Eine Tote im Fluss. Wolfgang Breuer

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Название Eine Tote im Fluss
Автор произведения Wolfgang Breuer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961360635



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gab sich der Hausherr betont lässig. Aber ihm sauste die Muffe 1:200.000. Doch der Coup war nun mal gelungen.

      Lässig zielte er seinem Widersacher mit der Waffe auf den Bauch und befahl: „Umdrehen! Und ab zum Haus. Und Sie auch“, herrschte er die total verdutzte Frau an. „Aber dalli! Wie ich meine Frau kenne, wird die sich richtig freuen über Ihren Besuch.“

      Und wie die sich ‚freute‘. Desiree stand drinnen, hinter der geschlossenen Glastür und starrte, das Telefon noch in der Hand, auf das Trio, das ihr da entgegenkam. Auf einen Wink ihres Mannes schob sie den schweren Glasflügel zur Seite und begab sich außer Reichweite der beiden Einbrecher.

      Mit einem katzenhaften Satz war die immer noch halbnackte Frau bei ihr und wollte sie angreifen. Doch das büßte sie schneller als sie gucken konnte. Desiree hatte ihren Sprung nach vorn noch in der Luft mit einem wuchtigen Handkantenschlag seitlich auf den Hals jäh gebremst und sie kraftlos zusammenbrechen lassen.

      „Taekwondo, schwarzer Gurt, zweiter Dan“, stellte ihr Mann nüchtern fest. „Ich würde Ihnen raten, sich nicht mit meiner Frau anzulegen. Mit mir übrigens auch nicht. Ich kann aber leider nur Karate.“ Der Schmalspurtarzan schluckte und schaute jetzt noch blöder aus der Wäsche.

      „Ich hab‘ übrigens die Polizei schon angerufen. Die schicken so schnell wie möglich eine Streife, wurde mir versichert.“ Desiree Klinkert legte das Mobilteil des Telefons zur Seite und schaute mit einer Mischung aus Wut und Mitleid auf die Frau am Boden. Die kam langsam wieder zu sich und weinte, während sie mit einer Hand die Einschlagstelle an ihrem Hals massierte.

      „Wo ist Hanna?“, fragte sie die mittlerweile erbärmlich Zitternde am Boden.

      „Wo ist wer?“

      „Unsere Tochter. Hanna! Wo ist sie?“, insistierte die Mutter mit Nachdruck.

      „Keine Ahnung. Woher soll ich das denn wissen?“

      „Woher?“, rief Desiree hysterisch. „Ja, aber wie kommen Sie denn in unser …“ – ‚Haus‘ wollte sie noch sagen. Doch ihr Mann unterbrach sie und packte dem Kumpanen, der sich gerade dem Griff seiner linken Hand entwinden wollte, mit rechts ziemlich brutal zwischen die Beine.

      „Junge, wenn Du noch einen solchen Versuch machst, mach Dich auf was gefasst. Dann is‘ nix mehr mit ‚mal in aller Ruhe vögeln‘, wie draußen im Garten. Du bleibst jetzt hier stehen, bis die Polizei da ist. Und in der Zwischenzeit erklärst Du uns noch mal in aller Ruhe, warum Ihr hier seid und wie Ihr in den Besitz von Hannas Sachen kamt.“

      Doktor Kölblin war gemeinsam mit dem ‚Freak‘ zur Fundstelle auf der kleinen Lichtung gekommen. Während der Doc noch ein Telefonat führte, gab der Kriminalbeamte seinem Chef schnell einen Bericht über die Befragungen. „Nichts brauchbares darunter“, erzählte er enttäuscht. „Keiner hat etwas gesehen. Bis auf die beiden Jungs, die die Tote gefunden haben. Zwei Brüder, neun und elf Jahre alt. Die sind total fertig und werden jetzt zu Hause vom Notfallseelsorger und einem Arzt betreut.

      Die Eltern sind natürlich fast genauso schwer betroffen. Wer rechnet schon damit, dass seine Buben beim Spielen am Flussufer einen solchen Fund machen? Keine Ahnung, wie man das aus deren Köpfen wieder rausbekommt.“

      „Das wird schwer“, nickte Klaus. Man sah ihm an, wie sehr auch ihn der Fall belastete. „Das ist so unerträglich, was wir hier haben. Ich …, ich kann es gar nicht beschreiben.“

      „Ja, ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich mich da heute schon an meinen Grenzen gesehen habe“, nickte Lukas. „Und was Ihr hier im Wäldchen gefunden habt, muss die Unerträglichkeit ja nur noch steigern, sagen die Kollegen.“

      „Da vorne auf der kleinen Lichtung muss sich Furchtbares abgespielt haben“, antwortete Klaiser. „Hier, guck Dir das an“, zeigte er Lukas das Display seines Smartphones, auf dem er im Zweisekundentakt Fotos durchlaufen ließ.“

      „Oaaaaah, mach das weg, Chef. Bitte!“ Sven wandte sich ab und bekam einen Hustenanfall, während Doktor Kölblin um eine erneute Vorführung der Bilder bat. Tonlos bewegte er dabei seine Lippen. Der Mediziner verstand offenbar die Welt nicht mehr.

      Genauso wenig wie jene Männer im weißen Ganzkörperkondom, die jetzt auf und um die Lichtung herum Schwerstarbeit leisteten. Teilweise auf allen vieren kriechend, suchten sie den Waldboden nach jeder noch so kleinen Spur ab. Stets darauf achtend, dass sie nicht irgendetwas übersehen oder gar durch Fußtritte zerstören würden.

      Keiner von ihnen hielt seinen Blick länger auf den Blutlachen, die einen hässlich süßlichen Duft verbreiteten und offenbar eine Labsal für jede Art von Fluginsekten darstellten.

      „Wir müssen die Fläche absperren und Proben nehmen an allen möglichen Stellen. Kann sein, dass da auch Blut eines Täters dabei ist. Das will ich haben“, hatte Steiner denn auch entschieden. „Bringt die Proben bitte schnell zum Doc raus, bevor der hier reinkommt. Wir brauchen nicht noch jemanden, der alles platt trampelt.“

      „Hab‘ schon verstanden“, erscholl die sonore Stimme des Gerichtsmediziners durch das Gebüsch. „Danke fürs Einsammeln. Ich mach‘ mich dann, wenn nichts dagegen spricht, schon mal zurück ins Institut. Ich will möglichst schnell obduzieren und mich an einer Gesichtsrekonstruktion versuchen. Wir wollen ja schließlich wissen, wer die unglückselige Person ist.“

      „Klar“, rief Gerd Steiner zurück. „Aber Sie werden sich noch einen Moment gedulden müssen. Hier geht noch ein Pfad in die Büsche, der, wenn ich mich nicht irre, auf dem Weg herauskommen müsste. Auch da liegt reichlich Blut. Kann da mal jemand von draußen ran und nachschauen, ob dort was zu finden ist?“

      Rüdiger Mertz war mit wenigen Schritten an der vom KTU-Mann beschriebenen Stelle. „Sie haben recht“, rief er, „hier muss ebenfalls was ganz übles passiert sein!“

      „Wieso?“ Steiner war hellhörig geworden.

      „Weil hier nicht nur Blut im Gras und auf dem Boden zu finden ist. Hier gibt es offenbar auch Gewebefetzen. Aber das müssen Sie sich selbst anschauen. Ich glaube, das könnte auch interessant für Doktor Kölblin sein.“

      „In Sachen Haut und Blut bin ich eh die Nummer eins“, rief es aus dem Busch. Kölblin hatte sich in Gang gesetzt.

      „Aber lassen Sie mir noch ‘n Schluck übrig“, rief Steiner zur Vervollkommnung der makabren Inszenierung hinterher.

      „Das ist deren besondere Art des Sarkasmus, den sie wohl pflegen müssen, um mit einer solchen Scheiße überhaupt fertig werden zu können“, entschuldigte Klaiser gegenüber Sven Lukas die lautstark geführten Gespräche der beiden Spezialisten.

      „Ach, wir können noch ganz anders“, wandte Doktor Kölblin ein. „Aber mir ist hier wirklich nicht danach.“

      Nachdem er, neben den Tüten aus dem Gebüsch, auch noch die mit der DNA vom vermeintlichen Liebesspiel übergeben bekommen hatte, verabschiedete sich Kölblin und ließ sich vom ‚Freak‘ wieder zurück zur Ederbrücke bringen. Dort warteten seine beiden Mitarbeiter bereits in dem Transporter, in dem sie auch gleich die sterblichen Überreste der jungen Frau mit nach Siegen nahmen.

      „Hier ist die Polizei. Sie hatten uns gerufen.“ Die Meldung einer netten Frauenstimme kam aus der Haussprechanlage, an der sich Desiree Klinkert auf Klingeln gemeldet hatte. Mit dem Summer öffnete sie die Haustür und ging dann selbst zur Tür zum Vorraum, um die Beamten einzulassen.

      „Oh, das ging ja dann doch ganz schön flott“, sagte sie und bat die Uniformierte und deren Kollegen ins Haus.

      „Guten Abend. Ich bin Oberkommissarin Sarah Renner. Und das ist mein Kollege, Oberkommissar Jens Höver“, stellte sie den zweiten Beamten vor.

      „Wir sind vom Revier Bad Laasphe und von den Berleburger Kollegen um Hilfe gebeten worden. Für die gibt es augenblicklich sehr viel zu tun. Was ist denn passiert?“

      „Kommen Sie erst mal mit durch, bitte. Dann werden Sie selbst sehen, was hier los ist.“ Desiree führte die beiden Polizisten um die Kaminecke, wo sie von Reinhard