätten Hannas Papiere gelegen.“

      „Und daher kannten sie wohl auch Ihre Adresse.“

      „Genau. Das haben sie uns sogar brühwarm erzählt. Nachdem sie hier eingebrochen waren, haben sie alles fein säuberlich auf dem Tisch im Wohnzimmer deponiert.“

      „Ja – und wo ist Ihre Tochter?“

      Schulterzucken. „Wir wissen es nicht. Und wir hatten auch noch keine Chance, nach ihr zu suchen. Denn als wir aus Italien zurückkamen, mussten wir ja zunächst annehmen, dass Hanna hier ist. Das Haus war sperrangelweit offen. Und dort vorn glaubte ich sie mit ihrem Freund gesehen zu haben.

      Nachdem wir endlich gemerkt hatten, dass die Frau nicht unsere Hanna ist, hatten wir richtig Stress, die beiden unter Kontrolle zu kriegen. Ich habe sofort Ihre Kollegen von der Wache in Berleburg angerufen. Und mein Mann hat die weglaufende Frau eingefangen. Dabei hat ihn dann der Typ mit der Waffe bedroht.

      Reinhard wollte ihm das Ding abnehmen. Und bei der Rangelei hat sich wohl der Schuss gelöst. Dann hat er die beiden schließlich reingebracht. Dem Mädel musste ich dann noch eine reinhauen, weil es mich anfallen wollte.“

      „Abenteuerlich“, meinte die Beamtin, während sie sich nach einem Rucksack und ein paar Sommerklamotten bückte, die wild verstreut auf dem Rasen lagen. „Ist gar nicht so viel, was die dabei haben. Aber vielleicht steht ja hier irgendwo noch ihr Auto rum, wo der Rest drin liegt.“

      Mit ihrer ‚Beute‘ kehrten die beiden Frauen in dem weitläufigen Garten schließlich wieder um. „Hier ist übrigens wohl das Loch, das bei dem Schuss entstanden sein muss“, zeigte Desiree Klinkert auf den sonst makellosen aber recht trockenen Rasen.

      „Ui, da müssen wir unter Umständen noch das Geschoss rauspuhlen oder ausgraben lassen.“ Sarah Renner sah die Hausherrin dabei von der Seite an und fragte schließlich, ob sie denn nicht mal den Versuch gemacht habe, ihre Tochter per Handy zu erreichen.

      „Das ist ja die Krux“, lamentierte Frau Klinkert. „Das Handy liegt auch bei den Sachen im Wohnzimmer. Allerdings mit leerem Akku. Wundert mich bei unserer zerstreuten Professorin allerdings nicht. Sie büffelt nämlich augenblicklich für mehrere Prüfungen an der Uni. Sie hat den Kopf wo ganz anders.“

      Auf der kleinen Lichtung im Uferwald und am Wegesrand hatten die KTU-Leute sogar noch Akku-Strahler aufgebaut, um noch eine Weile effektiv arbeiten zu können. Es war zwar noch immer genügend Tageslicht vorhanden. Doch das wurde von der mittlerweile tiefer stehenden Sonne so flach über die Berge am Rande des Edertals ausgesandt, dass sogar die Grashalme störende Schatten warfen.

      „Das Licht muss hell sein und von oben kommen“, hatte Gerd Steiner bestimmt. Aber geholfen hatte es nicht mehr sehr viel. Und die Männer in den weißen Anzügen waren auch so ziemlich am Ende ihrer Kräfte.

      Schweißnass und ausgezehrt saßen sie zu einer Art Abschlussbesprechung auf ihren Klappstühlen am Rüstwagen der KTU und leerten dabei eine Flasche Mineralwasser nach der anderen.

      Kriminalkommissar Lukas, an diesem Tag ja Einsatzleiter, bedankte sich bei den Männern für ihre außerordentliche Leistung. „Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht“, sagte er. „Aber für mich muss ich sagen, dass ich heute auf das Ergebnis der grausigsten Tat geschaut habe, die mir bisher im Dienst untergekommen ist.“ Die meisten nickten beifällig. Keiner von ihnen wusste, wie lange er die Bilder des heutigen Tages mit sich herumschleppen würde. Auch keiner von den ganz Hartgesottenen.