Eine Tote im Fluss. Wolfgang Breuer

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Название Eine Tote im Fluss
Автор произведения Wolfgang Breuer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961360635



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Schatz, hat sie nicht.“

      Die Nachricht ihres Mannes durchfuhr Desiree Klinkert wie ein Blitz. Tief atmend fragte sie: „Hat sie … nicht? W…, wo…, woher weißt Du das so genau?“

      „Von Maybrit, Sophie und Ole. Die waren gestern Abend alle im ‚Tonkrug‘ und haben gewartet. Nur Hanna war nicht da. Zur verabredeten Zeit um 21 Uhr nicht und auch zum Geburtstag um Mitternacht nicht.“

      „Und wo war ihr Freund? Wo war Arne Priester?“

      „Der war auch nicht da.“

      „Ja, aber wie ist denn so was möglich? Das gibt‘s doch gar nicht. Vielleicht war sie ja bei ihm zu Hause. Hast Du ihn denn nicht angerufen?“

      „Natürlich. Aber der hat sowohl an seinem Festnetz-, als auch an seinem Mobiltelefon die Mailbox hängen. Ich hab‘ nur seine Eltern erreicht. Die sagen, er sei schon seit Tagen nicht mehr aufgetaucht. Das hätte bei ihm aber wenig zu bedeuten. Er sei häufiger mal länger beruflich unterwegs.“

      „Aber doch nicht über Hannas Geburtstag“, weinte Desiree Klinkert plötzlich los. „Sie hatte sich so darauf gefreut, mit ihm und den paar Freunden hineinzufeiern.“

      Dann sprang sie auf. „Aber Sie, Herr ääh … Herr Hauptkommissar, Sie sind doch nicht ohne Grund extra hergekommen. Was haben Sie denn für Informationen?“

      „Ich glaube, Sie setzen sich am besten erst einmal hin, Frau Klinkert“, antwortete Klaiser ganz ruhig. Dabei war ihm so unwohl, dass es kaum zu beschreiben war. „Ich möchte Ihnen zunächst einmal etwas zeigen.“ Dabei legte er sein Smartphone vor ihr auf den Tisch und ließ ein Foto nach dem anderen über das Display laufen.

      „Gehören diese Kleidungsstücke eventuell Ihrer Tochter Hanna?“

      „Ach, sind das die Sachen, die dieses Einbrecherpärchen gefunden hat? Wo sind die beiden überhaupt?“

      „Die sitzen in Berleburg in der Arrestzelle.“

      „Und haben die vielleicht was mit Hannas Verschwinden zu tun?“, schaltete sich Reinhard Klinkert ein.

      „Das können wir noch nicht sagen“, erklärte der ‚Freak‘, „im Moment sind sie eher nicht verdächtig.“

      Klaus lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Fotos. Sein Inneres rebellierte. Weil er ahnte, dass es gleich zu einer Katastrophe kommen könnte.

      „Die beiden Einbrecher sind, soweit wir das beurteilen können, Gelegenheitsdiebe. Die klauen zwar wie die Raben, scheinen aber nicht bösartig zu sein.“ Sven Lukas wollte mit seiner Beschreibung von ‚Bonnie‘ und ‚Clyde‘ etwas Druck aus der Geschichte nehmen.

      „Nicht bösartig? Das kann ich nun wirklich nicht sagen. Immerhin ist der Typ mit einer geladenen Waffe auf mich los“, bemerkte Klinkert ziemlich schroff. „Und meine Frau wurde von der tobenden Frau angegriffen.“

      „Aber für den Mord kommen sie nach derzeitiger Lage der Dinge nicht in Frage. Schon aus zeitlichen Gründen nicht“, erklärte der Kripo-Chef. „Wir werden uns die beiden morgen aber wieder vornehmen. Seien Sie beruhigt. Priorität hat aber auf jeden Fall die Ermittlung des oder der Täter.“

      Im Wohnzimmer der Klinkerts war es beunruhigend still geworden. Lediglich das leise Fauchen der Klimaanlage war zu hören. Noch immer herrschten draußen tropische Verhältnisse. Umso angenehmer waren die Temperaturen im Haus. Dennoch standen jetzt kleine Schweißperlen auf der Stirn der Hausherrin.

      „Sagten Sie vorhin ‚Mord‘? Herr …“, Desirees Stimme versagte.

      „Klaiser, Frau Klinkert. Mein Name ist Klaus Klaiser. Ja, ich sprach von Mord.“

      „Das ist ja entsetzlich. Also kein Unfall, kein …“, wieder versagte ihre Stimme. Desiree fand zu keinem klaren Gedanken mehr. Vor ihren Augen geriet alles in Bewegung. Sie fühlte sich einem Zusammenbruch nahe. Doch ihr Mann saß neben ihr, umfing ihren Oberkörper mit einem Arm und gab ihr mit der anderen Hand zu trinken.

      „Komm Schatz, bitte, das ist jetzt wichtig für die Polizei. Gehören die Sachen auf den Fotos unserer Tochter?“

      Desiree ließ sich die Aufnahmen noch einmal zeigen. Dann knickte sie auf einmal ein. Reinhard konnte sie gerade noch so abfangen. Wieder gab er ihr zu trinken. Mit glasigem Auge schaute Desiree zuerst ihren Mann an, dann Klaus Klaiser. Offenbar hatte sie realisiert, dass eine Tragödie über ihre Familie hereingebrochen war.

      „Ja“, stammelte sie, „ich kenne die Sachen. Das Badelaken, den Bikini, die Bermuda und das Poloshirt.“ Dann warf sie ihren Kopf an die Schulter ihres Mannes und plötzlich bebte ihr Körper wie unter Schüttelfrost. Ein unglaublicher Weinkrampf hatte sich ihrer bemächtigt und ließ sie laut schluchzen. Ihr Mann weinte mit.

      Betreten schauten die Polizeibeamten zunächst einander an und dann zu Boden. Diese beklemmende Szene hatte sich keiner von ihnen ausgesucht. Und doch konnte ihr niemand entkommen.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit richtete sich Reinhard Klinkert auf und fragte: „Haben Sie ein Foto von der Toten? Wir brauchen Gewissheit. Wir müssen wissen, ob das unsere Hanna ist.“

      „Nein“, sagte Sven Lukas, der gemerkt hatte, dass Klaus Klaiser zu einer Antwort nicht fähig gewesen wäre. So nahe war ihm der Zusammenbruch der Frau gegangen.

      „Tut mir leid. Wir haben kein Foto, das wir Ihnen zeigen können.“

      „Das glaube ich Ihnen nicht. Sie haben doch sicher Fotos von dem Ort gemacht, an dem die Tote gefunden wurde. Und Sie haben mit Sicherheit auch Fotos von dem Leichnam. Warum dürfen wir die nicht sehen?“, insistierte Klinkert.

      „Weil sie zu einer Identifizierung nicht taugen würden“, stellte Sven nun nüchtern fest. „Tut mir leid.“ Seine Blicke suchten irgendwas in der Wohnung, nur nicht die Blicke von Hannas Vater.

      Reinhard Klinkert gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. „Wenn Sie kein Foto haben, dann lassen Sie uns bitte zu ihr.“

      Sven schluckte. „Das geht nicht. Die Lei…, äh … die Frau ist in der Gerichtsmedizin.“

      „Hören Sie“, wurde der Hausherr plötzlich bestimmend, „Ich will jetzt sofort ein Foto von der toten Frau sehen. Ich habe ein Recht darauf!“

      „Aber es ist doch, wie gesagt, bisher nur eine Vermutung. Wir wissen nicht, wer die Tote ist.“ Der ‚Freak‘ hob und senkte resignierend die Schultern. Er wollte unter allen Umständen vermeiden, dass die Eltern die so malträtierte Leiche zu Gesicht bekommen. Und er wollte deren Zustand auch nicht beschreiben. Da kam ihm Klaus zu Hilfe, der sein extremes Unwohlsein endlich in den Griff bekommen hatte. „Ein Foto würde Ihnen nichts helfen, Herr Klinkert. Denn ihr Gesicht ist durch äußere Einflüsse total entstellt.“

      Der Angesprochene starrte ihn an.

      „Was heißt das, ‚total entstellt‘?“

      Klaus druckste herum. Doch der erregte Vater nötigte ihn zu einer klaren Auskunft. Also atmete der Kripo-Chef durch und fasste sich ein Herz. Wissend, dass er die Grenzen des Erträglichen sprengen würde.

      „Verzeihen Sie. Aber es lässt sich leider nicht anders beschreiben. Die Tote hat kein Gesicht mehr.“

      „Neiiin, lieber Gott, neiiin!“, schrie Reinhard. „Mach, dass das nicht wahr ist!“ Noch immer hielt er seine Frau eng umschlungen. Doch die bekam gar nicht mehr mit, was gerade passierte. Eine gnädige Ohnmacht ließ sie fast seinen Händen entgleiten.

      Die Beamten waren wie erstarrt. Das Leid der Eltern auch noch durch diese furchtbare Nachricht zu verstärken, das war das größte Elend für die beiden.

      „Herr Klinkert, ich bitte Sie, wir sind nach wie vor nicht sicher, ob es sich bei der Toten tatsächlich um Ihre Hanna handelt“, griff Sven wieder ein. Doch der Vater hatte resigniert. Weinend fragte er zurück, „ja, wer soll es denn sonst sein?“

      Als Klaus Klaiser an diesem Abend nach Hause kam, fiel