Eine Tote im Fluss. Wolfgang Breuer

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Название Eine Tote im Fluss
Автор произведения Wolfgang Breuer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961360635



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aufgetaucht war, konnte es für den Mord nie und nimmer infrage kommen. Das wussten auch die Kollegen. Immerhin hatte die Leiche laut Gerichtsmediziner mehrere Tage im Wasser gelegen. Und auch die übrigen Funde waren alles andere als frisch.

      Wieder zerrte der Versuchs-Tarzan an den Ketten. „Ihr wollt uns hier irgendeine Scheiße anhängen. Aber da habt Ihr Euch geschnitten.“

      „Wir wollen Ihnen keineswegs ‚irgendeine Scheiße anhängen‘, wie Sie sagen. Nur Fakt ist, dass Sie für uns bisher die Einzigen sind, von denen wir wissen, dass sie an dieser Stelle waren. Und hier ganz in der Nähe hat ein bestialischer Mord stattgefunden. An einer Frau, die hier gebadet und womöglich danach ein wenig geschlafen hat. Geht das vielleicht in Ihre Birne?“

      Wieder entwich die Farbe aus dem Gesicht des Mannes in Handschellen. „Wir waren das nicht, wirklich nicht“, wurde er plötzlich ganz kleinlaut. „Ganz bestimmt nicht. Mit dem Mord haben wir nix zu tun.“

      „Wann genau soll das denn gewesen sein?“, fragte ‚Bonnie‘ mit provokanter Stimme. „Heute Morgen, oder was?“

      „Das wissen wir nicht genau“, blieb der Hauptkommissar bewusst vage in seiner Antwort. „Wann genau waren Sie denn hier? Und warum eigentlich?“

      „Na, rate doch mal, Polyp“, antwortete sie spitz.

      „Komm, jetzt mach‘ keinen Blödsinn“, wurde der junge Mann plötzlich kooperativ. „Das können wir ihm ja ruhig sagen. So um halb zehn sind wir hier aufgetaucht.“

      „Und wo kamen Sie her?“

      „Von oben im Ort. Von der Kirche.“

      „Von der Kirche? Was haben Sie denn da gemacht?“

      „Nix“, antwortete die Frau, bevor ‚Clyde‘ etwas sagen konnte. Sie schien die Härtere von den beiden zu sein.

      „Wie? Nix.“

      „Wir haben nix gemacht. Wir waren nur da.“

      „Ach so, Sie haben eigentlich in den Gottesdienst gewollt, aber dann die Lust verloren. Oder wie muss ich das verstehen?“

      „Wie Du das verstehen musst, ist mir so was von scheißegal, das kannste Dir überhaupt nicht vorstellen, Du Arsch.“

      „So, jetzt reicht‘s!“ Klaiser war stinksauer. „Ich lasse mich von Ihnen nicht permanent beschimpfen und beleidigen. Das gilt im Übrigen auch für die Kollegen. Ihnen fehlt es ganz offensichtlich an jeder Form geistiger und sittlicher Reife. Und an Unrechtsbewusstsein sowieso. Sperrt die Frau bitte schon mal in den Bulli“, sagte er, an die Laaspher Kollegin gewandt.

      „Wieso das denn jetzt schon wieder? Wir haben doch gar nix gemacht!“, schrie ‚Bonnie‘ auf und wand sich wie ein Aal in ihrer Fesselung.

      „Nix gemacht, ist schon mal leicht untertrieben“, merkte Sarah Renner an, als sie die Randalierende mit Mertz‘ Hilfe in den Wagen verfrachtete und an einer Halteschlaufe festmachte.

      Als die Frau weggeschlossen war, machte der Kripo-Chef einen erneuten Versuch, mit deren Compagnon zu reden. Der schien ihm mittlerweile so ‚weichgeklopft‘, dass er reden würde, hatte Klaus den Eindruck. Sven Lukas und er waren mit ‚Clyde‘ rüber zu dem zweiten VW-Bus gegangen, in dessen Fond sie sich nun an einem Tisch gegenübersaßen.

      „Also, noch mal“, eröffnete er das Gespräch, „was haben Sie an der Kirche gewollt und wieso kamen Sie hierher?“

      Sein Gegenüber rieb sich die Handgelenke, die mittlerweile von den Metallfesseln befreit waren. „Wir haben mit dem Mord nichts zu tun!“

      „Das war nicht meine Frage“, antwortete Klaus ruhig. „Was wollten Sie an der Kirche und wieso kamen Sie anschließend hierher?“

      „Wir haben mit dem Mord nichts zu tun“, kam es stereotyp über den Tisch.

      Klaiser blieb ruhig. „Hören Sie. Wenn Sie sich weiter stur stellen und nicht antworten wollen, können Sie sicher sein, dass ich Ihnen die Frage so oft stelle, bis Sie Alpträume kriegen. Wenn Sie wirklich nichts mit dem Gewaltverbrechen zu tun haben, dann war der Diebstahl heute hier dagegen doch nur ein Klacks.

      Oder erzählen Sie mir nur Scheiß und haben die Frau doch ermordet und sie anschließend in Gebüsch geworfen?“ Klaus, der ‚Clyde‘ bei der Frage fast ins Gesicht gekrochen wäre, hatte bewusst das Gebüsch gewählt und nicht das Wasser, in das die Ermordete geworfen worden war. Er erhoffte sich davon eine erkennbare Irritation. Aber da war nichts.

      „Nee, nee, nee! Nix da!“ Der andere wollte aufspringen, wurde aber von Sven wieder in den Sitz gedrückt. „Wir? – ‘ne Frau umgebracht und ins Gebüsch geschmissen? Nix! Du bist ja total bekloppt, Bulle! Wir waren an der Kirche, weil wir bei den Leuten da ‘n paar Geldbeutel ziehen wollten. Hat aber nicht geklappt. Einer hat‘s gemerkt. Und da mussten wir türmen.“

      „Ach du Sch…e“, verkniff sich der ‚Freak‘ den Kraftausdruck, den er öfter mal aus purer Verwunderung einsetzte. „Ihr seid Taschendiebe? Hundsgemeine Taschendiebe? Das darf doch nicht wahr sein.“

      „Ja“, antwortete ‚Clyde‘, in einer Art Kapitulation. „Wir sind nix anderes als hundsgemeine Taschendiebe.“

      Dann begann der Mann zu erzählen. Die beiden seien mit ihrem Wagen und „ohne was auf der Tasche zu haben, nicht mal Geld für Sprit“ am Sonntagmorgen durch Arfeld gekommen. „Als wir langsam durchfuhren, standen jede Menge Leute vor der Dorfkirche. Hochzeit oder so was, haben wir gedacht. Da lässt sich was machen. Wäre nicht das erste Mal gewesen.

      Aber das ging schief. Gleich beim ersten Versuch“, erzählte er freimütig. Ein Mann habe wohl ein Krabbeln an seiner rechten Pobacke gefühlt und beim Hinfassen die Hand von ‚Bonnie‘ erwischt, die in der Tasche mit der Geldbörse steckte. Sie habe sich losreißen können. Aber nur ein Sprint zum Auto habe sie gerettet.

      Das hätten sie aus Sicherheitsgründen ganz vorne an der Straße abgestellt. Und das sei in diesem Fall ihr Glück gewesen. Weil der Mann sie nämlich verfolgt habe. „Wir haben‘s nur ganz knapp geschafft und konnten noch rechtzeitig abhauen.“

      Unten im Ort, so erzählte er weiter, seien sie dann rechts abgebogen. „Hätte ja jemand mit dem Auto hinter uns herkommen können. Deshalb sind wir auch sofort auf so ‘n altes Industriegelände abgebogen, mit jeder Menge Schrott und Autos drauf. Mit dem bisschen Sprit im Tank wären wir wahrscheinlich nicht mal mehr zwei Kilometer weiter gekommen. Dann wäre die Karre stehen geblieben.“

      Und weil sie noch immer nicht sicher waren, ob ihnen jemand auf den Fersen war, hätten sie den Wagen dort stehen lassen und seien zu Fuß „in die Botanik gerannt. Erst über so ‘n kleinen Kanal und ein paar Meter weiter über eine Holzbrücke auf die andere Seite der Eder.“

      „Aha. Und wo war das?“

      „Da drüben“, zeigte ‚Clyde‘ flussabwärts. „Wir sind ein ganzes Stück am Fluss lang, bis wir hier an dieser Stelle rauskamen. Da hatten wir wenigsten Deckung. Und dann haben wir halt die Klamotten und den Personalausweis mit Wohnadresse gefunden.“

      „Moment, Moment“, unterbrach der ‚Freak‘, dem die ganze Story viel zu flott vorgetragen war, „im Personalausweis steht aber nur der Wohnort, also Bad Berleburg.“

      „Na und? Stimmt das etwa nicht?“

      „Doch, doch. Aber vom Ortsteil ist darin keine Rede. Woher wussten Sie denn, dass die Besitzerin der Kleidungsstücke aus Arfeld kommt? Hätte ja auch jeder x-beliebige andere Ort sein können.“

      ‚Clyde‘ nahm den etwas scharf vorgetragenen Einwand gelassen hin. „Stimmt. Aber uns war klar, dass das jemand hier aus dem Ort sein musste. Schließlich stand da ja noch so ‘n altes Fahrrad rum. Und bei der Hitze, dachten wir uns, fährt niemand kilometerweit von einem Dorf ins andere mit einem Fahrrad, nur, um bis zu den Knien im Wasser stehen zu können. Noch dazu mit so ‘nem Drahtesel, der nicht mal ‘ne Gangschaltung hat.“

      „Das mit dem Fahrrad irritiert mich jetzt ein