Название | Durchgeknallt |
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Автор произведения | Wolfgang Breuer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961360024 |
Noch Stunden später war er völlig aufgewühlt. Erst dieser total verrückte Einsatz gegen einen Entführer in Berghausen. Dazu die kurzfristige Geiselnahme einer Ärztin, die danach total zusammengeklappt war, einen angeschossenen Beamten und nahezu null Informationen. Und dann noch dieser spektakuläre SEK-Zugriff, der dank Klaus Klaiser überhaupt erst möglich geworden war. Weil er über den Fluchtweg des Gangsters und dessen Unfall Bescheid wusste und informiert hatte.
Wie sich seine Leute da verhalten hatten, das war wirklich Klasse. Keine Frage. ‚Aber das muss man nun wirklich nicht laufend haben‘, dachte der Mann mit den fünf silbernen Sternen auf den Schulterklappen.
Gott sei Dank war die Schusswunde von Markus Schröder vergleichsweise schnell versorgt worden. Noch am frühen Abend wurde das Geschoss raus operiert. Er hatte riesiges Glück. Weder ein Knochen, noch wichtige Gefäße waren verletzt worden.
Und der Jungbulle aus Köln war schon wieder voll der Sprüche. „Es hätt‘ nochmol joot jejange“, hatte er nach der OP den besorgt wartenden Kollegen verkündet und halb lachend mit zusammen gekniffenen Zähnen hinzugefügt:
„So jet erläwwste nit in Kölle. Doför bruchste dringend enne Besoch im Kurbad. Do weeste ääst zom Mann.“
Die junge Notärztin allerdings hatte ein gewaltiges Trauma und einen dröhnenden Schädel davon getragen. Da konnte man nur hoffen, dass ihr gute Psychotherapeuten zur Seite stehen würden. Eine Waffe am Kopf und eine, wenn auch kurze, Geiselnahme … Das steckt niemand so einfach weg.
In irgendeiner stillen Stunde müsste er dringend mal mit Klaiser reden, überlegte Bernd Dickel. Solche Verfolgungen auf eigene Faust und ohne Selbstschutz wie die von Klaus Klaiser gingen überhaupt nicht. Auch wenn er eigentlich nichts falsch gemacht und seine Aktion im Altmühlbachtal zu einem außergewöhnlichen Erfolg geführt hatte. Zu einem Teilerfolg zumindest. Denn der Schwerverbrecher, als Frank Deppe aus Drolshagen identifiziert, schwieg sich über den Verbleib des Industriellen aus. Man hatte ihn nach ärztlicher Versorgung seiner Wunden in Untersuchungshaft nach Siegen gebracht.
Bei Klaisers im Robinienweg roch es ein wenig angebrannt. Ute hatte die Kartoffeln auf dem Herd vergessen, während sie mit Nachbarn an der Haustür sprach. Wie ein Lauffeuer hatte sich Klaus‘ heldenhafter Einsatz bei der Verteidigung des Kranwagenfahrers herumgesprochen. Der stand gerade unter der Dusche und bekam nichts mit von dem, was in Berghausen mittlerweile die Runde machte. Dazu gehörte natürlich auch, dass er derjenige gewesen sei, der dem SEK den Verbrecher direkt vor die Flinte geliefert habe. Einer aus dem Dorf habe den Einsatz sogar selbst beobachtet, wurde berichtet.
Dass das alles ganz anders abgelaufen war, erzählte der Kripomann seiner Frau dann eine halbe Stunde später. Bei Steak mit Pasta, Pfannengemüse und einer Sauce Bernaise. Eine kühne Kombination – aus der Not geboren. Aber gar keine so schlechte. Und die einzig noch machbare heute Abend. Denn die Kartoffeln waren wirklich nicht mehr zu gebrauchen.
„Unglaublich, wie die SEK-Leute arbeiten“, schwärmte er ihr vor. Aber sie wollte das alles gar nicht hören. Sie hatte Todesängste ausgestanden. Und zum ersten Mal hatte sie so einen Anstrich von Verständnis für die Filmpartnerinnen der meisten Fernsehkommissare, die sich serienweise hatten scheiden lassen oder dieses planten. „Die dummen Weiber wussten doch vorher, auf was sie sich einlassen“, hatte sie bisher immer gedacht.
Nicht, dass sie auch an Trennung oder gar Scheidung gedacht hätte. Aber sie wusste seit heute, dass es Gefühle gibt, die man sich selbst in übelsten Träumen nicht ausmalen kann.
Eines wollte sie aber nun doch wissen. „Warum haben die Dich im Altmühlbachtal eigentlich mutterseelenallein gelassen mit diesem Kerl? Die wussten doch, wo du bist.“
„Ich war nicht allein, Schatz. Die hatten die Situation wahrscheinlich schon zu der Zeit unter Kontrolle, als ich ausgestiegen und auf dem Weg zum umgestürzten Porsche war“, log er. „Nur habe ich sie nicht gesehen.“ Tatsächlich hatte es schon etwas länger gedauert.
Nachdem ihn Streifenkollegen nach dem Verschwinden des Spezialeinsatzkommandos aufgegabelt hatten, erfuhr er, was da alles im Hintergrund gelaufen war. Es war eine fast schicksalhafte Fügung gewesen, dass das SEK aus Dortmund wegen der Entführung in der Nähe des Rhein-Weser-Turms auf Einsatz wartete. Und dann hatte man gezielt Berghausen angefahren, nachdem über Funk bekannt wurde, dass dort ein Porsche und ein Bodybuilder aufgefallen waren, die womöglich die Gesuchten sein könnten.
In dem Moment, in dem Klaus Klaiser meldete, der Porsche sei ins Altmühlbachtal unterwegs, waren 15 SEK-Leute mit vier Fahrzeugen gerade am Restaurant „Grünewald“ vorbei gekommen, ungefähr einen Kilometer außerhalb von Berghausen. Zwei Minuten später standen sie an der Ederbrücke. Eine weitere Minute später eine Streifenwagenbesatzung aus Berleburg. Dann kam Klaus‘ Meldung von dem Unfall des Porsche.
Nach Blick auf die Karte mit Hilfe der ortskundigen Kollegen kam der Einsatzbefehl des SEK-Zugführers rasend schnell. „Sechs Mann mit einer Limousine und dem Neunsitzer vor bis zur Alten Mühle. Drei Mann davon versuchen von dort aus, verdeckt über einen Weg auf die Straße von Birkefehl zu gelangen, um von oben her auf die Gabelung zu kommen.“
Der zweite Mercedes mit drei Mann, einer war Scharfschütze, wurde mit Hochgeschwindigkeit über die Helle, Richtung „In der Delle“ geschickt. Deren Ziel: Sicht- und Schussfeld in Richtung Unfallstelle im Altmühlbachtal. Der dritte Mercedes mit drei Mann musste den Weg ebenfalls über die Helle nehmen, um auf dem schnellsten Wege über Hemschlar von Rinthe her ins Altmühlbachtal zu kommen.
‚Irre, wie schnell die die Situation und die topografischen Verhältnisse drauf haben‘, war schon Pattrick Born verblüfft, einer der Streifenpolizisten. Er hatte mit seiner Kollegin den Auftrag, das Altmühlbachtal von Berghausen her für den Verkehr zu sperren. Andere Beamte hatten das bereits in Birkefehl übernommen. Sie waren auf dem Weg zurück von einer Unfallaufnahme in Schameder. Und der Polizeiführer vom Dienst in Berleburg hatte zudem eine Verkehrskontrollstelle bei Weidenhausen aufgehoben, um die Kollegen ins untere Rohrbachtal zu schicken. Damit sie dort die Straße in Richtung Unfallstelle dicht machen.
Das war also der Grund dafür gewesen, dass kein einziges Auto durchs Tal gefahren war, als Klaus Klaiser in der Böschung lag und der Entführer schussbereit auf der Straße stand. Und der Eichelhäher signalisierte wohl die Ankunft des Scharfschützen gegenüber am Waldrand. Hatte er also gar nicht falsch gelegen mit ‚Kollege‘, dachte Klaus.
Eins war ihm allerdings nach wie vor schleierhaft. Wo war Deppe, dieser Gangster, so plötzlich hergekommen? Beim Blick auf die Unfallstelle und das Wrack war von ihm nichts zu sehen. Und der Porsche hatte ziemlich flach ausgesehen. Drinnen wäre es für ihn vermutlich recht ungemütlich geworden. Deppe musste also raus geflogen sein und irgendwo bewusstlos im Graben gelegen haben. Klar. Sonst hätte er Klaus‘ Wagen ja kommen hören. Auf der anderen Seite, rechts neben dem Porsche, musste er irgendwo in der Wiese gelegen haben. Bewaffnet. Bei seiner Festnahme hatte er noch immer die SIG Sauer P6 dabei, die er dem Kölner Kollegen Schmitz im Rettungswagen aus dem Holster gerissen hatte. Ob er die beim Fahren und beim Überschlag in der Hand behalten hatte? Und sogar bei seinem Abflug aus dem Auto? Musste er wohl.
Die beiden anderen Waffen waren von der Spurensicherung im Porsche gefunden worden. Ebenso die Autoschlüssel und die Handys. Bis auf die Sportjacke vom Rücksitz war bei der ersten Durchsicht des demolierten Boliden sonst auch nichts gefunden worden. Ein Chaos hatte der Überschlag also im Inneren nicht angerichtet. Nur die Fußmatten hatten, weil auf einer Seite mit Druckknöpfen befestigt, ein wenig schief von der Decke heruntergebaumelt, die ja in Wirklichkeit das Bodenblech war.
„Ich frage mich die ganze Zeit, wo der Kerl mit dem Wagen überall war, bevor er dir in die Fänge geraten ist.“ Kriminalrat Jörg Gabriel, Leiter der SOKO „Lenne“ schien juckende Pickel unter seinem dichten krausen Haar zu haben. Heftig schabte er mit den Fingern der rechten Hand über den Hinterkopf.
Gabriel musste von Olpe nach Berleburg geflogen sein.