Название | Durchgeknallt |
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Автор произведения | Wolfgang Breuer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961360024 |
„Sieh mal hier vorne unten – am rausgezogenen Kotflügel und hier oben an der A-Säule, neben der Frontscheibe. Das ist schwarzer Gummi, der richtig mit Wucht da rein geknallt ist. Und am hinteren Kotflügel finden sich in dieser Macke hier Chromreste.“ Jürgen zeigte mit einem Kuli auf die Stelle, die aussah, als sei sie mit einer Flasche der Länge nach in das Blech gehauen worden.
„Ja – und was soll das jetzt? Das sind doch offenbar typische Unfallspuren, die er sich in Berghausen eingefangen hat. Hier an der A-Säule, das war der Spiegel von einem der beiden. Ich glaube, ich bin sogar über den drüber gefahren.“
„Eindeutiges Nein“, konterte Jürgen. „Beide haben zwar ihre Spiegel verloren. Aber die waren in Fahrzeugfarbe lackiert.
Auch das ist aktenkundig.“ Er schaute sein Gegenüber bedeutungsvoll an. „Die Jungs von der KTU sind felsenfest davon überzeugt, dass diese Spuren von einem dritten Unfall stammen. Und zwar einem, der schon v o r den anderen stattgefunden hat. Höchstwahrscheinlich mit einem Motorrad. Wahrscheinlich hat der Wahnsinnige irgendwo einen Biker von der Straße gefegt.“
Klaus Klaiser war sprachlos. „Ein Motorrad? … Wie um alles in der Welt haben sie denn das rausgefunden?“
„Eigentlich ganz einfach. Man muss nur die richtige Eingebung haben. Schau mal. Das hier vorne am Kotflügel war die Fußraste und das hier am Holm der Frontscheibe war der linke Griff des Motorradlenkers. Hinten am Kotflügel ist dann das Auspuffrohr eingeschlagen.“
„Nicht zu fassen.“ Klaus war sprachlos und dachte gleichzeitig an das arme Schwein, das da möglicherweise irgendwo in eine Wiese, einen Wald, womöglich sogar eine Böschung hinab gedrängt worden war und dort vielleicht immer noch, eventuell sogar schwer verletzt, hilflos herum lag. Das war sogar sehr wahrscheinlich. Denn Motorradunfälle waren laut Winter in den letzten 24 Stunden in ganz Südwestfalen keine gemeldet worden.
„Können wir denn ausschließen, dass der eigentliche Besitzer, also dass Bernd Mönkemann, vielleicht schon diesen Crash mit einem Motorrad hatte?“
„Offenbar schon, sagen die Kollegen. Der Wagen war gestern Morgen vor der Entführung noch in der Werkstatt. Das wäre denen dort aufgefallen, haben die den Beamten in Kirchhundem vorhin noch versichert. Vor allem auch, wenn dort der rechte Außenspiegel schon gefehlt hätte. Der ist jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwo an der unbekannten Unfallstelle zu finden. In Berghausen zumindest lag er nicht rum. Dort gab es nur Fetzen von einem linken Mondeo-Spiegel.“
„So ein Mist. Das hätte mir doch auffallen müssen, wenn dem rechts der Spiegel gefehlt hätte. Aber ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern.“
Doch das kümmerte jetzt eigentlich auch niemanden mehr. Viel interessanter war zu erfahren, ob irgendwo an der Fahrstrecke des Porsche eventuell ein hilfloser, verletzter Motorradfahrer lag. Oder vielleicht sogar ein toter. Klaus erinnerte sich, dass nicht an allen Passagen der Route freier Blick ins Gelände möglich war. Und längst nicht überall waren Leitplanken entlang der Straßen.
„Wir müssen unbedingt die Streifenkollegen informieren und sie bitten, verstärkt die uns bekannte Route abzufahren und dort jeder Auffälligkeit und jeder Fahrzeugspur ins Gelände nachzugehen“, rief Klaus zu Jürgen Winter herüber, der sich schon wieder ans Telefon geklemmt hatte.
Zwei Minuten später standen sie beim PvD. Und mit ihnen der Dienststellenleiter und Corinna Lauber. Die war trotz Spätdienst schon am Morgen auf der Wache erschienen. Von wegen, „ein Fall, der mich nicht interessiert“.
„Passt auf, wir machen Folgendes“, ordnete Bernd Dickel jetzt die Lage. „Klaus und Corinna, Ihr fahrt jetzt nach Raumland und kümmert Euch um die Frau, die dort mit dem Entführer gesehen worden sein soll. Wir müssen dringend wissen, mit wem er Kontakt hatte und warum. Und wir sorgen hier dafür, dass die Kollegen verschärft nach dem vermeintlichen Motorradfahrer Ausschau halten.“
Der wunderschöne Morgen hatte einem grauen, regnerischen Vormittag Platz gemacht. Corinna hatte gebeten, fahren zu dürfen. Sie durfte. Natürlich. Klaus mochte diese nette und unkomplizierte Kollegin. Corinna war in Girkhausen geboren. Gerade einmal zehn Kilometer von Berleburg entfernt. Eine recht hübsche Ausgabe der großen Lauber-Sippe, die schwerpunktmäßig den Nordwesten Wittgensteins bevölkerte.
Corinna hatte Polizei von der Pike auf gelernt bzw. studiert. Eine der vielen „Bulletten“, wie der weibliche Nachwuchs auf der so genannten „Bullenhochschule“ in Bielefeld genannt wurde. Nichts, was Corinna jemals hätte ärgern können. Sie wusste ja, wie die Polizei in der Öffentlichkeit gesehen wurde. Auch und vor allem in ihrer Generation. „Bulle“ war da schon eine fast liebevolle Bezeichnung für die Uniformierten. Darüber ärgerte sich auch fast niemand mehr unter den Kollegen.
Nach Studium und Bachelor-Abschluss landete die Frau mit dem Einserabitur als Kommissarin schließlich bei der Schutzpolizei in Dortmund. Aber größere Städte bereiteten Corinna Unbehagen. Sie mochte mehr das Landleben und vor allem das in ihrer Heimat. Ein Phänomen, das den meisten Wittgensteinern zueigen ist. Sie bekommen Heimweh, wenn sie mal länger von zuhause fort sind. Corinna machte ihren Dienst in der Bier-Metropole zwar ganz wunderbar. Ihre Vorgesetzten und die Kollegen waren höchst beeindruckt. Aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit machte sie klar, dass Dortmund für sie keine Option für die Zukunft sei. Und bald konnten die Dienstoberen ihr den immer dringender werdenden Wunsch nach Versetzung nicht mehr abschlagen. Nur eineinhalb Jahre später war sie in Bad Berleburg. Und glücklich.
Der Audi schnurrte durch Post- und Ederstraße. Es war wenig Verkehr an diesem Donnerstag in der Berleburger Hauptstraße.
Die ersten Blätter fielen im Gunsetal bereits von den Bäumen. Nach einem extrem heißen Sommer. Es war einer der heißesten seit der Wetteraufzeichnung. Klaus musste daran denken, wie oft ihm beim Donnerstags-Freizeitkick die Zunge vor dem Hals gehangen hatte. Ihm, dem 38-jährigen Konditionswunder. Was er dabei allein in zwei Stunden an Mineralwasser verbrauchte hatte, hätte ihm sonst für zwei, drei Tage gereicht.
Er versuchte immer wieder, sich vorzustellen, wie das wohl für die Nationalfußballer bei der WM 2022 in Katar werden würde. Mittlerweile war das Turnier ja wegen der „klimatischen Besonderheiten“ auf Ende November verschoben worden. „Was für ein Schwachsinn“, murmelte der Hauptkommissar vor sich hin.
„Was ist Schwachsinn?“, wollte Corinna wissen und schaute irritiert vom Fahrersitz zu ihm rüber. Gerade waren sie beim Schulzentrum vorbei über die Straßenkuppe des Stöppel gekommen. Und über Raumland-Bahnhof hinweg eröffnete sich der Blick ins Edertal hinein und bis hinüber zum Kilbe und zur Birkefehler Höhe.
„Ach nix, hab‘ ein wenig über Fußball sinniert“, antwortete ihr Beifahrer und ergötzte sich an dem Anblick, der sich ihm bot. Gleich würde es regnen. Die Landschaft war gestochen scharf zu sehen. Ein untrügliches Zeichen für einen bevorstehenden Guss.
Und so kam es auch. Als sie links in den Stöppelsbach und gleich danach in die Weststraße einbogen, waren die ersten Tropfen auf der Frontscheibe des A5 zu sehen. „Beste Voraussetzungen für eventuelles Klinkenputzen“, lachte Corinna bitter. Aber als Wittgensteinerin war sie solches Wetter gewohnt. Und bei einer Temperatur von 22 Grad war das für hiesige Verhältnisse fast als subtropisch zu bezeichnen. „Wittjesteena Sürrelwäära“ war deutlich schlimmer.
Dann schien der Himmel förmlich zu platzen. Corinna hielt rechts an, stellte den Motor ab und den Funk etwas lauter. Der Regen prasselte heftig auf‘s Autodach.
„Solches Wetter hätten wir im Sommer öfter mal gebraucht. Jetzt ist‘s schon fast zu spät. Höchstens die Rasenbesitzer haben noch was davon.“ In ihr kam das Mädchen vom Lande durch. Ihre Eltern hatten noch immer ein paar Kühe im Stall stehen und betrieben einen kleinen Hofladen. In dem gab es in erster Linie hausgemachten Käse. Christa, ihre Mutter, hatte viele Lehrgänge besucht, um überhaupt eine Lizenz für die Erzeugung und den Verkauf zu bekommen. Und einen Haufen Umbauten hatte es daheim gegeben, um das Wagnis „Käseküche und Hofladen“ angehen zu können.
Da