Durchgeknallt. Wolfgang Breuer

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Название Durchgeknallt
Автор произведения Wolfgang Breuer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961360024



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und eines speziellen Ermittlungstrupps waren im Altmühlbachtal aufgetaucht. Und mindestens fünfmal hatte Klaus alles so wiedergegeben, dass es jeder, meist mit ungläubigem Kopfschütteln, aber auch der einen oder anderen anerkennenden Geste, begriffen hatte.

      Den größten Kampf vor Ort musste er aber mit dem Mann der Spurensicherung führen, der die Waffen und die Handys eingesammelt hatte. Wenigstens sein Telefon hätte er gerne zurück gehabt. Um noch mal einen Anruf bei Ute zu versuchen. Daheim war nämlich die ganze Zeit besetzt gewesen, als er von einem Kollegen-Handy aus probiert hatte. Und die Mobilnummer von Ute hatte er nicht im Kopf. Die war in seinem Smartphone gespeichert.

      Zunächst hatte der Mann im weißen Anzug (den trugen die Kollegen offenbar immer) darauf bestanden, alle Fingerabdrücke von dem iPhone 5 zu nehmen. Darüber hinaus wollte er wissen, ob der Gangster damit Gespräche geführt hatte. Hatte der aber nicht, wie sich anhand der Anrufliste schnell feststellen ließ. Und auch keine SMS oder Fotos verschickt. Hätte er aber auch nicht können. Weil er den vierstelligen Code des Gerätes nicht kannte.

      Doch Spusi-Leute sind gründlich. Und auch erst nach Rückversicherung bei seinem Vorgesetzten rückte er das Handy raus. Kleisers Dienstwaffe aber blieb im Asservatenbeutel. Und damit bei der Spurensicherung und der KTU.

      Klaus kannte den SOKO-Leiter schon seit Jahren. Jetzt saß er ihm direkt gegenüber. Ein Super-Kriminalist, bei dem er einige Lehrgänge besucht hatte. Jörg Gabriel hatte richtig Karriere gemacht. Und das nicht zu Unrecht. Denn er konnte auf eine lange Reihe spektakulärer Ermittlungserfolge und damit verbundener Fallaufklärungen verweisen. „Die Unterwelt zittert vor ihm“, hatte eine nicht gerade kleine Boulevardzeitung unlängst getitelt.

      „Ich kann Dir auch nicht sagen, wo er herkam. Ich glaube nur, dass er wahnsinnig unter Zeitdruck war, als ich mich an ihn rangehängt habe“, erklärte der Hauptkommissar seine erste Begegnung mit dem Mann im Porsche. „Obwohl er wohl nicht so genau wusste, wo‘s lang geht. Sonst wäre er nicht irgendwo in Raumland rumgegurkt. Denn er war ja so abgebogen, dass er erst später wieder über den Stöppelsweg von Berleburg her auf die Hauptstrecke zurückkam. … Wenn es denn überhaupt seine Hauptstrecke war. Immerhin war das Navi aber eingeschaltet. Hab´ ich in Berghausen im Wagen festgestellt.“

      „Oder er wusste sehr genau, wo´s her geht“, warf Gabriel ein. „Wir suchen gerade an diesem Stöppel und in der Umgebung eine junge Frau, die an dem Wagen von einem Anlieger in der Weststraße gesehen worden war. Nur, ob die ausgestiegen war oder der Fahrer sie nur nach dem Weg gefragt hat, wissen wir wohl erst, wenn wir sie gefunden haben. Der alte Mann hatte auf der Wache angerufen und sich über einen abartigen Raser mit Porsche und Olper Kennzeichen beschwert. Als die Kollegen hier in der Wache wussten, um wen es sich bei dem Fahrer handelt, haben sie den Herrn später noch mal angerufen und etwas genauer befragt.“

      „Dass er die Frau dort hingebracht hat, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, entgegnete Klaus und nahm erstmal einen richtigen Schluck aus der Kaffeetasse, die ihm Gabriel hingestellt hatte. Schwarz und stark. Für die sonst bei der Polizei üblichen Verhältnisse eine wahre Labsal. „Ich habe in Dotzlar und beim Hinterherfahren nur diesen Koloss im Auto gesehen“, erzählte er dem nachdenklich dreinschauenden Chefermittler, der mit abgespreiztem kleinem Finger einen Espresso aus einer winzigen Tasse trank.

      Erst vor zwei, drei Wochen hatten sie alle auf der Wache zusammengelegt und eine wirklich gute gebrauchte Profi-Kaffeemaschine bei einem hiesigen Gastroservice erstanden. Dessen Chef spielte mit ihnen zusammen bei den Freizeit-Kickern und hatte ein Faible für die „Bullerei im Herrengarten“, wie er sie fast liebevoll nannte. Außerdem war Bernd Dickel, der Dienststellenleiter, einmal sein Fußballtrainer gewesen. So etwas kann unter Freunden schon mal zu größeren Rabattaktionen führen. Nur für die Kaffeebohnen mussten sie den normalen Preis berappen. Wieder nahm Klaiser einen Schluck dieses köstlichen Gesöffs, das ihn ein wenig auf Vordermann bringen sollte. Denn er war, trotz aller Anspannung, schon ziemlich kaputt. ‚Eine solch tolle Crema kriegen wir zuhause niemals hin‘, bedauerte er in Gedanken.

      „Okay, schau‘n wir mal, was bei der Suche nach der Frau rauskommt.“ Gabriel nestelte in seiner rechten Sakkotasche herum und beförderte sein Handy heraus, das im Stakkato zu klingeln begonnen hatte. Typ „american phone“, ‚ring-ring, ring-ring’. „Ja bitte? … Ach, Bertram, grüß Dich. … Nee, noch nichts. Keine Ahnung, wo der Mann ist. … Nein, weiß ich auch nicht. Das machen die vom Ermittlungsdienst. Aber die kommen offenbar auf keinen grünen Zweig mit dem Typen. … Nee, keine Pause. Dem werden wir durchgehend Druck machen. Ich fahr‘ da gleich persönlich hin und schalte mich in die Vernehmung mit ein. Hab‘ hier noch einen Moment in Bad Berleburg zu tun. … Ja, das war ’n echter Hammer hier. Super gemacht, von allen Kollegen. Kann man nicht anders sagen. … Nein, dem geht es wieder besser, wie ich höre. Ist operiert und steckt das wohl ganz gut weg.“

      Kurz darauf war das Telefonat beendet. „War Bertram Klotz aus dem Innenministerium. Die sind da ganz schön angefressen wegen dieses Scheißkerls. Deppe ist vor drei Monaten aus dem Knast in Attendorn abgehauen. Saß schon zwei Jahre wegen eines außerordentlich brutalen Überfalls auf einen Juwelier in Hagen. Dem hat er damals fast den Schädel eingeschlagen und dessen Mitarbeiterin beide Arme gebrochen. Nur, weil sie ihm den Schmuck aus dem Tresor zu langsam in einen Beutel gesteckt hatte“, ereiferte sich der SOKO-Leiter.

      „Ein wahnsinnig brutaler Kerl. Wahnsinnig! Sei froh, dass Deine riskante Nummer so ausgegangen ist und die Kollegen und die Ärztin nicht noch mehr abgekriegt haben.“

      Klaus kriegte rote Ohren. „Ich konnte doch bei der geplanten Überprüfung eines Verkehrsrowdies nicht ahnen, dass ich es mit einem solchen Typen zu tun habe.“

      „Nach der Schießerei im Dorf aber schon, mein Lieber. Auch wenn das SEK ohne Dich wahrscheinlich noch immer ergebnislos durch die Botanik gurken würde.“ Er konnte sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen. „Trotzdem, Klaus, das war hochgradig riskant. Mach‘ einen solchen Scheiß möglichst so schnell nicht noch mal, okay? Bin stolz auf dich, Blödmann.“

      Er schaute abwechselnd auf sein Handy und auf seine Uhr. „Wird Zeit, dass ich abhaue. Ich will dem Deppe noch ein bisschen auf den Zahn fühlen. Wir müssen wissen, wo der entführte Industrielle Bernd Mönkemann ist. Und ob der überhaupt noch lebt. Es wird jetzt Nacht. Wer weiß, wo er den hingebracht hat – und in welchem Zustand.“

      Da fiel Klaus ein, was der Entführer mit seiner demolierten Gosche gebrabbelt hatte, als er ihn zum ersten Mal in Berghausen festgenommen hatte. „Er hat gesagt: ‚Jetzt ist alles im Eimer‘, wenn ich mich recht erinnere.“ Und geflucht hatte er gotterbärmlich. „Für mich sah er in diesem Moment seine Felle davon schwimmen“, sinnierte der Hauptkommissar. „Ich habe mir die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen, warum der Irre den Trucker so unter Druck gesetzt hat. Er hätte doch umdrehen und anderswo herfahren können. Aber er kannte wahrscheinlich keinen anderen Weg. Und dass er mich hinter sich überhaupt richtig wahrgenommen hat, halte ich nach seiner Reaktion in Berghausen für ausgeschlossen.“

      Jörg Gabriel schabte wieder seinen grauen Schopf. „Die Geschichte wird immer komplizierter. Erst schnappt er sich den Mönkemann in Kirchhundem, wie der nach dem Zigarettenholen etwa 10.20 Uhr von einem Supermarkt auf den Parkplatz zurück kommt und zwingt ihn offenbar, von der Beifahrerseite her in den Porsche einzusteigen und auf die Fahrerseite durchzurutschen, damit er selbst einsteigen kann. Wie sich erst später herausstellte, hatten das Passanten beobachtet, der Sache aber irgendwie keine Bedeutung beigemessen. Erst am Nachmittag, als sich im Ort die Kunde von der Entführung wie ein Lauffeuer verbreitete, hatten sie der Polizei von der Beobachtung erzählt. Aber sie waren zu weit weg, um zu sehen, ob und was für eine Waffe der Mann dabei hatte.

      Um 11 Uhr hätte der Unternehmer in Altenhundem beim Notar sein müssen. Kam aber nicht. Anrufe bei ihm daheim und in der Firma Fehlanzeige. Sein Handy war aus. Kurz nach 12 Uhr kam dann der Erpresseranruf. Von Deppe. Die Sekretärin des Entführten hatte Teile des Gesprächs gedankenschnell mitgeschnitten. Deppes Stimme. Später eindeutig als solche identifiziert. Er habe Mönkemann entführt und wolle eine Million Euro Lösegeld. Bis 16 Uhr – in einer Streugutkiste, mitten auf dem Parkplatz des Siegener Leimbachstadions. Begleitet natürlich von den üblichen Drohungen.