Durchgeknallt. Wolfgang Breuer

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Название Durchgeknallt
Автор произведения Wolfgang Breuer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961360024



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schaust Du Dich am besten mal in und in der Nähe der Weststraße in Raumland um. Es muss doch irgendjemanden geben, der außer dem Hinweisgeber diese ominöse Frau gesehen hat.

      Es hat übrigens auch keiner was dagegen, wenn du Markus Schröder mal im Krankenhaus besuchst. Der hat den Schuss ins Bein richtig gut weggesteckt. Macht schon wieder auf dicke Hose“, grinste er.

      „Doch bevor Du das tust, schau mal in die Zeitungen, falls du‘s noch nicht getan haben solltest. Die sind verdammt gut informiert und wissen mehr als das, was unsere Pressestelle raus gegeben hat.“

      Das erledigt Klaus sofort. Beim PvD lagen alle drei Gazetten aus der Region: Westfalenpost, Westfälische Rundschau und Siegener Zeitung. Von den beiden ersten brauchte er nur in eine zu schauen. Beide hatten einen identischen Lokalteil. Und der hatte auf der ersten Seite richtig fett mit dem Fall aufgemacht. „SEK beendet Flucht eines Kidnappers unblutig“ mit der Unterzeile „Verfolgung, Schießerei und Geiselnahme in Berghausen – Kripo-Mann Held des Tages“. Dazu zwei großformatige Fotos. Eines zeigte Frank Deppe von hinten, wie er mit Handschellen von den beiden kölschen Kollegen Richtung VW-Bus geführt wurde. Und das andere zeigte den quer stehenden Porsche vor dem Kranwagen-Gespann. Vermutlich beides Handy-Fotos von Passanten.

      Der Artikel war gespickt mit jeder Menge guter Informationen. Von Dotzlar bis ins Altmühlbachtal. Nichts dramatisiert, nichts aufgebauscht. Detailgetreu und sauber recherchiert. Und angereichert mit jeder Menge Insiderkenntnis. ‚Da hat mal wieder jemand von den Uniformierten das Wasser nicht halten können‘, dachte er. Nichts jedoch von der gesuchten Frau.

      Seine Rolle fand er selbst ein wenig zu dick aufgetragen. Wenngleich er natürlich stolz war wie Bolle. „Quasi vor der eigenen Haustür hatte er den Gewaltverbrecher zunächst im Alleingang zur Strecke gebracht.“

      ‚Stimmt ja auch‘, dachte er. ‚Wenn bloß dieser extrem humanitäre Zug der Ärztin nicht gewesen und dadurch der haarsträubende Bock mit den Handschellen nicht passiert wäre. Das hätte Schmerzen und Ängste verschiedener Menschen und Ressourcen der Polizei gespart.’

      Ähnliches in der Siegener Zeitung. „SEK schnappt Entführer in Berghausen“, „Kriminalkommissar Klaus K. auf der richtigen Spur“, „Kein Lebenszeichen von IT-Entwickler Mönkemann“. Die Journalisten der „Siegener“ mussten denselben Informanten gehabt haben wie die aus Berleburg. Denn die Geschichte wies ähnliche Fragmente auf. Die Fotos waren zwar etwas anders, aber aus gleicher Position gemacht. Spätestens seit Beginn des Smartphone-Zeitalters haben die Zeitungen jede Menge neuer Freier Mitarbeiter.

      Was Klaus Klaiser am wichtigsten fand: alle Zeitungen hatten an exponierter Stelle nicht nur über die Entführung in Kirchhundem berichtet. Sie brachten auch eine Personenbeschreibung und eine des Fahrzeugs. Dazu ein Passfoto des Gekidnappten.

      „Gesucht wird Bernd Mönkemann, 42 Jahre alt, 1,88 m groß, schlank, hellblondes zurückgekämmtes Haar, Dreitagebart. Bei der Entführung trug der IT-Entwickler einen hellgrauen Anzug mit braunem Gürtel, ein weißes Kurzarmhemd und braune Slipper. Er war unterwegs mit seinem metallicblauen Porsche Panamera, amtliches Kennzeichen OE-JJ 276, mit breiter Bereifung.“

      Als Klaus Klaiser sein Büro betrat, klingelte das Telefon. Er nahm ab und hatte Jürgen, einen Kollegen von der Wache dran. „Moin Klaus. Wollte Dir nur sagen, wir hatten heute Morgen mindestens zehn Anrufe, die allesamt mit dem Entführer zu tun haben. Und in allen wurde ähnliches berichtet: ein blauer Porsche, der mit hoher Geschwindigkeit durch die Dörfer und über Landstraßen gejagt ist. Ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer.“

      „Hat sich denn daraus ein Profil ablesen lassen?“, wollte Klaus wissen.

      „Ich denke schon“, war sich sein Gegenüber am Telefon ziemlich sicher. „Demnach ist der Wagen gegen 15 Uhr und kurz danach wenigstens viermal in Erndtebrück aufgefallen. Dort ist er wohl einfach quer über einen Verkehrskreisel gerast. Minuten später wurde er dann mehrfach in und bei Schameder, in der Nähe von Leimstruth, bei Stünzel und in Sassenhausen gesehen. Laut allen Beobachtern war übrigens immer nur eine Person im Auto.“

      Lediglich eine ältere Dame habe laut Jürgen berichtet, der Porsche sei um 15.16 Uhr von Niederlaasphe her nach Bad Laasphe herein geschossen. Es war die einzige Meldung, die nicht zu den anderen passte.

      „Von der Strecke her sind die übrigen Angaben aber durchaus schlüssig. Der Porsche kam ja dann auch bei Dir in Dotzlar vorbei“, sagte Polizeihauptmeister Jürgen Winter. „Das einzige, womit ich nicht klar komme ist, warum er so lange gebraucht hat, um bis zu Dir zu kommen.“

      „Wie meinst Du das mit dem ‚um bis zu Dir zu kommen’? Verstehe ich nicht so richtig“, war Klaus jetzt ein wenig begriffsstutzig.

      „Na ja, Du kennst doch die Strecke von Erndtebrück über Leimstruth und Stünzel bis nach Dotzlar. Dort hast Du doch den Porsche zum ersten Mal gesehen. Kurz nach 16 Uhr, wenn ich das richtig verstanden habe, ist er dann ‚bei Dir angekommen’.“

      „Ach Gott, ich Hornochse“, schalt‘ sich Klaiser. „Natürlich. Jetzt weiß ich, was Du meinst. Klar. Stimmt. Das war ja fast eine Stunde von Erndtebrück bis da hin.“

      „Wir haben das mal bei Google Maps nachgemessen. Das sind von Erndtebrück Ortsmitte bis Dotzlar knapp 16 Kilometer. Die hast Du bei normalem Verkehr und normaler Fahrweise in 18 Minuten gefahren“, berichtet Jürgen Winter. „Nun ist der aber allen Beschreibungen nach – und auch nach Deiner – gerast wie ein Irrer. Warum braucht er dann rund 60 Minuten für diese Strecke? Das stimmt doch vorne und hinten nicht.“ Damit hatte der Kollege recht.

      „Hast Du das schon mit Bernd Dickel besprochen?“

      „Klar. Die Infos haben wir auch schon alle an die SOKO weitergegeben. Jetzt sind Kollegen unterwegs, um sich mit den einzelnen Zeugen noch mal intensiver zu unterhalten.“

      „Super. Ich danke Dir. Werde jetzt erst mal meine Berichte schreiben. Dann komm‘ ich runter.“

      Kurz vor zehn Uhr hatte er seine Aufgabe erledigt, die Berichte wieder und wieder durchgelesen, korrigiert und schließlich ausgedruckt, unterschrieben und an den Chef, SOKO „Lenne“ und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

      Als er kurz darauf nach unten zu Jürgen Winter ging, hing der gerade am Telefon. Auch der Kollege gegenüber telefonierte und schrieb eifrig mit. Soweit Klaus Klaiser verstehen konnte, kamen auf beiden Leitungen neue Infos zu dem Porsche rein. Winter winkte ihm zu, deutete ihm an, sich kurz zu setzen und warf vor Klaus zwei Aktendeckel auf den Tisch. „Schau mal rein“, flüsterte er ihm zu. „Nein, nein, ich meinte nicht Sie, erzählen Sie bitte weiter.“

      Der Hauptkommissar öffnete die oberste Kladde und sah plötzlich auf Fotos zwei „alte Bekannte“ wieder. Einen links heftig angekratzten silbergrauen Ford Mondeo neuerer Bauart und einen auf der gleichen Seite ziemlich demolierten karminroten VW Passat. Die Autos, die Frank Deppe auf seiner rasenden Fahrt durch Berghausen beim Überholen touchiert hatte. Es waren mehrere Fotos aus verschiedenen Perspektiven, samt Unfallmeldungen und samt Beschwerde über einen vorbeijagenden Fahrer, offenbar Polizist, in einem Audi mit Blaulicht.

      Klaus war etwas ratlos, wusste nicht, ob er da nicht doch einen Fehler gemacht hatte. Hätte er etwa stehen bleiben und sich um den Crash kümmern sollen? Aber dann wäre ihm der Porsche sicher erneut durch die Lappen gegangen. Im

      Übrigen hatte er ja kurz nachgeschaut und gesehen, dass die Fahrer offenbar keine Verletzungen davon getragen hatten. Und die Wache war per Funk darüber informiert worden.

      Im anderen Aktendeckel waren nur Fotos. Richtig große. Fotos vom Porsche. Auf dem Dach liegend und auf den Rädern stehend. Von allen Seiten. Nahe und Totale. Ein Bild des Jammers. Dieses schöne Auto so arg zugerichtet.

      „Ja, hab‘ ich im Original schon gesehen. Sieht übel aus, der Schlitten.“ Klaus war etwas irritiert. Wusste nicht, was Jürgen mit dieser Bildershow bezwecken wollte. Als der sein Telefonat beendet hatte, kam er um den Tisch herum und nahm drei Bilder in die Hand, die die rechte Flanke des Porsche zeigten. „Schau mal genau auf den Farbabrieb, den die beiden Wagen der Länge nach hinterlassen haben. Hier ein wenig